Erbrecht Frankreich: Annahme, Ausschlagung und Erbenhaftung – Große Unterschiede zum deutschen Recht

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Vorbemerkung

Sobald Erben von einem Nachlass erfahren, von dem sie nicht genau wissen, wie sie ihn hinsichtlich etwaiger Nachlassverbindlichkeiten einzuschätzen haben, stellen sich ihnen automatisch die Fragen nach der Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft sowie ihrer Haftung, falls keine Ausschlagung erfolgt. 

Die Antworten, die das französische Erbrecht darauf gibt, unterscheiden sich in vielen Punkten vom deutschen Erbrecht, weshalb sie in diesem Beitrag dargestellt werden sollen.

1. Annahme der Erbschaft

1.1. Wann liegt eine solche Annahme vor? 

Die Annahme der Erbschaft kann ausdrücklich oder schlüssig erfolgen. 

Letzteres ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Erbe Handlungen vornimmt, die gedanklich eine entsprechende Rechtsstellung voraussetzen.

Eine schlüssige Annahme liegt beispielsweise vor, wenn eine Immobilie wird zum Verkauf angeboten, ein Vermächtnis erfüllt wird, aber auch dann, wenn in einem Rechtsstreit eine Erbenstellung behauptet wird. 

Anders als im deutschen Recht gilt als Annahme der Erbschaft kraft Gesetzes auch eine Ausschlagung, die zu Gunsten eines oder mehrererMiterben erklärt wird, sei es unentgeltlich oder entgeltlich (Art. 783 Code civil). 

Eine Ausschlagung in dieser Weise ist darüber hinaus in vielen Fällen steuerschädlich, da aus französischer Sicht dann erbschaftsteuerrechtlich zwei Erwerbsvorgänge vorliegen!

Demgegenüber stellen reine Verwaltungshandlungenkeine stillschweigende Annahme dar. Dies sind insbesondere Handlungen, durch die der Nachlassbestand gesichert werden soll, wozu beispielsweise auch eine Betriebsfortführung oder die Verlängerung eines Gewerbemietvertrages gehören kann, falls andernfalls, wie in Frankreich gesetzlich geregelt, Schadensersatzansprüche drohen.

Aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung (Art. 730-2 Code civil) stellt auch die Beantragung einer notariellen Erbenbescheinigung („acte de notoriété“), mit der in Frankreich üblicherweise eine Erbenstellung nachgewiesen wird, für sich genommen noch keine Annahme der Erbschaft dar. 

Insoweit ist die Situation erneuert anders als in Deutschland, wo nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bereits die Stellung eines Erbscheinantrages als Annahme gewertet wird. 

Allerdings liegt auch aus französischer Sicht eine Annahme dann vor, wenn mit einer solchen notariellen Erbenbescheinigung anschließend Erbansprüche geltend gemacht werden, wie z. B. die Auszahlung von Bankguthaben.

Aber: Keine Annahme durch schlichten Fristablauf!

Anders als in Deutschland, wo der Ablauf, der darüber hinaus nur sehr kurzen Frist zur Ausschlagung bereits zur Annahme der Erbschaft führt (§ 1943 BGB), gilt in Frankreich das genaue Gegenteil. 

Abgesehen davon, dass die Frist zur Entscheidung über eine Annahme oder Ausschlagung sowieso sehr lang ist (siehe nachfolgend unter 3.), führt der Ablauf gerade dazu, dass die Erbschaft als ausgeschlagen gilt (Art. 780 Abs. 2 Code civil).

1.2. Annahme bedeutet unbeschränkte Erbenhaftung!

Art. 785 Code civil ordnet ausdrücklich an, dass die Annahme der Erbschaft zu einer unbeschränkten Erbenhaftung für sämtliche Nachlassschulden führt. Der Erbe haftet somit auch mit seinem persönlichen Vermögen für die Erfüllung solcher Verbindlichkeiten!

