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Für Arbeitgeber: Kurzarbeit und Kurzarbeitergeld – Anordnung und Verfahren

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1. Das Recht zur Anordnung von Kurzarbeit

Zunächst ist eine wirksame Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer notwendig; ein einseitiges Recht des Arbeitgebers zur Herabsetzung der Arbeitszeit existiert nicht!

--> Ein Recht zur Einführung von Kurzarbeit kann aber auch im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung geregelt sein.

--> Scheitert eine individuelle Vereinbarung kommt auch eine Änderungskündigung in Betracht


Beachte: Existiert ein Betriebsrat hat dieser ein Mitbestimmungsrecht (der Personalrat indes nicht)!

Übrigens: Die Initiative zur Einführung von Kurzarbeit kann auch vom Betriebsrat ausgehen.


Je nachdem wo die die Berechtigung zur Einführung von Kurzarbeit niedergeschrieben ist (Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung), sind bestimmte rechtliche Vorgaben zu beachten damit die Klauseln rechtmäßig sind. So müssen ggf. Ankündigungsfristen eingehalten werden und Umfang, Dauer und der betroffene Personenkreis eindeutig, klar und verständlich festgelegt sein.


2. Die Anspruchsvoraussetzungen für das Kurzarbeitergeld 

Es muss ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegen (Reduzierung der täglichen Arbeitszeit oder Einführung von Zeiträumen, in denen gar nicht gearbeitet wird, sog. Blockarbeitszeit)


Der Arbeitsausfall ist erheblich, wenn er  

  • auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht,
  • er vorrübergehend ist,
  • er nicht vermeidbar ist und
  • im jeweiligen Kalendermonat (Anspruchszeitraum) mindestens ein Drittel der im Betrieb beschäftigten ArbeitnehmerInnen von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als 10 % ihres monatlichen Bruttoentgelts betroffen ist.


In der Praxis beginnen hier oft Streitigkeiten mit der Agentur für Arbeit. Behörde und Unternehmen sind häufig unterschiedlicher Auffassung was ein „unabwendbares Ereignis“ darstellt oder ob der Arbeitsausfall „vermeidbar“ war. Eine vielfältige Rechtsprechung zu einzelnen Ereignissen, Branchen, Berufsgruppen und zur Unvermeidbarkeit existiert. Die Beratung durch einen entsprechend spezialisierten Fachanwalt ist insoweit dringend angeraten.


Das Gesetz sieht einen Arbeitsausfall aus wirtschaftlichen Gründen bspw. als gegeben an, wenn er durch eine Veränderung der betrieblichen Strukturen verursacht wird, allerdings nur, wenn die Veränderung durch die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung bedingt ist. Über letzteren Aspekt lässt sich wiederum vortrefflich streiten. Gemeint sind Störungen im Wirtschaftskreislauf (Stichwort: globale Lieferketten), Konjunkturschwankungen, Absatzschwierigkeiten und Kundenrückgang (Stichwort: pandemiebedingte Schließungen).


Die Erkrankung des Arbeitgebers ist hingegen selbst dann kein unabwendbares Ereignis, wenn das gesamte Unternehmen dadurch arbeitsunfähig wird (z.B. Erkrankung einer Zahnärztin, ohne die die Arzthelferinnen die Praxis nicht allein fortführen können).


Der Arbeitsausfall darf prognostisch nur vorrübergehend sein. Im konkreten Einzelfall muss daher in absehbarer Zeit aufgrund der Produktion, Rohstofflage, Rentabilität und Liquidität des Betriebs wieder mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit mit Vollarbeit zu rechnen sein.


Beachte: Ist von vornherein ersichtlich, dass innerhalb der Höchstdauer des Kurzarbeitergeldbezugs (aktuell 12 Monate; wegen der Corona-Pandemie war der Höchstzeitraum vorrübergehend bis 30.06.2022 auf bis zu 28 Monate verlängert gewesen) nicht zur Vollarbeit zurückgekehrt werden kann, besteht von vornherein kein Anspruch auf Kurzarbeitergeld.


