Erbverzicht: Anforderungen an die Unentgeltlichkeit der Zuwendung zur Qualifizierung als Schenkung

  • 2 Minuten Lesezeit

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 07.07.2015, Az.: X ZR 59/13 für Recht erkannt:

  1. Auch bei einer mit einem Erbverzicht verbundenen Zuwendung ist für deren Qualifikation als Schenkung maßgeblich, ob sich die Vertragsparteien über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung einig sind.
  2. Ob eine unentgeltliche Zuwendung gewollt war, ist unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Maßgebliche Bedeutung kann hierbei, neben dem Wortlaut des Vertrages über die Zuwendung und den Erbverzicht, den Umständen seines Zustandekommens und seiner Ausgestaltung im Einzelnen zukommen.
  3. Der Verzicht auf das Erb- und Pflichtteilsrecht nimmt der Zuwendung jedenfalls insoweit nicht den Charakter der Unentgeltlichkeit, als er nach dem Willen der Vertragsparteien der Ausgleichung der lebzeitigen Zuwendung bei der Erbfolge dienen soll. Ein solcher Wille ist mangels gegenläufiger Anhaltspunkte regelmäßig anzunehmen, wenn die Höhe der Zuwendung in etwa der Erberwartung entspricht oder diese gar übersteigt.

Die höchstrichterliche Rechtsprechung lässt erkennen, dass sie in immer mehr Fallgestaltungen einen Erb- oder Pflichtteilsverzicht nicht als vollwertige Gegenleistung für die dem Verzichtenden vom Erblasser gewährte Abfindung anerkennen will.

Der Erb- oder Pflichtteilsverzicht ist nämlich ein erbrechtliches Verfügungsgeschäft sui generis, das, um kondiktionsfest zu sein, eines schuldrechtlichen Kausalgeschäfts bedarf (vgl. BGH, NJW 1962, 1910).

Der Verzichtende verpflichtet sich darin, den Erb- oder Pflichtteilsverzicht zu Lebzeiten des Erblassers formgerecht zu erklären, während der Erblasser dem Verzichtenden verspricht, dass dieser von ihm dagegen ein Handeln, Dulden oder Unterlassen (Abfindung), insbesondere die Leistung von Geld oder Sachen, irgendeine Handlungs- oder Duldungspflicht, die Befreiung bzw. den Erlass von Schulden oder den Verzicht auf Ansprüche bzw. Rechte aller Art verlangen kann.

Der Erb- oder Pflichtteilsverzicht ist also auf den ersten Blick keine der Leistung des Erblassers entsprechende Gegenleistung, sondern ein Verfügungsgeschäft, mit dem lediglich die Möglichkeit des Verzichtenden, beim Erbfall Erbe, Vermächtnisnehmer und/oder Pflichtteilsberechtigter zu werden, ganz oder teilweise zunichte gemacht wird (vgl. MüKoBGB/Wegerhoff BGB § 2346 Rn. 2).

Die vorliegende Entscheidung des Bundesgerichts zeigt, dass auch bei einer lebzeitigen Übertragung von Vermögenswerten sowohl dem Erblasser als auch dem oder den Bedachten klar sein muss, welche Rechtsfolgen eine Zuwendung bzw. ein Erb- oder Pflichtteilsverzicht haben.

Eine Rechtsberatung bzw. die individuelle und vorausschauende Gestaltung von Nachfolgeregelungen ist in jedem Fall unvermeidlich. Ihr Ansprechpartner in dieser Angelegenheit ist Rechtsanwalt Sebastian Obermeier, Rechtsanwälte Meindl, Kitzinger, Dr. Krimmel, Wunsch in Landshut.

 


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Sebastian Obermeier

Beiträge zum Thema