1.3. Anfechtung der Annahme wegen unbekannter Nachlassschulden?

Auch hier ist die Situation zur deutschen Rechtslage wieder sehr unterschiedlich. 

Während in Deutschland eine solche Anfechtung unter gewissen Voraussetzungen möglich ist, ist eine solche Anfechtung nach Art. 786 Abs. 1 Code civil hingegen ausdrücklich ausgeschlossen!

1.4. Möglichkeit eines gerichtlichen Antrags auf Haftungsbegrenzung.

Nach Art. 786 Abs. 2 Code civil kann bei unbekannten Nachlassschulden ein Antrag auf teilweise oder völlige Haftungsfreistellung gestellt werden. 

Erforderlich ist dafür aber nicht nur eine unverschuldete Unkenntnis von der Nachlassverbindlichkeit, sondern darüber hinaus auch, dass deren Begleichung die Vermögenssituation des Erben in schwerwiegender Weise beeinträchtigen würde. 

Auf dieses Erfordernis hat die französische Cour de cassation, also das höchste französische Gericht in Zivilsachen, erst kürzlich, in ihrem Urteil vom 04.01.2017, Nr. 16-12.293, hingewiesen. 

Aufgehoben wurde konkret ein Berufungsurteil, das sich auf die Aussage beschränkt hatte, aufgrund der Unkenntnis des Erben von der erheblichen Nachlassverbindlichkeit sei dessen Annahme von einem wesentlichen Irrtum beeinflusst gewesen.

Hinzu kommt außerdem, dass dem Gericht bei seiner Beurteilung, ob die Voraussetzungen für einen solchen Antrag gegeben sind, ein erheblicher Ermessensspielraum zusteht.

Zu beachten ist weiterhin, dass ein solcher Antrag innerhalb von fünf Monaten, gerechnet ab Kenntniserlangung von der Nachlassverbindlichkeit, gestellt werden muss (Art. 786 Abs. 3 Code civil).

1.5. Haftungsbegrenzung durch Annahme nur in Höhe des Nettonachlasses 

Deutlich plastischer als der Begriff „Annahme in Höhe des Nettonachlasses“ („acceptation à concurrence de l’actif net“) ist der früher verwendete Begriff der "Annahme unter Inventarvorbehalt." 

Mit einer solchen Art der Annahme kann der Erbe seine Haftung auf den vorhandenen Nachlass beschränken (Art. 791 Nr. 3 Code civil). 

Was sich sehr einfach anhört, ist in Wahrheit aber sehr kompliziert!

Tatsächlich handelt es sich dabei aber um ein sehr förmliches und aufwändiges Verfahren, das Ähnlichkeiten mit einem deutschen Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung aufweist. 

Die so eingeschränkte Annahmeerklärung ist beim zuständigen Gericht zunächst einmal registrieren zu lassen und ist nachfolgend zweimal gesetzlich zu veröffentlichen. 

Die erste Veröffentlichung setzt dabei eine Frist von 15 Monaten für die Nachlassgläubiger in Kraft, innerhalb derer diese ihre Forderungen anmelden müssen, da andernfalls ihre Forderungen als erloschen gelten (Art. 792 Abs. 2 Code civil). 

Nachfolgend ist ein Nachlassinventar, das im Regelfall von einem Notar aufgenommen wird, innerhalb von zwei Monaten ab Registrierung der Annahmeerklärung beim zuständigen Gericht einzureichen. Auch diese Errichtung wird im Gesetzblatt veröffentlicht. 

Erfolgt die Inventarerrichtung hingegen nicht fristgerecht oder bewusst fehlerhaft, führt dies wieder zur unbeschränkten Erbenhaftung

2. Ausschlagung der Erbschaft 

2.1. Form der Ausschlagung

Die Ausschlagung einer Erbschaft ist durch schriftliche Erklärung nach Formblatt bei dem für den Erbfall zuständigen Gericht einzureichen und dort registrieren zu lassen. Zuständig in diesem Sinne ist das Gericht, in dessen Zuständigkeitsbereich der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte (Art. 720 Code civil). 

