Filesharing-Ratgeber 2024 – Hilfe bei Filesharing-Abmahnung und Klage

  • 15 Minuten Lesezeit

Einleitung

Seit geraumer Zeit werden eine Vielzahl von Filesharing-Abmahnungen von Rechtsanwaltskanzleien wie Frommer Legal, Daniel Sebastian, DigiRights, KA Rechtsanwälte (Reichelt Klute Assmann), Nimrod, IPPC Law oder CSR verschickt. Den Empfängern der Abmahnung wird die „unerlaubte Verwertung von Tonaufnahmen bzw. von Filmaufnahmen“, d.h. die Verbreitung von Musik, Filmen oder auch Software, etwa Computerspiele, über sog. Filesharing-Programme wie z.B. Bit-Torrent vorgeworfen wird. Mit Hilfe dieser Programme werden Dateien zwischen Internetnutzern über ein sog. Peer-to-Peer-Netzwerk im Internet getauscht. Die Daten befinden sich dabei auf den Rechnern der einzelnen Internetnutzer, über die installierten Filesharing-Programme können andere Internetnutzer auf die Daten zugreifen und diese herunterladen.

In vielen Fällen können sich die von Abmahnungen Betroffenen nicht erklären, wie es zu den behaupteten Rechtsverletzungen gekommen ist. Es gibt Fälle, in denen die Kinder oder sonstige Dritte, denen der Zugriff auf das Internet gestattet worden ist, für den Upload der Dateien verantwortlich sind, ohne dass sich dies mit Sicherheit aufklären ließe. Hin und wieder gibt es jedoch auch die Fälle, in denen eine Überlassung des Anschlusses an Dritte nachweislich nicht stattgefunden hat und der Anschlussinhaber definitiv keine Filesharing-Programme genutzt hat. Es ist daher zu vermuten, dass es nicht nur bei der Ermittlung der angeblichen Verstöße zu Fehlern kommt, sondern auch in einer zunehmenden Anzahl von Fällen Dritte von außen unberechtigt auf ein installiertes WLAN des Anschlussinhabers zugegriffen haben. Der Umstand, dass das WLAN in den meisten Fällen verschlüsselt ist, stellt dabei kein zwingendes Hindernis dar. Verschlüsselungen gewähren keine absolute Sicherheit und können von versierten Personen durchaus „geknackt“ werden.

Die rechtlichen Problemstellungen, welche mit Filesharing-Abmahnungen einhergehen, sind für den Laien kaum zu durchschauen.

Der nachfolgende Filesharing-Ratgeber soll daher einen ersten Überblick über die rechtlichen Aspekte von Filesharing-Abmahnungen geben und Handlungs- und Reaktionsmöglichkeiten für Abgemahnte aufzeigen. Keinesfalls können die folgenden Informationen jedoch eine anwaltliche Beratung ersetzen.


Was genau ist eine Abmahnung?

Eine Abmahnung dient dazu, den Betroffenen auf eine von ihm begangene Rechtsverletzung aufmerksam zu machen, damit dieser in die Lage versetzt wird, die beanstandete Handlung für die Zukunft einzustellen. In Filesharing-Abmahnungen findet sich daher zunächst ein Hinweis darauf, welches Unternehmen oder welche Person von der abmahnenden Anwaltskanzlei vertreten wird bzw. wessen Rechte verletzt sein sollen. Anschließend wird die Rechtsverletzung bezeichnet, es wird also benannt, um welches Musik- oder Filmwerk es sich handeln soll und zu welchem Zeitpunkt ein Verstoß unter einer bestimmten IP-Adresse (angeblich) festgestellt worden ist. Weiterhin finden sich rechtliche Ausführungen in den Abmahnschreiben. Es wird ausgeführt, welche Ansprüche (Unterlassungs-, Schadensersatz-, Kostenerstattungsanspruch) der Abmahnende meint, geltend machen zu können. Schließlich ist den Abmahnungen eine vorformulierte strafbewehrte Unterlassungserklärung oder eine Vergleichsvereinbarung beigefügt.


