Equal Pay: Das Entgelttransparenzgesetz und seine Auswirkungen auf den Gender Pay Gap

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Bundesarbeitsgericht spricht Arbeitnehmerin Anspruch auf gleiche Bezahlung zu

Die Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen, bekannt als Gender Pay Gap, besteht immer noch in Deutschland. Laut dem Statistischen Bundesamt beträgt der Unterschied im durchschnittlichen Stundenlohn zwischen Frauen und Männern nach dem unbereinigten Gender Pay Gap etwa 18 Prozent. Ein wegweisendes Urteil des Bundesarbeitsgerichts hat jedoch einen weiteren Schritt zur Bekämpfung dieser Ungleichheit gemacht. Es stellt fest, dass Frauen Anspruch auf gleiche Bezahlung haben, wenn sie bei gleichwertiger Arbeit weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen im selben Betrieb. Das Argument, dass dies auf das Verhandlungsgeschick der männlichen Kollegen bei Gehaltsverhandlungen zurückzuführen ist, rechtfertigt keine geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung. Der folgende Artikel beleuchtet, wie sich das Urteil auf den Gender Pay Gap in Deutschland auswirkt.


Das Entgelttransparenzgesetz hilft der Durchsetzung der Lohngleichheit

Das im Jahr 2017 verabschiedete Entgelttransparenzgesetz zielt darauf ab, die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen zu verringern. Es verpflichtet Arbeitgeber mit mehr als 200 Beschäftigten, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf Anfrage Auskunft darüber zu geben, nach welchen Kriterien ihre Bezahlung erfolgt. Darüber hinaus sind private Arbeitgeber mit mehr als 500 Beschäftigten dazu verpflichtet, regelmäßig ihre Entgeltstrukturen auf Einhaltung der Entgeltgleichheit zu überprüfen und öffentlich über den Stand der Gleichstellung und Entgeltgleichheit zu berichten. 


Unbereinigter und bereinigter Gender Pay Gap

Die Ursachen für den Gender Pay Gap sind vielfältig und reichen von unterschiedlichen Berufswahlentscheidungen über familienbedingte Erwerbsunterbrechungen und vermehrte Teilzeitbeschäftigung bis hin zu schlechteren Karrierechancen für Frauen und indirekter Diskriminierung aufgrund stereotyper Rollenbilder. Der Gender Pay Gap wird regelmäßig durch das Statistische Bundesamt gemessen. Dazu werden der bereinigte und unbereinigte Gender Pay Gap in Tabellen festgehalten. Bei der Ermittlung des unbereinigten Gender Pay Gap werden alle Berufe berücksichtigt, unabhängig von Beschäftigungsverhältnis oder Position. Beim bereinigten Gender Pay Gap werden hingegen nur gleichwertige Tätigkeiten und Qualifikationen verglichen, sodass das Ungleichgewicht etwas geringer mit etwa 7 % ausfällt.


Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zugunsten von Equal Pay

In einem aktuellen Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16.02.2023 (Az.: 8 AZR 450/21) hatte eine Außendienstmitarbeiterin eines Industrieunternehmens geklagt, da sie auf derselben Position weniger verdiente als ihre männlichen Kollegen. Der Arbeitgeber argumentierte, dass das höhere Gehalt eines männlichen Kollegen nicht aufgrund des Geschlechts gezahlt wurde, sondern aufgrund von Gehaltsverhandlungen, die der Vertragsfreiheit unterliegen.

Das Gericht entschied jedoch, dass der klagenden Arbeitnehmerin gemäß Artikel 157 AEUV, § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG ein Anspruch auf das gleiche Grundentgelt wie ihr männlicher Kollege zusteht. Das deutlich niedrigere Entgelt im Vergleich zu ihrem männlichen Kollegen lässt die Vermutung nach § 22 AGG zu, dass die Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts erfolgt ist. Der Arbeitgeber trägt die Beweislast, um diese Vermutung zu widerlegen. Das Argument, dass die Ungleichbehandlung aufgrund der höheren Gehaltsforderungen des männlichen Kollegen und der Vertragsfreiheit erfolgte, reichte nicht aus, um diese Vermutung zu entkräften. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts stellt klar, dass geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung nicht allein aufgrund des Verhandlungsgeschicks der Beschäftigten gerechtfertigt werden kann, sondern an objektiven Kriterien festgemacht werden muss.