Für Erbfälle, die nach dem 01.01.2018 eintreten, kann die Ausschlagung aber außerdem auch gegenüber jedem französischen Notar erklärt werden (Art. 804 Abs. 2 Code civil n.F.).

Diese Förmlichkeit ist aber nur erforderlich, um die AusschlagungDritten entgegenhalten zu können. Unter Miterben oder gegenüber den aufgrund der Ausschlagung berufenen Erben kann die Ausschlagung auch in anderer Weise erklärt werden, so z. B. in einem persönlichen Schreiben, vorausgesetzt die Erklärung erfolgt unmissverständlich (Umkehrschluss aus Art. 804 Abs. 2 Code civil).

Sonderregelung für internationale Erbfälle: Für Erbfälle, die in den Anwendungsbereich der Europäischen Erbrechtsverordnung(EU-ErbVO) fallen, sind die Sonderregelungen der Art. 13 und 28 EU-ErbVO zu beachten. Nach Art. 13 EU-ErbVO kann die Ausschlagungserklärung auch gegenüber dem Gericht erklärt werden, in dem der ausschlagen der seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Diese Vorschrift wird durch Art. 28 EU-ErbVO komplettiert, wonach es hinsichtlich der Formgültigkeit einer Ausschlagungserklärung ausreichend ist, wenn die Erfordernisse des Staates eingehalten werden, in dem der Ausschlagende seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

2.2. Anfechtung der Ausschlagung

Die Ausschlagungserklärung kann angefochten werden, solange die Erbschaft nicht schon von einem anderen Erben, sei es uneingeschränkt oder in Höhe des Nettonachlasses, angenommen worden ist. 

Ein besonderer Anfechtungsgrund, wie in Deutschland, ist somit nicht erforderlich.

Voraussetzung ist aber, dass die nachfolgend genannten Fristen noch nicht abgelaufen sind. 

3. Fristen 

Grundsätzlich steht dem Erben eine Frist von 10 Jahren ab dem Erbfall zu, um eine der vorgenannten Optionen, uneingeschränkte Annahmeerklärung, Annahme beschränkt auf den Nettonachlass oder Ausschlagung, auszuüben. 

Tut er dies nicht, gilt Erbschaft als ausgeschlagen

Als Korrekturmöglichkeit zu dieser sehr langen Frist steht Nachlassgläubigern, Miterben, potenziellen Erben und dem Staat die Möglichkeit offen, den Erben, frühestens 4 Monate nach dem Erbfall, in Verzug zu setzen, sein Wahlrecht auszuüben. 

Erklärt er sich hierzu dann nicht innerhalb einer Frist von zwei Monaten, die gerichtlich verlängert werden kann, so gilt die Erbschaft als vorbehaltlos angenommen. 

4. Zusammenfassung

Bezüglich einer Annahme und Ausschlagung der Erbschaft und der Haftung der Erben für Nachlassschulden weicht das französische Recht in vielen Punkten vom deutschen Recht ab. Dies gilt insbesondere auch für die Frage der persönlichen Haftung für Nachlassschulden, wenn die Erbschaft uneingeschränkt angenommen wurde.

Andererseits verfügt der Erbe zum Ausgleich über sehr lange Fristen, während derer er sich entscheiden kann, von welcher der ihm zustehenden Optionen er Gebrauch machen will. Für Nachlassgläubiger ist unbedingt zu beachten, dass im Falle einer Annahmeerklärung, die auf den Nettonachlass beschränkt ist, Fristen zur Anmeldung ihrer Forderungen laufen, bei deren Versäumung ihre Forderungen als erloschen gelten. Für ausländische Nachlassgläubiger ist die Überwachung solcher Fristen besonders kompliziert, da die in diesem Zusammenhang stehenden Veröffentlichungen nur in Frankreich und nur in französischer Sprache erfolgen.


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