Entgeltfortzahlung bei erneuter Krankheit

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Krank und arbeitsunfähig - besteht Anspruch auf Lohnfortzahlung bei erneuter Erkrankung?

Bei Erkrankung bzw. Arbeitsunfähigkeit gelten bestimmte Regelungen, die Arbeitnehmer beachten müssen. Dazu zählt etwa, den Arbeitgeber über die Erkrankung einschließlich der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit zu informieren (Krankmeldung). Beträgt die Dauer der Arbeitsunfähigkeit länger als drei Tage, ist ebenso eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Krankschreibung durch einen Arzt) erforderlich. Im Arbeitsvertrag können kürzere Fristen vereinbart sein.

Aber auch die Arbeitgeber selbst sind bei Krankheit ihrer Beschäftigten in der Pflicht: so müssen sie - zumindest über einen Zeitraum von sechs Wochen - dem erkrankten Arbeitnehmer den Lohn weiterzahlen - vorausgesetzt, der erkrankte Arbeitnehmer hat seine Arbeitsunfähigkeit nicht selbst verschuldet und ist bereits länger als vier Wochen im Betrieb angestellt. Ist der Beschäftigte länger als sechs Wochen arbeitsunfähig, erhält er ab Beginn der siebten Woche Krankengeld von der Krankenkasse.

Klingt in der Theorie relativ unkompliziert, in der Praxis treten jedoch nicht selten Probleme auf. Ein besonderer Streitpunkt ist die Entgeltfortzahlung bei Auftreten einer erneuten (weiteren) Erkrankung während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit: erkrankt der Arbeitnehmer während einer Arbeitsunfähigkeit an einem weiteren Leiden, das ihn ebenfalls arbeitsunfähig macht, stellt sich oftmals die Frage, ob der Betroffene einen erneuten Anspruch von sechs Wochen auf eine Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber erwirbt.

Entgeltfortzahlungsanspruch bei erneuter Erkrankung nur unter bestimmten Voraussetzungen

Wird der Arbeitnehmer aufgrund derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig, so ist gemäß § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) eine Lohnfortzahlung an das Bestehen einer der beiden folgenden Voraussetzungen gebunden:

  1. der Arbeitnehmer war im Zeitraum vor der neuerlichen Arbeitsunfähigkeit während mindestens 6 Monaten nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig oder
  2. seit dem Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit (durch eben diese Erkrankung) sind mindestens 12 Monate verstrichen.

Was gilt allerdings in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer an einer anderen Krankheit erkrankt, die mit der ersten Krankheit, die zur Arbeitsunfähigkeit geführt hat, nichts zu tun hat? Wenn der Arbeitnehmer zum Beispiel aufgrund eines gebrochenen Armes arbeitsunfähig ist und anschließend an einer schweren Grippe erkrankt?

Hier kommt es darauf an, ob der Betroffene zwischen den beiden Erkrankungen/ Krankschreibungen gesund und arbeitsfähig war und im Unternehmen gearbeitet hat oder nicht. Hat der Arbeitnehmer seine erste Erkrankung auskuriert und zumindest einen Tag wieder gearbeitet, hat er bei erneuter Arbeitsunfähigkeit wieder Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber über einen Zeitraum von sechs Wochen - vorausgesetzt, es handelt sich um verschiedene Erkrankungen und Krankheit B ist keine Folgeerkrankung von Krankheit A.

Beweislast liegt beim Arbeitnehmer

In den Fällen, in denen der Arbeitnehmer wieder arbeitsfähig war, allerdings nicht gearbeitet hat (zum Beispiel weil ein Wochenende zwischen den beiden Erkrankungen liegt), trägt er die Beweislast. Der Arbeitnehmer muss nachweisen, dass a) es sich um eine völlig andere Krankheit handelt, die nicht aus der ersten Erkrankung resultiert und b) die erste Erkrankung tatsächlich vollständig auskuriert war.

Kein Anspruch auf Lohnfortzahlung bei Einheit des Verhinderungsfalls

Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei erneuter Erkrankung existiert nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Aktenzeichen 5 AZR 505/18) hingegen nicht, wenn während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit zusätzlich eine andere Erkrankung auftritt, die ebenfalls zur Arbeitsunfähigkeit führt. Anspruch auf Lohnfortzahlung ergibt sich nur in den Fällen, in denen die neuerliche Erkrankung (bzw. Arbeitsunfähigkeit) zu einem Zeitpunkt auftrat, an dem die Arbeitsunfähigkeit durch die erste Erkrankung bereits beendet war.

Der Arbeitnehmer hat also nur für die erste Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Weiterzahlung seines Lohns; bei zweiter Arbeitsunfähigkeit, die während der ersten entsteht, beginnt kein zweiter/ neuer 6-Wochen-Zeitraum und es besteht kein Entgeltfortzahlungsanspruch. Hierbei handelt es sich um die sogenannte Einheit des Verhinderungsfalls. Der Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls besagt, dass die Sechs-Wochen-Frist für die Entgeltfortzahlung nicht mit dem Beginn einer einzelnen Erkrankung, sondern mit dem Beginn der Arbeitsverhinderung (durch die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit) anfängt.

Mit anderen Worten: bei Eintritt einer neuen Krankheit (und resultierender Arbeitsunfähigkeit) während einer bereits bestehenden Arbeitsunfähigkeit entsteht kein erneuter Anspruch auf Weiterzahlung des Arbeitslohns. Ausgenommen sind diejenigen Fälle, in denen der Arbeitnehmer zwischen den zwei Erkrankungen nachweislich arbeitsfähig war.

Sind Sie als Arbeitnehmer aufgrund einer Erkrankung arbeitsunfähig, sollten Sie in jedem Fall den ganzen Verlauf gut dokumentieren und gegenüber Ihrem Arbeitgeber kommunizieren.

Gerade in “komplizierten” Fällen mit mehr als einer Erkrankung und der Frage der Entgeltfortzahlung ist es sinnvoll, juristische Hilfe in Anspruch zu nehmen, um sich nicht neben dem Auskurieren der Erkrankung auch noch mit arbeitsrechtlichen Problemen herumschlagen zu müssen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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