EuGH: Erfassung der Arbeitszeit – Auswirkungen für geleistete Überstunden?

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Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14. Mai 2019 hat für großes Aufsehen gesorgt. In der Entscheidung wurde den Mitgliedstaaten aufgegeben Arbeitgeber dazu zu verpflichten, ein „objektives, verlässliches und zugängliches“ System zur täglichen Arbeitszeiterfassung der Mitarbeiter einzurichten. Dabei hat das Gericht den Mitgliedstaaten einen Spielraum zur konkreten Ausgestaltung des Systems eingeräumt und ermöglicht die Besonderheiten des jeweiligen Tätigkeitsbereichs und die Größe der Unternehmen zu berücksichtigen.

Derzeit sieht das deutsche Recht in § 16 Abs. 2 S. 1 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) bereits vor, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, die über die werktägliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit der Arbeitnehmer zu erfassen. Es betrifft also die über acht Stunden pro Werktag hinausgehende Arbeitszeit sowie Sonn- und Feiertagsarbeit. Eine darüber hinausgehende Verpflichtung zur Aufzeichnung der Arbeitszeit besteht derzeit aber nur nach § 17 Mindestlohngesetz und nur für geringfüge Beschäftigungen nach § 8 SGB IV und die in § 2a Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz genannten Wirtschaftsbereiche.

Ob und wie der deutsche Gesetzgeber die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung für alle Arbeitnehmer künftig ausgestalten wird, ist aber zunächst abzuwarten.

Allerdings kann bereits jetzt schon eine Tendenz bei den Arbeitsgerichten festgestellt werden, dass Klagen auf Überstundenabgeltung anders betrachtet werden als zuvor. Es gilt zwar weiterhin die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass Überstunden nur dann zu vergüten sind, wenn eine Vergütung den Umständen nach zu erwarten ist. Danach ist eine Vergütung von Überstunden insbesondere dann zu erwarten, wenn das Gehalt unter der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze zur gesetzlichen Rentenversicherung liegt. Allerdings rückt der bereits benannte und in der Vergangenheit oft nicht beachtete § 16 Abs. 2 S.1 ArbZG in den Vordergrund der Diskussion. Der Arbeitgeber, der keine Arbeitszeiterfassung, auch nicht hinsichtlich der Überstunden, vorweisen kann, wird sich zukünftig nicht mit einem Bestreiten der geltend gemachten Überstunden von der Verpflichtung zur Abgeltung entziehen können. Denn bereits heute liegt ohne Arbeitszeiterfassung ein Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz vor. Wenn der Gesetzgeber die Vorgaben des EuGH unionskonform umsetzt, könnte die bislang hohe Darlegungs- und Beweislast des Arbeitnehmers bezüglich des tatsächlichen Ableistens von Überstunden abgestuft bzw. erleichtert werden. Selbstverständlich müssen die Überstunden auch weiterhin angeordnet oder arbeitgeberseits geduldet und betrieblich notwendig sein, damit ein Abgeltungsanspruch erfolgreich durchgesetzt werden kann.

Im Umkehrschluss bedeutet die bevorstehende gesetzliche Neuregelung für Arbeitgeber eine neue Herausforderung. Hier muss ein „objektives, verlässliches und zugängliches“ System gefunden werden, das den rechtlichen Anforderungen des EuGH, die tägliche Arbeitszeit eines jeden Arbeitnehmers zu erfassen, erfüllt.

Es bleibt spannend!


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