Fitnessstudio geschlossen wegen Corona: Hinweise und Handlungsempfehlungen für Verbraucher

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Wegen der Corona-Pandemie sind bundesweit die Fitnessstudios geschlossen. Die Kunden können seit Monaten nicht trainieren. In vielen Fällen werden trotzdem die Mitgliedsbeiträge weiter abgebucht und die Verträge trotz Kündigung um die Schließzeit einseitig verlängert. Wir vertreten mittlerweile zahlreiche Fitnessstudiomitglieder verschiedener Anbieter (u.a. CleverFit, FitOne). Dabei haben wir mehrfach erfolgreich die Rechte unserer Mandanten außergerichtlich durchsetzen können.

Da sehr viele Fitnessstudiokunden von dieser Problematik betroffen sind, wir aber im Moment aus Kapazitätsgründen keine neuen Mandate mehr aus diesem Bereich übernehmen können, möchten wir im Folgenden einige allgemeine Hinweise und Handlungsempfehlungen geben und hoffen, dass wir damit vielen Betroffenen helfen können, ihre Rechte selbst und ohne gerichtliche Hilfe gegenüber dem Fitnessstudio durchzusetzen. 


Was kann ich meinem Fitnessstudio entgegenhalten, wenn trotz der coronabedingten Schließung des Studios die Beiträge weiter abgebucht werden? Muss ich eine einseitige Vertragsverlängerung um die Schließzeit akzeptieren?

Wenn das Fitnessstudio wegen Corona geschlossen ist, ist die Leistungserbringung rechtlich gesehen objektiv unmöglich. In einem solchen Fall sieht das Bürgerliche Gesetzbuch vor, dass auch der Kunde von der Erbringung seiner Zahlungsverpflichtung befreit ist. Das bedeutet, dass keine Beiträge während der Schließzeit zu zahlen sind und sich auch der Mitgliedsvertrag nicht automatisch verlängert. Sollte das Studio bereits die Beiträge abgebucht haben, dann haben Sie Anspruch auf Rückerstattung der im Schließungszeitraum abgebuchten Mitgliedsbeiträge. 

Unsere Tipps: 

  • Erheben Sie gegenüber Ihrem Studio die Einrede des nicht erfüllten Vertrages und erklären Sie vorsorglich, dass Sie den Beitrag mindern für den Zeitraum der Schließung. Weisen Sie Ihr Studio auf den klaren Gesetzeswortlaut hin (§ 275 BGB und § 326 Absatz 1 BGB). Entziehen Sie ggf. die Einzugsermächtigung.
  • Weisen Sie auch darauf hin, dass es sich nicht um einen Fall der Störung der Geschäftsgrundlage handelt (§ 313 BGB). Die Fitnessstudiobetreiber haben als Unternehmer hier das unternehmerische Risiko zu tragen, wenn das Studio wegen der Pandemie geschlossen bleiben muss.
  • Bekanntlich sind für die von den Coronamaßnahmen betroffenen Betriebe vielseitige und umfangreiche finanzielle staatliche Hilfen geschaffen worden, um hier Einbußen auszugleichen (zuletzt die sogenannte Überbrückungshilfe III für Unternehmen, die besonders schwer und sehr lange Zeit von Schließungen betroffen sind). 
  • Darüber hinaus gibt es zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen auch die Möglichkeit, einen KfW-Schnellkredit oder Kredit aus dem KfW-Corona-Sonderprogramm zu beantragen.
  • Des Weiteren kann Kurzarbeit eingeführt werden, um Kosten einzusparen.
  • Möglicherweise hat das Studio auch Ansprüche aus einer Betriebsschließungsversicherung. Auf all diese Aspekte sollten Sie Ihr Studio hinweisen.


Gibt es Urteile, die das bestätigen, dass die Beiträge nicht verlangt werden dürfen und die einseitige Vertragsverlängerung nicht rechtens ist?

