Energiekostensenker, Vergleichtipps, Turbovergleich und Tarifexperten – Verträge unwirksam oder anfechtbar?

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In letzter Zeit häufen sich Berichte von Verbrauchern, die von Mitarbeitern vermeintlicher Beratungsunternehmen für Strom- und Gastarife telefonisch kontaktiert werden. Identisch lautet es auf den jeweiligen Internetseiten:

,,[ ]bieten Ihnen eine unverbindliche und individuelle Beratung sowie einen persönlichen Preisvergleich zu allen Themen rund um Energie und Telekommunikation. Egal, ob Sie Ihren Anbieter wechseln möchten oder Hilfe bei der Suche nach einem günstigen Tarif benötigen:

Wir beraten und begleiten Sie kostenlos vom ersten Schritt an und suchen mit Ihnen gemeinsam einen Anbieter mit günstigen, transparenten Tarifen sowie einem erstklassigen Kundenservice. Dabei ist es unsere oberste Priorität, gezielt auf Ihre Wünsche einzugehen.“

Gerade in Zeiten der Energiekrise ein gut klingendes Angebot. Doch sind diese Tarifvergleichsunternehmen wirklich seriös?

Dass sich auf allen vier Internetseiten derselbe Text wiederfindet, ist kein Zufall. Schaut man in das Impressum der Unternehmen, stellt man eine weitere Gemeinsamkeit fest: als Geschäftsführer der dieenergiekostensenker89 UG, vergleichstipps55 UG sowie der Turbovergleich29.de UG ist Mario Kovac aufgeführt. Geschäftsführer der tarifexperten77 UG ist Marijan Vukusic.

Diese beiden Personen sind ebenfalls Geschäftsführer verschiedener unseriöser Energieunternehmen (Primastrom, Voxenergie, Nowenergy). Nach unseren Informationen bieten die vermeintlichen Tarifvergleichsunternehmen daher auch nur Vertragsschlüsse mit genau diesen Energieunternehmen an. Von einem objektiven und neutralen Vergleichsangebot dürfte unter diesen Umständen keine Rede sein.

Auch der Verbraucherschutz warnt inzwischen vor tarifexperten77:

(vgl. https://verbraucherschutz.de/vorsicht-bei-anruf-von-tarifexperten77-de/)


Doch wie sieht die rechtliche Lage aus? Kann man gegen die mit den Energieunternehmen geschlossenen Verträge vorgehen?

Formunwirksamkeit

Ja. Verträge über die Belieferung mit Strom und Gas können seit Juli 2021 nicht mehr telefonisch abgeschlossen werden. Solche Verträge sind formunwirksam und damit nichtig.


Anfechtung wegen arglistiger Täuschung

Außerdem können bereits geschlossene Verträge angefochten werden. Eine erfolgreiche Anfechtung hat ebenfalls die Nichtigkeit des Vertrages zur Folge. Um einen Vertrag anzufechten, bedarf es eines Anfechtungsgrundes. Dieser liegt hier in der arglistigen Täuschung. Getäuscht wird gleich über mehrere Tatsachen:

Identität - die "voxpark GmbH"

Alle oben genannten Tarifvergleichsunternehmen haben ihren Sitz an der gleichen Adresse in Berlin, ebenso wie die Energieunternehmen. An dieser Adresse gibt es noch ein weiteres Unternehmen namens „voxpark GmbH“. Hierbei handelt es sich um ein Callcenter. Es ist deshalb davon auszugehen, dass sämtliche Anrufe bei Verbrauchern, egal ob im Namen eines der oben genannten Tarifvergleichs- oder Energieunternehmens in Wirklichkeit von Mitarbeitern dieser „voxpark GmbH“ stammen. Wenn von dort aus Verbraucher angerufen werden und die Mitarbeiter sich z.B. als solche der turbovergleich77 UG vorstellen, sagen sie damit stillschweigend auch, dass sie nicht solche der Energieunternehmen sind. Dies entspricht jedoch nicht der Wahrheit. Der Verbraucher wird folglich darüber arglistig getäuscht, von einem Tarifvergleichsunternehmen, das von den Energieunternehmen verschieden ist, kontaktiert zu werden.

Objektivität - kein neutraler Tarifvergleich

Zudem wird über die Objektivität des Tarifvergleichs und der Tarifberatung arglistig getäuscht. Der Verbraucher geht am Telefon davon aus, dass der Anrufer Tarife verschiedener auf dem Markt verfügbarer Energieunternehmen vergleicht und dem Verbraucher daraufhin das objektiv Beste anbietet. Der Verbraucher denkt, dass es sich bei den Tarifvergleichsunternehmen um Unternehmen wie „check24“ oder „verivox“ handelt. Tatsächlich sind die Tarifvergleichsunternehmen jedoch praktisch mit den Energieunternehmen, deren Tarife sie anbieten, identisch. Objektivität ist damit offensichtlich nicht gegeben.

Vielmehr erfüllt ein solches Vorgehen ebenfalls den Tatbestand der strafbaren Werbung nach § 16 Abs. 1 UWG. Danach macht sich strafbar, wer in der Absicht, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen, in öffentlichen Bekanntmachungen oder in Mitteilungen, die für einen größeren Kreis von Personen bestimmt sind, durch unwahre Angaben irreführend wirbt. Derartige irreführende Werbung berechtigt den Verbraucher regelmäßig zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung.


Was können Sie tun?

Wenn Sie sich von einem mit den oben genannten Unternehmen geschlossenen Vertrag lösen wollen, könnte ein entsprechendes Schreiben wie folgt lauten:

Name: [Ihr Name]

Anschrift: [Ihre Anschrift]

Zählernummer: [Ihre Zählernummer]

Anfechtung

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit möchte ich meinen womöglich mit Ihnen geschlossenen Vertrag anfechten.

Bitte senden Sie mir eine schriftliche Anfechtungsbestätigung unverzüglich, spätestens aber innerhalb von 7 Tagen zu und teilen mir den Zeitpunkt der Beendigung mit.

Ich wünsche keine weitere Kontaktaufnahme Ihrerseits zum Zweck der Rückwerbung.

Mit freundlichen Grüßen

[Ihr Name]


Wenn Sie wissen möchten, ob sie mit diesen Unternehmen einen wirksamen Vertrag geschlossen haben und/oder wie Sie sich von einem solchen Vertrag wieder lösen können, können Sie uns gerne kontaktieren. Zu den Möglichkeiten, sich von einem Vertrag mit den dieenergiekostensenker89 UG, vergleichstipps55 UG, Turbovergleich29.de UG oder tarifexperten77 UG zu lösen und zur Durchsetzung Ihrer Rechte berate ich Sie gerne.

Foto(s): https://pixabay.com/de/photos/vergleichen-vergleich-optionen-5201278/


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