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Geld zurück von Online-Casinos – Ist das moralisch in Ordnung?

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Die gerichtlichen Entscheidungen in puncto Rückzahlungen von Online-Casinos werden im Querschnitt immer eindeutiger. Land auf, Land ab entscheiden die Gerichte vermehrt und ziemlich einhellig zugunsten betroffener Spieler und verurteilen Online-Casinos zur Rückerstattung von Verlusten. Einige Anwaltskollegen stellen diese Vorgänge regelmäßig gut und anschaulich dar.

Was in dieser Thematik aber auch interessant ist: Immer wieder sind (auf Social Media, in Foren, unter Artikeln) kritische Stimmen zu vernehmen, wonach diese Rückforderungen aus Spielersicht höchst unanständig wären. Die Zocker seien beim Online-Glücksspiel dieses Verlustrisiko ja bewusst eingegangen. Und dann könne man doch nicht die Einsätze zurückverlangen, nur weil man „eben mal“ kein Glück hatte, so die vorwurfsvollen „Kritiker“ sinngemäß.

Im Folgenden zeige ich auf, warum Recht und Moral hier sehr wohl Hand in Hand gehen und man kein (falsches) Verständnis für die Glücksspielanbieter haben muss.

Rechtlicher Status quo

An dieser Stelle ein kurzer Überblick über die bisherige Rechtsprechung: Insbesondere nach dem „trendsetzenden“ Urteil des LG Gießen (Az. 4 O 84/20) entschied das Gros der erkennenden Gerichte, dass die Online-Casinos den Spielern erlittene Verluste zurückerstatten müssen.

Denn die (Ein-)Zahlungen bzw. Spieleinsätze seien – jedenfalls vor Inkrafttreten der Neufassung des Glücksspielstaatsvertrages am 01.07.2021 – rechtsgrundlos erfolgt, da der Vertrag über die Teilnahme an Online-Glücksspiel gemäß § 134 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV nichtig war. Auch eine etwaige zwischenzeitliche Duldung des Angebots durch einzelne Behörden ab Herbst 2020 wäre irrelevant, so u.a. das LG Gießen unmissverständlich.

Zu beachten ist auch der „spielerfreundliche“ hochaktuelle Beschluss des OLG Hamm vom 12.11.2021 (Az. I-12 W 13/21).

Wer hier die Moral in Frage stellt, sollte den eigenen Wertekompass überprüfen

Warum ist das Infragestellen der Moral in puncto der hier in Rede stehenden spielerseitigen Rückzahlungsbegehren nun seinerseits äußerst unmoralisch?

1. Man dürfte bei Online-Casinos auf lange Sicht selten eine realistische Gewinnchance haben. Und bei dieser Formulierung bin ich schon – aus Gründen der Rechtssicherheit – zurückhaltend…

Insofern ist man das o.g. Risiko auch kaum noch „bewusst“ eingegangen. Denn man spielte ja in der ewigen Hoffnung, man habe eine „faire“ Gewinnchance. Recherchen, Auswertungen und Statistiken aber zeigen, dass man das Wort „Fairness“ schon sehr diffus definieren müsste, um die von den Online-Casinos konstruierten Spielmechanismen als „fair“ zu bezeichnen. Man hatte mithin auch nicht „eben mal“ kein Glück, sondern schlicht – „algorithmenbedingt“ – das Unglück gewissermaßen „gepachtet“.

2. Der Kernpunkt: Es handelt sich bei vielen betroffenen „Zockern“ um Menschen, die sich – mal früher, mal später (leider meist schon „früher“) – in einem Suchtzustand befinden. Die irgendwann – krankheitsbedingt – nicht mehr in der Lage waren, ihre (Spiel-)Impulse zu kontrollieren. Was die entsprechenden Spiele-Anbieter auch häufig infolge des ersichtlich „suchtauffälligen“ Spiele- und Einzahlungsverhaltens sehen und wissen können müssten.

Lobbyisten pro Spielsucht?

Es wäre auch interessant zu wissen, aus welcher Ecke die vorgenannten Vorwürfe hinsichtlich des „unmoralischen“ Vorgehens betroffener Spieler kommen…

Der moralische Kompass muss doch schon äußerst unzureichend kalibriert sein, um in diesem Themenfeld ernsthaft den vielfach erkrankten Spielern die Moral abzusprechen, wenn diese ihre Rechte gegenüber den bewusst im Illegalen (jedenfalls vor dem 01.07.2021) agierenden Online-Casinos geltend machen.

Man muss es auch einfach mal auf den Punkt bringen: Wöchentlich (wahrscheinlich sogar täglich) suizidieren sich Menschen – sei es mittel- oder unmittelbar – spielsuchtbedingt. Mitunter verleitet durch illegale Angebote und Werbung. Gleichzeitig streichen die Online-Casinos (nach wie vor mangels entsprechender Lizenzen ggf. illegal) in Summe täglich Multimillionen-Gewinne ein.

Mag sich da ein Jeder sein eigenes moralisches Urteil bilden.

RA Robin Nocon, www.nocon-recht-digital.de



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