Entschärfung des § 184b StGB: Neue Wege in der Verteidigung bei Kinderpornografie

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Die jüngste Entscheidung der Regierung, den Straftatbestand der Kinderpornografie (§ 184b StGB), welcher vor drei Jahren erheblich verschärft wurde, wieder zu einem Vergehen herabzustufen hat erhebliche Auswirkung auf die Rechtspraxis. Nach der aktuell geltenden Norm droht für den Besitz von Kinderpornografie gemäß § 184b Abs. 3 StGB eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren. Da der Straftatbestand im Mindestmaß mit einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht ist, handelt es sich um ein Verbrechen und nicht mehr um ein Vergehen. Dieser Unterschied ist für die praktische Handhabung äußerst relevant.

Unterschied Verbrechen und Vergehen

Ein Verbrechen ist eine schwerere Straftat, die mit einer Mindeststrafe von einem Jahr oder mehr Freiheitsstrafe bedroht ist. Ein Vergehen hingegen ist eine Straftat, die mit einer geringeren Mindeststrafe bedroht ist. Dabei kommt es für die Einstufung allein auf die Mindeststrafe an. Im Einzelfall kann ein Richter ein Vergehen sogar härter bestrafen als ein Verbrechen. Die Einstufung als Verbrechen oder Vergehen hat weitreichende prozessuale Konsequenzen.

Als Kinderpornografie zu einem Verbrechen hochgestuft wurde, führte dies zu einer unflexiblen Handhabung in der Praxis. Bei einem Verbrechen ist es – sofern ein hinreichender Tatverdacht vorliegt – erforderlich, dass der Fall zwingend in einer öffentlichen Hauptverhandlung vor einem Schöffengericht verhandelt wird. Dies schließt die Möglichkeit aus, das Verfahren vorab einzustellen oder im schriftlichen Strafbefehlsverfahren zu erledigen. Zudem bedeutete die Mindeststrafe von einem Jahr in vielen Fällen den automatischen Verlust der Berufszulassung oder des Arbeitsplatzes für bestimmte Berufsgruppen, wie Anwälte, Lehrer oder Ärzte.

Die Verschärfung traf die Falschen

Ein besonderes Problem ergab sich, wenn Personen wie Eltern oder Lehrer Kinderpornografie entdeckten und an die Polizei meldeten. Oft wurden sie dann selbst des Besitzes von Kinderpornografie beschuldigt, was, aufgrund der hohen Mindeststrafe, wiederum zwangsläufig zum Verlust des Arbeitsplatzes führte. Dies stand im Widerspruch zum eigentlichen Ziel, Kinderpornografie zu bekämpfen. In vielen Fällen in der Praxis haben sich Lehrer und Eltern gar nicht mehr getraut den Fund von Kinderpornografie bei der Polizei anzuzeigen, da sie Angst hatten selbst ein Strafverfahren zu erhalten.

Diese Situation war für alle Personen, die in der Praxis mit der Thematik zu tun haben, ein erhebliches Problem. Daher kritisierten auch Staatsanwälte und Richter die Verschärfung dieser Norm. Auch in unserer Praxis haben wir bereits mehrfach erlebt, dass Personen, die lediglich fremde Kinderpornografie zur Anzeige brachten, angeklagt wurden, da sie sich damit unbewusst des Besitzes strafbar machten. Selbst mit den besten Argumenten war den Staatsanwälten und Richtern die Hände gebunden und sie können dieses Verfahren nicht einstellen.

In einem Verfahren, in dem erkennbar war, dass die angeklagte Person lediglich der Polizei die Kinderpornografie zur Kenntnis gelangen lassen wollte, konnte mit unserem Mitwirken der Richter überzeugt werden, die Norm dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Denn in Deutschland sind nur Richter befugt, eine Norm – welche sie für verfassungswidrig halten – dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Das Verfahren gegen die angeklagte Person wurde sodann ausgesetzt und die Norm zur Überprüfung dem höchsten deutschen Verfassungsgericht vorgelegt. Auch andere Gerichte legten diese Normen dem Bundesverfassungsgericht vor und so kam es zu der jetzigen Entschärfung des Straftatbestandes.

Neue Verteidigungsstrategien beim Besitz der Kinderpornografie

Mit der Herabstufung zu einem Vergehen eröffnet sich nun ein flexiblerer rechtlicher Rahmen. Dies ermöglicht es, in Fällen von Kinderpornografie differenzierter zu reagieren. Insbesondere können Verfahren bei leichten Vergehen nun ohne belastende öffentliche Hauptverhandlung eingestellt werden, vorausgesetzt, es wird die richtige Verteidigungsstrategie angewandt.