Was wird mir vorgeworfen?

In Filesharing-Abmahnungen wird dem Abgemahnten vorgeworfen, dass über seinen Internetanschluss urheberrechtlich geschützte Dateien, z.B. Musiktitel, Filme oder Software, ohne Zustimmung des urheberrechtlich Berechtigten getauscht worden sind. Wenn dieser Vorwurf zutrifft, dann liegt eine Urheberrechtsverletzung vor. Dafür genügt es bereits, dass die bloße Möglichkeit geschaffen worden ist, dass Dritte das geschützte Werk im Internet abrufen können. Nicht erforderlich ist, dass es tatsächlich zu einem Download gekommen ist.


Wie ist meine Adresse ermittelt worden?

Ermittelt wird immer die Person des Anschlussinhabers, die nicht notwendigerweise mit der Person übereinstimmen muss, die möglicherweise tatsächlich Filesharing-Programme genutzt hat. Die Rechteinhaber schalten zur Ermittlung möglicher Urheberrechtsverletzungen in Filesharing-Netzwerken professionelle Dienstleister ein, welche die Tauschbörsen nach potentiellen Rechtsverletzungen durchsuchen und diese dokumentieren. Über die eingesetzten Programme wird die IP-Adresse des Rechners/Anschlusses ermittelt, von dem aus Daten zum Download ins Internet gestellt worden sind.

Hin und wieder kommt es bei der Ermittlung des Anschlussinhabers zu Fehlern mit der Folge, dass der Anschlussinhaber nicht korrekt ermittelt wird bzw. es zu einer Fehlzuordnung der IP-Adresse kommt. Um sich in einem etwaigen Gerichtsverfahren hierauf zu berufen, ist es jedoch erforderlich, dass es konkrete Anhaltpunkte für eine Fehlzuordnung gibt (BGH, Urteil vom 11.06.2015, Aktenzeichen: I ZR 19/14).

Mittels der IP-Adresse lässt sich über den Telekommunikationsanbieter der Name sowie die Adresse des Anschlussinhabers ermitteln. Der Rechteinhaber hat sodann die Möglichkeit, im Wege eines besonderen gerichtlichen Verfahrens an die Adresse zu gelangen.  


Welche Ansprüche folgen aus der behaupteten Urheberrechtsverletzung?

Sind tatsächlich urheberrechtlich geschützte Dateien über den Anschluss im Internet zur Verfügung gestellt worden, folgen daraus bestimmte Ansprüche der Rechteinhaber.

Im Urheberrecht gibt es eine tatsächliche Vermutung dafür, dass es in Zukunft zu weiteren Urheberrechtsverletzungen kommen wird, wenn einmalig eine Urheberrechtsverletzung stattgefunden hat. Aus dieser sog. „Wiederholungsgefahr“ folgt ein Anspruch der Rechteinhaber darauf, dass der Abgemahnte es zukünftig unterlässt, weiterhin das fragliche Werk in Filesharing-Netzwerken zum Abruf bereit zu halten.

Die gerichtliche Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs birgt für den Abgemahnten ein nicht unerhebliches Kostenrisiko. Maßgeblich für die Höhe der Kosten ist der sog. Streitwert, welcher durch die Gerichte geschätzt wird. Bei der Schätzung hat das Gericht einen hohen Ermessenspielraum – je höher der Streitwert, desto höher die Kosten.

Inzwischen darf der außergerichtliche Streitwert für den Unterlassungsanspruch bei einer Urheberechtsverletzung durch eine Privatperson, die das urheberrechtlich geschützte Werk nicht im Rahmen ihrer gewerblichen oder selbstständigen Tätigkeit nutzt, € 1.000,00 nicht mehr überschreiten, wodurch die entstehenden Rechtsanwaltskosten gedeckelt sind. Dies gilt jedoch nicht für den Streitwert für das anschließende Gerichtsverfahren. So hat der Bundesgerichtshof einen Streitwert von € 10.000,00 für die öffentliche Zugänglichmachung eines Spielfilms nicht lange nach seinem Erscheinungstermin als angemessen angesehen (BGH, Urteil vom 12.05.2016, Aktenzeichen. I ZR 272/14).


