Geldstrafe, Tagessatzhöhe, Bezieher von ALG II (Hartz IV)

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Das Landgericht Frankfurt an der Oder (LG Beschl. v. 27.07.2022 - 24 Qs 45/22) hat entschieden, dass bei einem Angeklagten, der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II./Hartz IV) bezieht und finanziell am Existenzminimum lebt, die Geldstrafe nicht schematisch nach dem Nettoeinkommen berechnet werden darf, sondern individuell bestimmt werden muss.

Sachverhalt

Das Amtsgericht Eberswalde erließ gegen den Angeklagten einen Strafbefehl mit einer Geldstrafe von 35 Tagessätzen zu je 20 Euro.
Der Angeklagte wehrte sich darauf gegen die Höhe des Tagessatzes und beantragte Zahlungserleichterungen nach § 42 StGB. Er führte aus, dass er zwar insgesamt über 700 Euro an Leistungen nach dem Arbeistlosengeld II beziehe, jedoch knapp 300 Euro für Miete zu begleichen seien. Eine schematische Anwendung des § 40 Abs. 2 StGB sei ermessensfehlerhaft. Die erbrachten Leistungen für die Miete stünden ihm nicht frei zur Verfügung, ohne seine persönliche Existenz durch Obdachlosigkeit zu gefährden. Es müsse ihm das zum Lebensbedarf Unerlässliche, also mindestens 70 % des Regelbedarfs erhalten bleiben.

Ergebnis des Gerichts

Das Gericht gab dem Angeklagten im Wesentlichen recht und setzte die Tagessatzhöhe auf 10 Euro herunter.
Grundlage für die Tagessatzhöhe sei zunächst das Nettoeinkommen. Bei einkommensschwachen Personen komme es auf sämtliche Bezüge an. Bei einem Bezieher von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) der am Existenzminimum lebe, führe die schematische Anwendung der gesetzlichen Regelungen jedoch an rechtsstaatliche Grenzen, weshalb die Tagessatzhöhe angepasst werden müsse.

Systembedingt sei der Bezieher von Arbeitslosengeld II härter betroffen als der Normalverdienende, weil die Leistungen lediglich auf die Sicherung des Existenzminimums ausgerichtet sei und damit kaum finanziellen Spielraum lässt. 

Demnach sei zunächst entscheidend, dass dem Bezieher von Sozialleistungen ein Betrag verbleibt, der es ihm ermöglicht, ein menschenwürdiges Leben ohne die Gefahr der Obdachlosigkeit zu führen. Die Obdachlosigkeit wird zunächst dadurch abgewendet, dass der Leistungsbetrag für die Miete nicht mit in das Einkommen einberechnet werde.

Vom Regelbedarf ist der unerlässliche Lebensbedarf zu ermitteln, der nach § 26 Abs. 2 SGB XII zwischen 70 und 80 % des Regelbedarfs liege. Sodann wird der drei bis vierfache Betrag der Differenz zwischen Regelbedarf und dem unerlässlichen Lebensbedarf genommen und die Tagessatzhöhe berechnet.

Fazit

Bei Beziehern von Leistungen nach dem Arbeitslosengeld II (Hartz IV) ist deshalb stets darauf zu achten, dass die Gerichte nicht den Bedarf für die Miete mit einbeziehen und die Berechnung der Tagessatzhöhe nicht schematisch erfolgt. Im vorliegenden Fall hat sich dadurch die Geldstrafe mehr als halbiert.

Ihr Rechtsanwalt 

Christian Keßler

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