Die Entscheidung schränkt die Vertragsautonomie zugunsten der Umsetzung einer stärkeren Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen im Sinne des § 1 EntgTranspG ein. Für Arbeitnehmerinnen ist insbesondere der Auskunftsanspruch nach § 10 EntgTranspG von Bedeutung. Dieser kann in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten geltend gemacht werden, um eine etwaige Ungleichbehandlung offenzulegen. Ergibt sich im Verhältnis zu den männlichen Kollegen eine niedrigere Bezahlung bei gleichwertiger Tätigkeit, wird nach Auffassung des Gerichts eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts vermutet. Dies gewährt einen Anspruch nach Art. 157 AEUV, § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG auf das gleiche Grundentgelt.

Für den Arbeitgeber besteht die Möglichkeit, diese Vermutung zu widerlegen, indem sie darlegen und beweisen, dass die ungleiche Bezahlung nicht auf dem Geschlecht, sondern auf anderen objektiven Kriterien beruht. Nach § 3 III 2 EntgTranspG kommen dazu namentlich arbeitsmarkt-, leistungs- und arbeitsergebnisbezogene Kriterien in Betracht. 


Suchen Sie rechtliche Unterstützung im Arbeitsrecht?

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist ein bedeutender Schritt in Richtung Entgeltgleichheit und unterstreicht, dass eine geschlechtsbedingte Diskriminierung bei der Bezahlung inakzeptabel ist. Wenn Sie als Arbeitnehmerin das Gefühl haben, ungerecht behandelt zu werden und für gleiche Arbeit weniger zu verdienen als Ihre männlichen Kollegen, sollten Sie sich an einen Anwalt für Arbeitsrecht wenden. Ein Anwalt kann Ihnen dabei helfen, Ihre Rechte durchzusetzen und Ihnen bei Fragen zum Entgelt und bei der Umsetzung von Equal Pay-Strategien unterstützen.


Quellen

BAG setzt Meilenstein für echte Entgeltgleichheit (lto.de)

BAG zum Equal-Pay-Grundsatz: Keine Verhandlungssache (lto.de)

BMFSFJ - Lohngerechtigkeit

BAG-Urteil: Gleiche Bezahlung ist nicht Verhandlungssache – ver.di (verdi.de)

Bundesarbeitsgericht: Frau will gleichen Lohn wie Kollege - ZDFheute
Gender Pay Gap - Statistisches Bundesamt (destatis.de)

Equal Pay: Bundesarbeitsgericht stärkt erneut Anspruch von Frauen auf gleichen Lohn - DER SPIEGEL

Bezahlung von Frauen: Gleicher Lohn ist keine Verhandlungssache | tagesschau.de

Was folgt aus dem BAG-Urteil zur Entgeltgleichheit? | Personal | Haufe

Equal Pay: Wie Frauen gleiche Gehälter durchsetzen können - Wirtschaft - SZ.de (sueddeutsche.de)

Urteil zu Equal Pay: Frauen steht der gleiche Lohn zu - taz.de

Wenn man als Frau alleine kämpft - taz.de

Gender-Pay-Gap: Gehalt vergleichen statt verhandeln? - Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgericht (rp-online.de)

Endlich gleicher Lohn für alle? – Verfassungsblog

Urteil zu Gehaltsunterschieden: Gender-Pay-Gap: Gehalt vergleichen statt verhandeln? (handelsblatt.com)

Bundesarbeitsgericht stärkt Frauen im Streit um gleiche Bezahlung | MDR.DE

Gender Pay Gap: Warum viele Frauen jetzt ihren Boss verklagen können - FOCUS online

Bundesarbeitsgericht: Urteil Gender-Pay-Gap | PBC Legal (pbc-legal.de)

ZEIT ONLINE | Lesen Sie zeit.de mit Werbung oder im PUR-Abo. Sie haben die Wahl.

Gehalt ist Verhandlungssache? Gerichtsurteil bringt Klarheit (merkur.de)

Urteil: Gehalt von Frauen & Männern darf nicht von Verhandlung abhängen - Business Insider

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit: Bringt ein neues Urteil allen Frauen mehr Geld? (tagesspiegel.de)

BMFSFJ - Entgelttransparenzgesetz

https://rechtsanwaltkaufmann.de/arbeitsrecht/entgelttransparenzgesetz-equal-pay-tabelle-2023

Foto(s): Foto von Mikhail Nilov gefunden auf Pexels


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