EuGH stärkt Verbraucherrechte bei Darlehenswiderruf

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EuGH kippt BGH – Rechtsprechung zum Darlehenswiderruf 

Der „Widerrufsjoker“

Aufgrund der Zinspolitik der Europäischen Zentralbank hat sich das Zinsniveau bei Verbraucherkrediten in den letzten Jahren weiterhin günstig für die Darlehensnehmer entwickelt. Kunden mit alten Verträgen aus den Jahren zwischen 2002 und 2010 haben dabei häufig vom sogenannten Widerrufsjoker Gebrauch gemacht und teure Kredite durch zinsgünstigere Kredite ohne Vorfälligkeitsentschädigung umgeschuldet. Hintergrund war, dass die Widerrufsbelehrungen aus den Jahren zwischen dem 01.08.2002 und dem 10.06.2010 oftmals fehlerhaft waren, sodass die Widerrufsfrist bei Vertragsschluss nicht in Gang gesetzt wurde und die Verträge endlos widerrufen werden konnten. Nach einer Änderung der Gesetzeslage am 21.03.2016 wurde das endlose Widerrufsrecht für zwischen dem 01.08.2002 und dem 10.06.2010 geschlossene Immobilienkredite aber mit einer Übergangsfrist am 21.06.2016 beendet. Der BGH zeigte sich zunehmend verbraucherfeindlich und die ab dem 11.06.2010 geschlossenen Verträgen ließen sich nur schwer durch Widerruf rückabwickeln.

Die vom EuGH beurteilte Rechtslage

Nun hat allerdings der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil C-66/19 vom 26.03.2020 entschieden, dass die ab dem 11.06.2010 bestehende deutsche Gesetzeslage nicht geeignet ist, den Verbraucher in „klarer, prägnanter Form“ über das Widerrufsrecht und insbesondere den Beginn der Widerrufsfrist zu belehren. Hintergrund ist der sogenannte „Kaskadenverweis“ in den Verbrauchervorschriften zum Widerrufsrecht. Demnach hängt der Beginn der Widerrufsfrist davon ab, dass „der Darlehensnehmer die Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB erhält“. Diese Vorschrift führt die Pflichtangaben aber nicht selbst auf, sondern verweist auf eine andere Vorschrift in einem anderen Gesetz (Artikel 247 §§ 6 bis 13 EGBGB), das wiederum auf weitere Vorschriften im BGB verweist. Der Verbraucher war somit gezwungen, sich mühsam mit mehreren gesetzlichen Vorschriften in verschiedenen Gesetzeswerken zu beschäftigen, um herauszufinden, ob alle Pflichtangaben erteilt worden sind, die schließlich den Lauf seiner Widerrufsfrist auslösen.

Das sagt der BGH

Dass dies unzumutbar ist, wurde in zahlreichen Gerichtsverfahren von Verbraucherschützern bemängelt, aber vom BGH anders gesehen. So hatte der BGH in seinem Beschluss  XI ZR 44/18 vom 19.03.2019 ausgeführt, die Vorschrift des § 492 Abs. 2 BGB sei „für jedermann ohne weiteres zugänglich“, der Gesetzgeber habe zum Ausdruck gebracht, dass er „dem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher die Ermittlung der für den einschlägigen Vertragstyp jeweils relevanten Pflichtangaben anhand des Gesetzes“ zutraue.

Die Argumentation des EuGH

Anders sieht das der EuGH, der sich aufgrund einer Vorlage des Landgerichts Saarbrücken mit dem Kaskadenverweis in einer Widerrufsbelehrung beschäftigt hat und zum Ergebnis kommt, dass eine Widerrufsinformation nicht klar und prägnant ist, wenn sie hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist die für den Fristlauf zu erteilenden Pflichtangaben nicht selbst vollständig benennt, sondern diesbezüglich auf eine Vorschrift verweist, die ihrerseits auf weitere Vorschriften verweist, sodass der Verbraucher gehalten ist, zahlreiche Vorschriften verschiedener Gesetze zu lesen, bevor er Klarheit über den Beginn der Widerrufsfrist erhält.

Die Konsequenz der EuGH-Entscheidung

Dies bedeutet, dass die gesetzlichen Vorschriften zur Widerrufsbelehrung bei Verbraucherdarlehen in der Fassung seit dem 11.06.2010 nicht der europäischen Rechtslage entsprechen. Darlehensnehmer deren Widerrufsbelehrungen derartige Verweise enthalten, wurden daher nicht ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht informiert, sodass die Widerrufsfristen nicht in Lauf gesetzt wurden und diese Verträge auch heute noch widerrufen und durch anderweitige, günstigere Kredite abgelöst werden könnten. Interessant ist dies auch für Forward-Darlehen, deren Zinsniveau inzwischen überholt ist, da diese dann ohne eine Nichtabnahmeentschädigung rückabgewickelt werden können; zudem ist der Widerruf auch für Kfz-Darlehen z. B. in Zusammenhang mit Dieselfahrzeugen in Betracht zu ziehen, um den Pkw zurückzugeben.

Was passiert bei Widerruf?

Aufgrund der anderslautenden bankenfreundlichen Entscheidung des BGH muss allerdings damit gerechnet werden, dass die Banken und Sparkassen versuchen werden, einen Widerruf zurückzuweisen und auf die Einhaltung des Vertrages bestehen. Oftmals muss dann der Klageweg beschritten werden; wegen der Komplexität der Rechtslage ist es daher sinnvoll, sich von Anfang an anwaltlich beraten und vertreten zu lassen. Gerne sind wir bei Fragen zum Thema Widerruf für Sie da.

Sabine Burges, Frankfurt

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht



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