Schadensersatzanspruch

Im Falle einer Urheberrechtsverletzung steht dem Rechteinhaber grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch zu. Bei Urheberrechtsverletzungen in Filesharing-Netzwerken wird der Schadensersatz meist im Wege der sog. „Lizenzanalogie“ bemessen. Dabei wird danach gefragt, was für die Nutzung des Werkes hätte gezahlt werden müssen, wenn die Parteien unter vernünftigen Umständen eine Nutzung von Beginn an ordnungsgemäß vereinbart hätten. Die exakte Höhe des Schadensersatzes obliegt der Schätzung der mit der Sache befassten Gerichte. So hielt der Bundesgerichtshof einen Schadensersatzbetrag in Höhe von € 200,00 für einen Musiktitel für angemessen (BGH, Urteil vom 11.06.2016, Az.: I ZR 19/14).

Bei Filmen oder Computersoftware können die Beträge deutlich höher liegen. Der Schadensersatz für Filesharing bezüglich eines Films wurde von Gerichten bei aktuellen Filmen zum Teil auf € 1.000,00 beziffert (AG München, 5. November 2018, Az. 132 C 14777/18; AG Frankfurt, 18. Januar 2019, Az. 29 C 2227/18). Beim Upload eines Computerspiels, welches im regulären Download-Verkauf € 39,99 kostete, wurde ein Schadensersatzbetrag in Höhe von € 1.999,50 als angemessen angesehen (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 31.03.2020 - 11 U 44/19).

Wichtig ist, dass ein Schadensersatzanspruch grundsätzlich nur gegenüber dem „Täter“ oder „Teilnehmer“ einer Urheberrechtsverletzung besteht, das heißt gegenüber demjenigen, der auch tatsächlich Filesharing-Programme genutzt bzw. vorsätzlich an der Rechtsverletzung mitgewirkt hat. Der bloße Anschlussinhaber, über dessen Internetanschluss von Dritten Urheberrechtsverletzungen begangen worden sind, der jedoch selbst keine Dateien über das Internet getauscht hat, muss grundsätzlich keinen Schadensersatz zahlen. Einschränkend ist jedoch darauf hinzuweisen, dass unter dem Gesichtspunkt einer Aufsichtspflichtverletzung auch den Anschlussinhaber eine Schadensersatzpflicht treffen kann, wenn er seine minderjährigen Kinder nicht ausreichend überwacht hat (im Einzelnen siehe: „Ich habe keine Filesharing-Programme genutzt, bin ich trotzdem verantwortlich?“).


Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten

Ist die Abmahnung berechtigt, weil tatsächlich eine Urheberrechtsverletzung stattgefunden hat, ist der Abgemahnte – der Filesharingprogramme selbst genutzt hat – zur Erstattung der Abmahnkosten verpflichtet. Die Höhe der Abmahnkosten richtet sich nach Streit- bzw. Gegenstandswert der Abmahnung. Da dieser – wie unter Ziff. 4. a) ausgeführt – von den Gerichten teilweise mit € 30.000,00 bis € 50.000,00 für einen Film oder ein Computerspiel bemessen wird, sind Abmahnkosten zwischen € 600,00 bis zu € 2.000,00 nach der derzeitigen Rechtsprechung nicht unrealistisch. Soweit einzelne Musiktitel abgemahnt werden, sind die Abmahnkosten jedoch deutlich geringer, da auch die Streitwerte entsprechend niedriger sind.

Der Gegenstandswert für die Abmahnkosten ist gemäß § 97a Abs. 3 S. 2 UrhG auf € 1.000,00 gedeckelt, wenn es sich bei dem Abgemahnten um eine natürliche Person handelt, die die Rechtsverletzung nicht für ihre gewerbliche oder selbstständige berufliche Tätigkeit begangen hat und nicht bereits aus einem anderen Grund (Vertrag oder gerichtliche Entscheidung) zur Unterlassung verpflichtet ist. Diese Deckelung gilt nur für die außergerichtliche Tätigkeit, nicht etwa für ein sich eventuell anschließendes Gerichtsverfahren.