Unvermeidlich ist ein Arbeitsausfall nur dann, wenn der Betrieb alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen hat, um den Eintritt eines Arbeitsausfalls zu verhindern. Maßstab ist insoweit was von einem sorgfältigen Unternehmer an Vorsorgemaßnahmen und ständigen Anpassungsmaßnahmen erwartet werden kann. Entscheidend ist folglich, ob das Ereignis vorhersehbar war und Präventionsmaßnahmen objektiv möglich und wirtschaftlich vertretbar waren.


Vermeidbar ist der Arbeitsausfall z.B. dann, wenn er durch die Gewährung von bezahltem Erholungsurlaub verhindert werden könnte (vorrangige Urlaubswünsche der Arbeitnehmer dürfen nicht entgegenstehen).


Mindestens ein Drittel der Arbeitnehmer muss betroffen sein und zwar mit einem Entgeltausfall von wenigstens 10 % ihres monatlichen Bruttoentgelts. Auch hier galten während der Corona-Pandemie abweichende Bedingungen. Unsicherheiten bestehen hier zum Teil bei der Frage welche Arbeitnehmer zählen. Mitzuzählen sind z.B. auch nicht versicherungspflichtig Beschäftigte oder Arbeitnehmer, für die Kurzarbeit gar nicht angeordnet werden darf. Dagegen sind nicht mitzuzählen z.B. Auszubildende, Arbeitnehmer in Elternzeit und Heimarbeiter.


3. Verfahren

a) Den Arbeitsausfall muss der

  • Arbeitgeber oder die Betriebsvertretung
  • der örtlich zuständigen Agentur für Arbeit
  • schriftlich oder in elektronischer Form
  • unter Verwendung des amtlichen Vordrucks anzeigen.


Beachte: Die Berechtigung zur Anordnung von Kurzarbeit sowie der Arbeitsausfall müssen durch beizufügende und geeignete Unterlagen glaubhaft gemacht werden.

Beachte: Frühestens ab dem Monat, in dem die Anzeige bei der Agentur für Arbeit eingeht, kann Kurzarbeitergeld geleistet werden.


Die Agentur für Arbeit erlässt zunächst einen Bescheid, ob ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt und die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind (Anerkennungsbescheid).


b) Sodann muss der Arbeitgeber/die Betriebsvertretung innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach dem jeweiligen Leistungszeitraum einen bezifferten Leistungsantrag unter Beifügung einer Abrechnungsliste stellen. Die Agentur für Arbeit erlässt im Anschluss einen Leistungsbescheid.


Neben dem für die Arbeitnehmer zu leistenden Kurzarbeitergeld, welches durch den Arbeitgeber nur treuhänderisch für die Arbeitnehmer geltend gemacht wird, werden dem Arbeitgeber auf Antrag die von ihm zu leistenden Sozialversicherungsbeiträge pauschaliert erstattet.


Beachte: Eine vorläufige Entscheidung über die Gewährung von Kurzarbeitergeld ist der Agentur für Arbeit möglich. Sollte später die Erstattung verlang werden, da die Voraussetzungen doch nicht vorlagen, kann sich der Arbeitgeber nicht auf Vertrauensschutz berufen!


Im Klageverfahren entstehen für den Arbeitgeber ausnahmsweise keine Gerichtskosten, da er den Anspruch auf Kurzarbeitergeld nur treuhänderisch für den Arbeitnehmer geltend macht und vor dem Sozialgericht demzufolge als Prozessstandschafter auftritt.


Sollten Sie eine persönliche Beratung unter Berücksichtigung Ihrer konkreten Ausgangslage wünschen, sprechen Sie uns gerne an.


Tobias Blume
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Sozialrecht


(Stand November 2022 - alle Angaben nach bestem Wissen, ohne Gewähr und Anspruch auf Vollständigkeit)


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