Ja, die gibt es! An vorderster Stelle ist insbesondere auf das sehr gut und zutreffend begründete Urteil vom 18.12.20 vom Amtsgericht Papenburg (Az. 3 C 337/20) zu verweisen. Es ging in dem Rechtsstreit um die Rückzahlung anteiliger Mitgliedsbeiträge für die Zeit der coronabedingten Schließung.  Das Amtsgericht Papenburg bestätigt, was wir auch schon in unseren früheren Rechtstipps vertreten haben: Der Verbraucher hat gegen das Fitnessstudio gemäß §§ 346 Abs. 1, 326 Abs. 1 u. 4, 275 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Rückerstattung der im Schließungszeitraum bei ihm abgebuchten Mitgliedsbeiträge. Ein weiteres sehr gut und ausführlich begründetes Urteil des Amtsgerichts Schöneberg vom 06.05.2021 (Az. 13 C 99/20) bestätigt ebenfalls unsere Auffassung und gibt dem Fitnessstudiomitglied Recht. Es gibt zudem das Urteil des Amtsgerichts Döbeln vom 15.03.2021 (Az. 3 C 878/20). Auch dieses bestätigt, dass es kein Recht auf Vertragsanpassung gibt.  Sobald uns weitere Urteile zugunsten von Fitnessstudiomitgliedern bekannt werden, werden wir diese hier anonymisiert veröffentlichen. 

Unsere Tipps:

  • Verweisen Sie auf das Urteil vom Amtsgericht Papenburg vom 18.12.20 (Az. 3 C 337/20) (hier im Volltext zum Download). Außerdem können Sie auch auf das Urteil des Amtsgerichts Schöneberg vom 06.05.2021 (Az. 13 C 99/20) (hier im Volltext zum Download) und des Amtsgerichts Döbeln vom 15.03.2021 (Az. 3 C 878/20) (hier im Volltext zum Download) verweisen.
  • Argumentieren Sie gegenüber Ihrem Studio, dass es sicherlich noch weitere nicht veröffentlichte Urteile zugunsten der Verbraucher gibt.
  • Wir gehen davon aus, dass in vielen Fällen auch Urteile zugunsten von Verbrauchern verhindert werden, indem das Fitnessstudio rechtzeitig die Klage zurückgenommen hat oder sich die Parteien außergerichtlich geeinigt haben.


Was hat es mit den Urteilen vom Landgericht Würzburg und den Amtsgerichten Ibbenbüren, Torgau, Zeitz, Leipzig usw. auf sich?

Viele Fitnessstudios verweisen auf eine ganze Reihe von Urteilen, die angeblich zugunsten der Fitnessstudios ergangen sind.  Die Verweise auf diverse Amtsgerichtsurteile sind in der Sache jedoch nicht überzeugend. Maßgeblich ist allein die geltende Gesetzeslage und danach haben die Studios keinen Anspruch auf eine zeitentsprechende Verlängerung des Vertrages wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage. 

Unsere Tipps: 

  • Teilen Sie Ihrem Studio mit, dass diese Urteile entweder gar nichts mit Corona zu tun haben oder glatte Fehlurteile sind, die einfach die geltende Gesetzeslage missachten.
  • Verweisen Sie stattdessen auf die Urteile vom 18.12.20 vom Amtsgericht Papenburg (Az. 3 C 337/20) - im Volltext hier -, vomAmtsgerichts Schöneberg vom 06.05.2021 (Az. 13 C 99/20) - im Volltext hier  - und vom 15.03.21 vom Amtsgericht Döbeln (Az. 3 C 878/20) - im Volltext hier. Insbesondere Amtsgericht Döbeln weist ausdrücklich darauf hin, dass die abweichenden Entscheidungen nicht überzeugend sind.


Was mache ich, wenn mir mein Studio Gutscheine für die coronabedingte Schließzeit anbietet? Muss ich diese akzeptieren?

