Finden Sie jetzt Ihren Anwalt zu diesem Thema in der Nähe!

Keine Entgeltfortzahlung trotz Krankheit?

  • 3 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

[image]

Normalerweise kann man als Beschäftigter nur dann sein Gehalt verlangen, wenn man auch tatsächlich gearbeitet hat. Hiervon gibt es jedoch einige Ausnahmen. So muss der Arbeitgeber z. B. Entgeltfortzahlungen leisten, wenn der Beschäftigte arbeitsunfähig erkrankt, vgl. § 3 I Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Doch Vorsicht: Diese Regel greift nur unter bestimmten Voraussetzungen.

Arbeitgeber stellt Entgeltfortzahlungen ein

Der Beschäftigte eines Unternehmens litt unter einer Wirbelgelenkarthrose und wurde daraufhin von seinem behandelnden Arzt ab dem 09.09.2013 bis einschließlich zum 20.10.2013 krankgeschrieben. Am 17.10.2013 suchte der Angestellte seinen Arzt erneut auf und klagte unter anderem über Schulterschmerzen. Doch erst am 21.10.2013 wurde er deswegen erneut krankgeschrieben – und zwar bis zum 05.11.2013 sowie mit einer Folgebescheinigung bis einschließlich zum 01.12.2013.

Dennoch stellte der Arbeitgeber seine Entgeltfortzahlungen mit Ablauf des 20.10.2013 ein. Schließlich sei er gesetzlich nur verpflichtet, das Entgelt im Krankheitsfall seiner Mitarbeiter für höchstens sechs Wochen weiterzubezahlen. Der Beschäftigte meinte daraufhin, dass er seit dem 21.10.2013 an einer neuen Krankheit leide und die Sechswochenfrist somit neu in Gang gesetzt worden sei. Aus diesem Grund habe er weiterhin einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Als der Chef diese verweigerte, zog der Arbeitnehmer vor Gericht.

Kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) kam zu dem Ergebnis, dass der Mitarbeiter keine weiteren Entgeltfortzahlungen verlangen darf.

Allgemeines zur Entgeltfortzahlung

Erkrankt ein Beschäftigter unverschuldet und kann er daraufhin seine Arbeit nicht mehr erledigen, so muss der Arbeitgeber gemäß § 3 I 1 EFZG für höchstens sechs Wochen das Entgelt fortzahlen. Wird dieser Zeitrahmen „voll ausgenutzt“ und der Angestellte nach seiner Gesundung erneut unverschuldet arbeitsunfähig, hat er wiederum für sechs Wochen einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Voraussetzung ist allerdings, dass die erneute Krankschreibung auf einer neuen Krankheit beruht und nicht auf demselben Leiden, das bereits die erste Arbeitsunfähigkeit verursacht hat.

Hiervon gibt es nach § 3 I 2 EFZG nur zwei Ausnahmen. Der Arbeitgeber muss auch bei einer Fortsetzungserkrankung – das alte Leiden besteht also fort – Entgeltfortzahlungen leisten, wenn zwischen der ersten und zweiten Krankschreibung mehr als sechs Monate oder wenn seit der ersten Krankschreibung wegen desselben Leidens 12 Monate vergangen sind.

Überlappen sich in zeitlicher Hinsicht verschiedene Erkrankungen, die alle zur Arbeitsunfähigkeit führen, gibt es eine weitere Besonderheit: den sog. Grundsatz der Einheit des Versicherungsfalls. Hier wird die Sechswochenfrist nur einmal in Gang gesetzt. Die knüpft nämlich nicht an die jeweilige Erkrankung an, sondern an die Arbeitsunfähigkeit. Obwohl es sich also um z. B. zwei vollkommen unterschiedliche Leiden handelt, die jedoch gleichzeitig zur Arbeitsunfähigkeit führen, kann man insgesamt nur einmal für bis zu sechs Wochen Entgeltfortzahlung verlangen.

Unklarheiten über Beginn der erneuten Arbeitsunfähigkeit

Vorliegend hatte der Beschäftigte nicht nachweisen können, dass er wirklich erst seit dem 21.10.2013 wegen der Schulterschmerzen arbeitsunfähig erkrankt war. Schließlich hatte er seinen Arzt bereits während der ersten Arbeitsunfähigkeit, nämlich am 17.10.2013, wegen dieser Schmerzen aufgesucht, sodass der Verdacht nahelag, dass sich die beiden Erkrankungen – Wirbelgelenkarthrose und Schulterschmerzen – zeitlich überlappten, der Beschäftigte also wegen zweier Leiden nicht arbeiten konnte.

Diese Zweifel gehen zulasten des Beschäftigten, denn der muss explizit darlegen können, dass er erst ab dem attestierten Zeitpunkt – hier am 21.10.2013 – arbeitsunfähig erkrankt ist und nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt, an dem er unter Umständen noch wegen einer anderen Erkrankung krankgeschrieben worden war. Da ihm dies vorliegend – selbst bei Entbindung des Arztes von seiner Schweigepflicht – unmöglich war, ging das Gericht von einer zeitlichen Überlappung der beiden Krankheiten aus. Damit begann die Arbeitsunfähigkeit bereits mit der ersten Krankschreibung am 09.09.2013, sodass der Arbeitgeber sechs Wochen später, nämlich am 20.10.2013, die Entgeltfortzahlungen einstellen durfte.

Fazit: In der Regel haben arbeitsunfähig erkrankte Beschäftigte einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Der ist wegen desselben Leidens jedoch beschränkt auf sechs Wochen. Leidet der Beschäftigte zeitgleich an mehreren Erkrankungen, verlängert sich diese Sechswochenfrist jedoch nicht.

(BAG, Urteil v. 25.05.2016, Az.: 5 AZR 318/15)

(VOI)

Foto(s): ©Fotolia.com

Artikel teilen: