Fristlose Kündigung wegen Drogenkonsums während der Arbeitszeit – LAG Berlin-Brandenburg

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LAG Berlin-Brandenburg 24.8.2018, 2 Sa992/18

Außerordentliche Tat- oder Verdachtskündigung wegen behaupteten Drogenkonsums des Arbeitnehmers

Grundsätzlich kann der Drogenkonsum eines Arbeitnehmers die außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Der Arbeitgeber muss aber den Drogenkonsum des Arbeitnehmers darlegen und beweisen. Ansonsten kann aufgrund der fehlenden Feststellung keine wirksame fristlose Tatkündigung erfolgen. Auch den Grund für eine Verdachtskündigung muss der Arbeitgeber hinreichend darlegen und beweisen. Zudem muss der Arbeitnehmer zu dem Verdacht angehört werden.

Sachverhalt:

Der Kläger war beim Beklagten, dem Inhaber eines Malerbetriebs, als Maler beschäftigt. Der Beklagte war der Überzeugung, der Kläger habe Drogen während der Arbeitszeit konsumiert. Daher kündigte er ihm fristlos am 19.10.2017 per E-Mail und am folgenden Tag schriftlich per Einschreiben. Zu dem kündigte er dem Kläger ordentlich zum 4.11.2017. Der Beklagte gab an, er habe einen Zeugen, der gesehen habe, wie der Kläger weißes Pulver zu sich genommen hatte.

Der Kläger bestritt die Vorwürfe und erhob u. a. Kündigungsschutzklage gegen die fristlose Kündigung. Während der Wartezeit des § 1 KSchG wurde das Arbeitsverhältnis zum 4.11.2017 rechtskräftig beendet. Die Klage hatte vor dem Arbeitsgericht und vor dem LAG Erfolg. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:

Das Arbeitsverhältnis wurde nicht durch die E-Mail-Kündigung vom 19.10.2017 beendet, da die Kündigung nicht schriftlich gem. § 623 BGB ausgesprochen wurde. Eine E-Mail-Kündigung erfüllt nicht das Schriftlichkeitsgebot des § 623 BGB. Sie ist ausdrücklich ausgeschlossen.

Die schriftliche außerordentliche Kündigung vom 20.10.2017 hat das Arbeitsverhältnis vorliegend ebenfalls nicht fristlos beendet.

Nach ständiger BAG-Rechtsprechung kann der Drogenkonsum eines Arbeitnehmers grundsätzlich die außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigen (BAG 20.10.2016, 6 AZR 471/15). Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Drogenkonsum im privaten Bereich oder während der Arbeitszeit erfolgt. Der Drogenkonsum des Arbeitnehmers muss aber durch den Arbeitgeber dargelegt und bewiesen werden. Daran fehlt es im Streitfall. Selbst wenn man zugunsten des Beklagten unterstellt, dass der vom Beklagten benannte Zeuge gesehen hätte, wie der Kläger ein weißes Pulver zu sich genommen hätte, hat der Beklagte damit keine Tatmomente, sondern Verdachtsmomente dargelegt und bewiesen.

Es steht nicht fest, dass der Kläger Drogen zu sich genommen hat. Dies kann auch nicht aus den geschilderten Indizien geschlossen werden. Dass der Kläger möglicherweise mit Drogen handelte, ist kein Indiz für eigenen Drogenkonsum des Klägers. Ein behaupteter, früherer Cannabiskonsum in geringem Ausmaß ist mit der Behauptung, der Kläger habe weißes Pulver konsumiert, nicht in Einklang zu bringen.

Eine mögliche Verdachtskündigung ist während des Rechtsstreits nicht vom Beklagten dargelegt worden. Er hat sich nur darauf berufen, der Kläger habe Drogen zu sich genommen. Er hat also eine Tatkündigung zu begründen versucht. Selbst wenn man aber die Kündigung als Verdachtskündigung ansähe, wäre diese nicht wirksam, da es an der Anhörung des Klägers zu den Vorwürfen fehlt.

Quelle: Berlin-Brandenburg online

Anmerkung des Bearbeiters: 

Der Konsum von Drogen mag moralisch verwerflich, bei zusätzlichem Besitz von BTM auch strafbar sein, der Konsum allein ist es nicht, er mag der Qualität der Arbeit schaden und dürfte in aller Regel gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten des Arbeitnehmers verstoßen und für sich gesehen unter Umständen auch einen Grund für eine fristlose Kündigung des Arbeitnehmers darstellen. 

In Bezug auf die Begründung eines Kündigungsgrundes ist aber m. E. zu unterscheiden, ob der betroffene AN – genau wie das bei Alkoholkonsum der Fall sein kann – nicht an einer Sucht erkrankt ist, die Handlung und der Verstoß also krankheitsbedingt waren. Dies ist bei einer bestehenden Sucht regelmäßig zu bejahen. In Fällen einer Erkrankung des Arbeitnehmers in Form einer Suchterkrankung ist ihm aber regelmäßig vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung die Gelegenheit zur Genesung in Form der Durchführung einer Therapie und einer künftigen Unterlassung des Konsums zu geben. Ansonsten dürfte in solchen Fällen eine fristlose Kündigung ohne dieses Angebot oder ohne Ablehnung des Angebots durch den betroffenen Arbeitnehmer nicht wirksam sein. Weder fristlos noch – in Betrieben, wo das KSchG Geltung findet – ordentlich. 

Es kommt also auch bei solchen Fällen ganz wesentlich auf den Vortrag des betroffenen Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess an. Hierauf ist von jedem zu achten, der sich mit entsprechender Problematik konfrontiert sieht. 

Gerne können sich Betroffene in entsprechenden Fallkonstellationen an meine Kanzlei wenden. 


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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