Ja, aber eben nur dann, wenn die angebotenen Gutscheine auch den gesetzlichen Anforderungen vollständig entsprechen. Die Gutscheinlösung wurde aufgrund der Covid-19-Pandemie extra gesetzlich eingeführt (Art. 240 § 5 EGBGB) und gilt für Verträge, die vor dem 08.03.2020 geschlossen wurden . Sie besagt, dass die Studios berechtigt sind, anstelle der Erstattung von Mitgliedsbeiträgen einen Gutschein zu übergeben. Für die Ausstellung und Übersendung des Gutscheins dürfen keine Kosten in Rechnung gestellt werden. Wichtig ist darauf zu achten, dass sich aus dem Gutschein ergibt, dass dieser wegen der Covid-19-Pandemie ausgestellt wurde und dass der Inhaber des Gutscheins die Auszahlung des Wertes des Gutscheins verlangen kann, wenn er ihn bis zum 31.12.2021 nicht eingelöst hat.

Unsere Tipps:

  • Weisen Sie Ihr Studio auf den extra wegen der Corona-Pandemie ins Gesetz eingeführten Artikel 240 § 5 EGBGB hin.
  • Weisen Sie Ihr Studio außerdem auf den sehr informativen Beitrag der Bundesregierung zum Sinn und Zweck der Gutscheinlösung hin, den Sie hier finden. Daraus ergibt sich eindeutig, dass die Gutscheinlösung auch für die Fitnessstudioverträge gilt.
  • Sie können zudem auf die Gesetzesbegründung zu dem Artikel 240 § 5 EGBGB hinweisen. Diese finden Sie hier.  Die entscheidenden Aussagen bestehen darin (S. 5), dass zum einen nach bisheriger Gesetzeslage ein Erstattungsanspruch besteht, was ggf. zu einer Überforderung der betroffenen Unternehmen führen könnte und den Gesetzgeber zum Handeln mit der Gutscheinregelung veranlasst hat. Zum anderen wird die Gutscheinlösung (und darin ausdrücklich eingeschlossen _die Rückzahlungsoption_) als der gebotene *_faire Interessenausgleich_* qualifiziert. Der Gesetzgeber eröffnet mit Art. 240 § 5 EGBGB (befristet) den betroffenen Unternehmen die Berechtigung, anstelle der Rückerstattung den Kunden auf die Ausstellung eines Gutscheins zu verweisen, deren Gegenwert wiederum unter zwei alternativen Voraussetzungen auszuzahlen ist. 


Sollte ich es ohne Rechtsschutzversicherung auf einen Rechtsstreit vor Gericht ankommen lassen? 

Jeder Prozess birgt zahlreiche Risiken, vor allem in finanzieller Hinsicht. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Fehlurteil ergeht. Aufgrund der niedrigen Streitwerte in diesen Fällen kann in der Regel keine Berufung eingelegt werden, wenn dies nicht ausdrücklich vom Gericht zugelassen wird. Im Allgemeinen empfehlen wir daher Betroffenen, die keine Rechtsschutzversicherung haben, es sich sehr gut zu überlegen, ob sie es wirklich auf einen Gerichtsprozess ankommen lassen wollen. Es sollte insbesondere bedacht werden, dass Sie in einem etwaigen Gerichtsprozess im Unterliegensfalle erheblich draufzahlen (Anwaltskosten, Gerichtskosten, ggf. Zinsen). Besser ist es daher dann, gleich auf die Gutscheinlösung zu pochen und das Fitnessstudio zu bitten, Ihnen für die Schließzeit echte Wertgutscheine auszustellen, die die oben genannten gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen. 

Rechtsschutzversicherten Betroffenen empfehlen wir im Allgemeinen, es auf ein Gerichtsverfahren ankommen zu lassen, wenn das Fitnessstudio nicht bereits außergerichtlich einlenkt.


Bitte beachten Sie nochmals, dass wir derzeit aufgrund der Vielzahl von Anfragen in den vergangenen Wochen aus Kapazitätsgründen leider Neumandanten keine persönliche anwaltliche Beratung mehr zu diesem Thema anbieten können.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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