Diese Regelung gilt jedoch gemäß § 97a Abs. 3 S. 4 UrhG nicht, wenn der genannte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig ist. Wann eine Unbilligkeit gegeben ist, ist eine Frage des Einzelfalls und kann von den Gerichten durchaus auch unterschiedlich beurteilt werden. So geht das Landgericht Köln (LG Köln, Urteil vom 21.07.2022 - 14 O 152/19) in einer Entscheidung davon aus, dass die Deckelung des Gegenstandswertes bei einem populären, kommerziell sehr erfolgreichen und mit hohem Marketingaufwand herausgebrachten PC-Spiel durchaus € 10.000,00 bis € 15.000,00, abhängig davon, wie lange das Spiel bereits auf dem Markt ist zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung, betragen kann.

Zudem sind die Abmahnkosten lediglich in der Höhe zu erstatten, in der sie für den Abmahnenden auch tatsächlich entstanden sind. Maßgeblich sind dabei die Vorschriften des RVG, wenn nicht der Abmahnende mit seinem Rechtsanwalt eine abweichende Honorarvereinbarung getroffen hat. Derartige Honorarvereinbarungen sind für den Abgemahnten schwer nachweisbar. Das Amtsgericht München (Vfg. v. 03.09.2014, Az.: 171 C 270/14) jedoch sieht den abmahnenden Rechteinhaber in der Erklärungspflicht, wenn der mit der Abmahnung angebotene Vergleich die Zahlung eines Vergleichs vorsieht, dessen Betrag unterhalb der gesetzlichen Anwaltsvergütung liegt, da in solchen Fällen ohne Honorarvereinbarung zielgerichtet und in wirtschaftlich unsinniger Weise auf ein Verlustgeschäft hingewirkt würde.

Es gibt ferner Fälle, in denen die Abmahnkosten durch den Abgemahnten nicht zu tragen sind. Dies gilt gemäß § 97a Abs. S. 2; Abs. 3 S. 1 UrhG in den Fällen, in denen nicht Name oder Firma des Verletzten angegeben sind, wenn ein Vertreter abmahnt, in denen die Rechtsverletzung nicht genau bezeichnet ist, in denen die geltend gemachten Zahlungsansprüche nicht in Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche aufgeschlüsselt sind oder wenn die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht.


Muss ich eine Unterlassungserklärung abgeben?

Die Abgabe der Unterlassungserklärung dient der Ausräumung der sog. „Wiederholungsgefahr“ und damit der Vermeidung eines gerichtlichen Unterlassungsverfahrens (siehe: „Welche Ansprüche folgen aus der behaupteten Urheberrechtsverletzung?“). Mit Abgabe der Unterlassungserklärung muss sich der Unterzeichner zur Zahlung einer Vertragsstrafe für den Fall verpflichten, dass das fragliche Werk erneut über den Internetanschluss anderen Nutzern im Internet zur Verfügung gestellt wird. Anderenfalls entfällt die Wiederholungsgefahr nicht.

Eine Unterlassungserklärung sollte zur Vermeidung von unnötigen Kostenrisiken jedenfalls dann abgegeben werden, wenn der abgemahnte Anschlussinhaber tatsächlich für die behauptete Urheberrechtsverletzung verantwortlich ist, das heißt, wenn der Anschlussinhaber selbst Dateien über ein Filesharing-Netzwerk getauscht hat. Nach Abgabe der Erklärung muss aufgrund der versprochenen Vertragsstrafe jedoch sichergestellt sein, dass es nicht zu erneuten Zuwiderhandlungen kommt. Keinesfalls zu raten ist, die dem Abmahnschreiben beigefügte Unterlassungserklärung ungeprüft abzugeben. Diese ist oft viel zu weitgehend formuliert, enthält starre Vertragsstrafen und ein Anerkenntnis hinsichtlich der geltend gemachten Abmahnkosten bzw. Schadensersatzforderungen. Hier gibt es Formulierungen, welche für den Abgemahnten weit weniger belastend sind.