In meiner Praxis als Fachanwalt für Strafrecht habe ich viele Fälle von Kinderpornografie gesehen, deren Hintergrundgeschichte komplex und vielschichtig war. Vor der Verschärfung der Norm vor drei Jahren, konnten wir so mit den richtigen Argumenten häufig die Staatsanwaltschaften und Gerichte insbesondere bei Ersttätern zu einer Einstellung des Verfahrens bewegen. In den letzten Monaten konnten wir für unsere Mandanten zumindest erreichen, dass Verfahren vorerst ausgesetzt wurden, bis es zu einer Entschärfung durch den Gesetzgeber kommt.

Wann tritt die Entschärfung des Kinderpornografie in Kraft?

Wann genau der Straftatbestand entschärft wird, ist noch nicht bekannt. Gerechnet wird mit einer Inkrafttretung der neuen Regelungen noch im Frühjahr 2024. Bis dahin ist es jedoch wichtig, dass die Verfahren weiterhin ausgesetzt bleiben und die Gerichte vorerst abwarten, wie wir es bereits in anderen Verfahren erreichen konnten.

Dies lohnt sich auch in Altfällen, da gemäß § 2 Abs. 3 StGB immer das mildeste Gesetz angewandt werden muss, auch wenn dies erst nach der Tat entschärft wurde. Durch die nun erneute Herabstufung des Straftatbestandes zu einem Vergehen, ermöglicht es uns auch in älteren Fällen eine Einstellung des Strafverfahrens oder einen Strafbefehl zu beantragen und so eine öffentliche Hauptverhandlung für unsere Mandanten zu verhindern. In vielen Fällen können unsere Mandanten so ihre Zulassung und ihren Arbeitsplatz retten.

Einstellung des Verfahrens beim Besitz von Kinderpornografie

Sowohl für Altfälle als auch für neue Fälle ergibt sich durch die Entschärfung nun die wieder Möglichkeit der Einstellung des Verfahrens. Insbesondere wenn es sich um ein Erstvergehen handelt oder wenn der Beschuldigte zur Aufklärung beiträgt, kann das Verfahren nach § 153 StPO oder § 153a StPO eingestellt werden. Dies kann für die Betroffenen eine enorme Erleichterung darstellen und ihnen ermöglichen, ihr Leben ohne die Last eines Gerichtsverfahrens fortzusetzen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass bei einer Einstellung die Unschuldsvermutung weiterhin gilt und das Führungszeugnis sauber bleibt

Professionelle Verteidigung beim Vorwurf der Kinderpornografie

Sofern Ihnen der Vorwurf des Besitzes der Kinderpornografie gemacht wird, egal ob nach der alten oder neuen Rechtslage, unterstütze ich Sie gerne. Wir bei Consultatio Strafverteidiger entwickeln gemeinsam mit Ihnen von Anfang an eine individuelle und bestmögliche Verteidigungsstrategie, angepasst auf ihren speziellen Fall. Die Fähigkeit, auf ein breites Spektrum von Verteidigungsoptionen zurückzugreifen, ist

entscheidend, um die Rechte unserer Mandanten effektiv zu schützen und das bestmögliche Ergebnis in ihrem spezifischen Fall zu erzielen.

Die Entscheidung der Regierung, die Mindeststrafe beim Besitz von Kinderpornografie zu senken und den Straftatbestand wieder als Vergehen zu klassifizieren, ist ein bedeutender Schritt. Sie ermöglicht eine gerechtere und angemessenere Behandlung von Fällen, die unter diese Kategorie fallen.

Abschließend ist festzuhalten, dass die Änderung der Gesetzeslage nicht nur für die Beschuldigten, sondern auch für die gesamte Gesellschaft von Bedeutung ist. Sie fördert ein ausgewogeneres Verständnis von Gerechtigkeit und erkennt die Notwendigkeit an, individuelle Fälle innerhalb des komplexen Kontextes der Kinderpornografie mit Sorgfalt und Sensibilität zu behandeln. Als Fachanwalt für Strafrecht ist es mein Ziel, diese Entwicklungen genau zu verfolgen und meine Mandanten mit dem neuesten Wissen und den effektivsten Verteidigungsstrategien zu unterstützen.

Wenn Sie Fragen haben oder gegen Sie ein Strafverfahren wegen Kinderpornografie eingeleitet wurde, melden Sie sich gerne bei mir. In einem unverbindlichen und kostenfreien Erstgespräch erörtere ich mit Ihnen, das bestmögliche Vorgehen in Ihrem konkreten Fall.

Foto(s): Consultatio Strafverteidiger

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