Filesharing: Haftung des Anschlussinhabers bei Nennung eines falschen Täters?

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Die jahrelange Beratungspraxis hat gezeigt: Die unzähligen Filesharing-Fälle sind alle sehr ähnlich, aber der Teufel steckt im Detail.

Ermittlungsfehler sind (außer bei Pornofilmen) selten. Das bedeutet: In der Regel wissen die Anschlussinhaber, wer den Download des urheberrechtlich geschützten Werkes begangen hat – oder sie finden schnell heraus, dass die eigenen Kinder, Verwandte oder Freunde, die zu Besuch waren, am Filesharing teilgenommen haben.

Haftung des Anschlussinhabers beim Filesharing

Grundsätzlich wird nach der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des BGH die Haftung des Anschlussinhabers beim Filesharing vermutet.

Sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers

Der Anschlussinhaber haftet jedoch dann nicht, wenn er darlegen kann, dass mehrere Personen im streitgegenständlichen Zeitraum seinen Anschluss genutzt haben- und daher als Täter in Betracht kommen.

An diese sogenannte sekundäre Darlegungslast hat der Bundesgerichtshof jedoch enge Voraussetzungen geknüpft: Zwar muss der Anschlussinhaber keinen konkreten Täter benennen (auch wenn dies von den abmahnenden Kanzleien immer noch gebetsmühlenartig behauptet wird) – er muss aber das Nutzerverhalten der in Betracht kommenden Personen ausführlich darlegen und außerdem Minderjährige ordnungsgemäß belehrt haben, dass Filesharing verboten ist.

Erfüllt der Anschlussinhaber diese Voraussetzungen der sekundären Darlegungslast jedoch nicht, so kann die Haftung wieder auf ihn zurückfallen.

Es besteht allerdings auch die Möglichkeit, dass im Rahmen der gerichtlichen Beweisaufnahme der wahre Täter ermittelt wird – welcher dann entsprechend auch für den Download haftet.

Anschlussinhaber benennt falschen Täter

Eine wieder andere Fallkonstellation hatte das Landgericht Frankfurt zu entscheiden (LG Frankfurt a. M., Urteil vom 17.07.2019 2-03 O 237/18).

Unsere Mandantschaft – eine Familie mit einem 19-jährigen Sohn und einem Baby – bestritt vehement, den ( mehrere Jahre zurückliegenden ) Download eines Computerspiels selbst begangen zu haben

Sie trug vor Gericht vor, die etwas ältere Kusine des Sohnes und Nichte der beklagten Anschlussinhaberin, welche zum Zeitpunkt des Downloads des Computerspieles oft zu Besuch war, habe den Download vorgenommen.

Keine Haftung für den Anschlussinhaber, aber…

Nach Aufklärung des Sachverhaltes inklusive ausführlicher Zeugenvernehmung der Anschlussinhaberin und des Sohnes war das Gericht zwar der Überzeugung, dass die Anschlussinhaberin ihrer sekundären Darlegungslast nachgekommen ist.

Es stellte jedoch ebenso fest, dass der als Täterin benannten Nichte keinerlei Filesharing- Tätigkeiten vom Anschluss der Anschlussinhaberin nachgewiesen werden konnte.

Darüber hinaus unterstellte das Gericht der Familie sogar, die Täterschaft der Nichte wider besseres Wissen behauptet zu haben.

Anschlussinhaber muss Kosten der Rechtsverfolgung für die vergebliche Inanspruchnahme des falschen Täters erstatten

Das Ergebnis: Die Anschlussinhaberin entging der Haftung, sie muss jedoch den Teil der Anwalts- und Gerichtskosten zahlen., die für die vergeblichen Inanspruchnahme der Nichte angefallen sind.

Dieser Anspruch ergibt sich nach Auffassung des Landgerichts Frankfurt aus § 826 BGB: Wer einen anderen beschuldigt, sollte sich sicher sein, dass die Beschuldigung tatsächlich zutrifft.

Fazit: Im Filesharing-Prozess ist das Benennen eines falschen Täters als Verteidigungsstrategie ebenso wenig Erfolg versprechend wie das pauschale Bestreiten der Täterschaft.  

Update OLG Frankfurt (11 U 117/19 v. 23.06.20):

Die Klägerin, vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei rka in Hamburg, ist in die Berufung gegangen, mit dem Argument, die Haftung der beklagten Anschlussinhaberin müsse nach dem BGH-Urteil „Everytime we touch“ wieder aufleben, weil sich aufgrund er Beweisaufnahme der ersten Instanz herausgestellt habe, dass weder die von der beklagten der Anschlussinhaberin benannte Täterin (die Nichte), noch die anderen beiden Nutzer, der Ehemann und der Sohn der Anschlussinhaberin, die (vermeintliche) Rechtsverletzung begangen hätten.  

Das OLG führte dazu aus, dass die beklagte Anschlussinhaberin bei Einreichung der Klageerwiderung nicht  positiv gewusst habe, dass die als Täterin benannte Nichte tatsächlich gar nicht die Täterin war.

Außerdem sei das LG nach der Beweisaufnahme überzeugt gewesen, dass die beklagte Anschlussinhaberin als Täterin hier nicht in Frage komme.

Schließlich wies das OLG darauf hin, dass es i. v. F. unklar geblieben ist, ob der Sohn der Anschlussinhaberin als Täter in Frage komme, da das LG gar nicht festgestellt hat, dass der Sohn nicht der Täter war – und der Kläger selbiges auch nicht bewiesen habe. Ebenso unklar sei im erstinstanzlichen Verfahren die fehlende Täterschaft des Ehemannes geblieben.

Fazit: Es gibt nur wenige Filesharing-Fälle, in denen die Täterschaft völlig unklar bleibt.        

Liegt  jedoch ein solch seltener Fall vor, führt dies nicht zu einem Wiederaufleben der Täterschaftsvermutung der Anschlussinhaberin.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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