Ob der bloße Anschlussinhaber, der selbst keine Filesharing-Programme genutzt hat, eine Unterlassungserklärung abgeben sollte, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (siehe dazu im Einzelnen: „Ich habe keine Filesharing-Programme genutzt, bin ich trotzdem verantwortlich?“). Von der Abgabe der Unterlassungserklärung kann dann abzuraten sein, wenn der Anschlussinhaber nicht weiß, wie es zu der behaupteten Nutzung seines Anschlusses kommen konnte. In diesem Fall könnte der Anschlussinhaber auch für die Zukunft nicht mit Sicherheit verhindern, dass es zu weiteren Urheberrechtsverletzungen kommt, sodass er im Falle des Verstoßes die Geltendmachung der in der Unterlassungserklärung versprochenen Vertragsstrafe durch den Rechteinhaber riskieren würde. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass sich in aller Regel niemand auf ein gerichtliches Unterlassungsverfahren einlassen möchte, dessen Ausgang angesichts der derzeitigen Rechtsunsicherheit im Bereich Filesharing oftmals nicht mit Sicherheit zu prognostizieren ist. In diesen Fällen kann es eine taktische Variante sein, trotz fehlender Verantwortlichkeit eine Unterlassungserklärung abzugeben, um nicht das erhebliche Kostenrisiko eines gerichtlichen Verfahrens tragen zu müssen. Damit einhergehend muss aber alles für eine effektive Sicherung des Anschlusses getan werden, sodass das Risiko eines Verstoßes in der Zukunft weitestgehend ausgeschlossen ist.


Ich habe keine Filesharing-Programme genutzt, bin ich trotzdem verantwortlich?

Ob der bloße Anschlussinhaber, der selbst keine Filesharing-Programme genutzt hat, für eine durch Dritte begangene Urheberrechtsverletzung haftet, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls. In vielen Fällen haben z.B. die Kinder ohne Wissen der Eltern oder sonstige Personen, denen vom Anschlussinhaber die Mitnutzung des Anschlusses gestattet worden ist, Filesharing-Programme genutzt. Möglich ist auch, dass unberechtigte Dritte über ein ungesichertes oder sogar gesichertes WLAN-Netz auf den Internetanschluss zugreifen konnten. Abgemahnt wird in diesen Fällen jedoch der beim Provider vermerkte Anschlussinhaber. Problematisch ist, dass die Abgemahnten oftmals nicht ermitteln können, wie es zu dem angeblichen Upload gekommen ist.

Der bloße Anschlussinhaber kann als sog. „Störer“ für eine über seinen Anschluss begangene Urheberrechtsverletzung haften, wenn er bestehenden Prüf- und Überwachungsverpflichtungen nicht nachkommt und somit die Urheberrechtsverletzung erst ermöglicht bzw. trotz Kenntnis von der Rechtsverletzung nichts unternimmt, um diese zu unterbinden.

In einem gerichtlichen Verfahren trägt grundsätzlich der Rechteinhaber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen der geltend gemachten Ansprüche erfüllt sind. Sie hat mithin grundsätzlich darzulegen und im Bestreitensfall nachzuweisen, dass der Beklagte für die von ihr behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 2012, Aktenzeichen I ZR 74/12, GRUR 2013, 511 Rn. 32 = WRP 2013, 799 – Morpheus; Urteil vom 8. Januar 2014 - I ZR 169/12, BGHZ 200, 76 Rn. 14 – BearShare; Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 75/14, GRUR 2016, 191 Rn. 37 = WRP 2016, 73 – Tauschbörse III; Urteil vom 12. Mai 2016 - I ZR 48/15, GRUR 2016, 1280 Rn. 32 = WRP 2017, 79 – Everytime we touch).

Es gilt dabei jedoch eine tatsächliche Vermutung, dass der ermittelte Anschlussinhaber auch für die Rechtsgutverletzung verantwortlich ist. Diese Vermutung gilt jedoch nicht unumstößlich, sondern gilt nur dann, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen den Internetanschluss benutzen konnten. Die tatsächliche Vermutung greift also nur dann, wenn es sich bei dem Anschlussinhaber um den einzigen Nutzer des Anschlusses handelt und nicht etwa immer (vgl. BGH, Urteil vom 11.06.2015, Aktenzeichen I ZR 74/15). Von einer Nutzungsmöglichkeit durch Dritte ist auszugehen, wenn der Internetanschluss bewusst zur Nutzung überlassen wurde.

Aus einer Entscheidung des BGH geht hervor, dass der Anschlussinhaber die oben dargestellte gesetzliche Vermutung damit entkräften kann, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und somit als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Zusammenhang muss der Anschlussinhaber das konkrete Nutzungsverhalten seiner Familienmitglieder oder Mitbewohner darlegen. Die Anforderungen, welche die Gerichte diesbezüglich stellen, sind sehr unterschiedlich und zum Teil sehr streng. Es kann also mitunter sehr schwierig sein, die Vermutung, dass der Anschlussinhaber die Urheberrechtsverletzung begangen hat, zu widerlegen.


Soll ich die Abmahnkosten zahlen? Soll ich einen Vergleich schließen?

Ob und ggf. in welcher Höhe die geforderten Abmahnkosten gezahlt werden sollten, ist immer im Einzelfall zu entscheiden. Wer weder Filesharing-Programme genutzt hat noch als „Störer“ haftet, schuldet auch keine Abmahnkosten oder Schadensersatz.

Ist die Verantwortlichkeit als Störer unklar, z.B. weil ein volljähriges Familienmitglied für den Upload verantwortlich ist, ist in Erwägung zu ziehen, die Unterlassungserklärung zur Vermeidung unnötiger Kostenrisiken durch ein gerichtliches Unterlassungsverfahren abzugeben, die geltend gemachten Kostenerstattungsansprüche jedoch im Übrigen zurückzuweisen. Zu spekulieren ist in diesen Fällen darauf, dass aufgrund der bestehenden Unsicherheiten im Bereich der Störerhaftung die Kosten von der Gegenseite nicht eingeklagt werden, die Störerverantwortlichkeit im Falle eines Verfahrens von den Gerichten abgelehnt wird oder es in der Zukunft positive Entwicklungen in der Rechtsprechung gibt, wie eine deutliche Herabsetzung der für die Abmahnungen angesetzten Streitwerte – mit der unmittelbaren Folge der Reduzierung der Abmahnkosten.

Das Risiko dieses Vorgehens besteht darin, dass die Kosten nachträglich gerichtlich eingeklagt werden und auf diese Weise zusätzliche Gerichts- und Anwaltskosten für das gerichtliche Verfahren entstehen, wenn die Gerichte eine Störerverantwortlichkeit bejahen. Allerdings sind die Streitwerte von Klagen, in denen es „nur noch“ um die Kosten geht, deutlich geringer als in Unterlassungsverfahren. Während Unterlassungsverfahren teilweise zu sehr hohen Streitwerten geführt werden, ist der Streitwert bei Kostenklagen der eingeklagte Betrag, also in vielen Fällen ein Betrag zwischen € 500,00 und € 2.000,00 (der Betrag kann je nach Art, Anzahl und Aktualität der streitgegenständlichen Werke jedoch auch deutlich höher sein).

In den meisten Fällen bieten die Rechtinhaber von sich aus die Zahlung einer Vergleichssumme an, mit der sämtliche Ansprüche aus dem der Abmahnung zugrunde liegenden Sachverhalt abgegolten sein sollen. Je nachdem, wie der Fall im Einzelnen gelagert ist und wie hoch die Vergleichssumme ist, kann es sinnvoll sein, auf ein solches Vergleichsangebot einzugehen. Regelmäßig ist es auch möglich, durch eine Verhandlung mit den gegnerischen Rechtsanwälten eine Reduzierung des Vergleichsbetrages zu erreichen.

Neben der materiell-rechtlichen Lage sollte bei der Entscheidung, ob ein Vergleich angestrebt wird, aber auch die prozessrechtliche Situation berücksichtigt werden. Wer alleine wohnt, Dritten den Zugriff auf seinen Internetanschluss nicht erlaubt und zudem seinen Anschluss hinreichend gesichert hat, riskiert im Fall eines gerichtlichen Verfahrens allein wegen der Beweissituation verurteilt zu werden, obwohl er die Urheberrechtsverletzung nicht begangen hat. (Im Einzelnen hierzu: „Wer muss die Urheberrechtsverletzung beweisen?“).


Muss ich mit einer Klage rechnen, wenn ich nicht zahle?

Oftmals ist im Internet – in Foren oder in Rechtstipps – zu lesen, dass der Fall mit Abgabe einer modifizierten Unterlassungserklärung endgültig erledigt und ein Klageverfahren, mit dem die geforderten Kosten und Schadensersatzbeträge geltend gemacht werden, nicht zu erwarten sei. In dieser Pauschalität ist die Aussage falsch. Tatsächlich haben die Rechteinhaber seit geraumer Zeit damit begonnen, Klagen auch in größerer Zahl bei den Gerichten einzureichen. Betroffen sind derzeit vor allen Dingen Fälle, die schon länger zurückliegen und hinsichtlich derer eine Verjährung der Ansprüche droht. Sicherlich gibt es aber auch eine nicht unerhebliche Anzahl von Fällen, in denen die mit außergerichtlicher Abmahnung geltend gemachten Zahlungsansprüche nicht gerichtlich verfolgt werden, weil dies auch für die Rechteinhaber mit einem erheblichen Aufwand und einem Kostenrisiko verbunden ist. Manchmal wird auch nur ein gerichtlicher Mahnbescheid beantragt, gegen den Widerspruch eingelegt werden sollte.


Praktische Tipps zum Schluss

In letzter Zeit mehren sich Fälle, in denen die Betroffenen von Abmahnungen sich nicht erklären können, wie zu der angeblichen Rechtsverletzung über ihren Anschluss gekommen ist. In diesen Fällen sollten Sie, auch im Hinblick auf eine erfolgreiche Verteidigung in einem möglichen Gerichtsverfahren,


  • Passwort und Verschlüsselung Ihres WLAN ändern bzw. auf den neuesten Stand bringen und dies dokumentieren.
  • Ihre Rechner von einem IT-Spezialisten überprüfen lassen und ggf. Sicherungen gegen die Verwendung von Filesharing-Programmen einsetzen, insbesondere, wenn Ihre Kinder oder Dritte auf den Anschluss zugreifen können.
  • Kindern und sonstigen Personen, die Zugriff auf den Anschluss haben, ausdrücklich die Nutzung von Filesharing-Programmen verbieten und dies – soweit wie möglich – überwachen, sowie die ergriffenen Maßnahmen zu dokumentieren.
  • Wer eine Unterlassungserklärung abgegeben hat, kann – soweit die Möglichkeit besteht – den Anschluss auf seinen Partner ummelden. Das Risiko, gegen die Unterlassungserklärung zu verstoßen, wird auf diese Weise weitestgehend minimiert.


Fazit

Wer eine Filesharing-Abmahnung erhalten hat, sollte auf die in der Abmahnung gesetzten Fristen achten und sich frühzeitig mit einer spezialisierten Anwaltskanzlei in Verbindung setzen. Auf diese Weise lassen sich mit der Abmahnung verbundene Kostenrisiken sowie das Risiko, ungewollt in ein gerichtliches Verfahren verwickelt zu werden, weitestgehend minimieren.


Unser Team von MWW Rechtsanwälte berät Sie umfassend zum Thema Filesharing. Wir vertreten Sie bundesweit. Nehmen Sie unverbindlich Kontakt zu uns auf (Ansprechpartnerin: RAin Jörg-Gessinger). 


Der Artikel wurde verfasst von Herrn Rechtsanwalt Johannes Zimmermann und Frau Rechtsanwältin Anne Jörg-Gessinger.


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