Geltung des Lieferkettengesetzes auch für kleine und mittlere Unternehmen

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Von Rechtsanwalt und Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht Dr. Ulrich Rösch


Am 1. Januar ist das Lieferkettengesetz in Kraft getreten. Ziel des Gesetzes ist die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutzstandards in der Lieferkette. Eine aktuelle Umfrage des Bundesverbands Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BMF) brachte ans Licht, dass sich viele Unternehmen bisher noch nicht auf die künftigen Anforderungen vorbereitet haben. Offensichtlich herrscht derzeit bei den kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) die Vogel-Strauß-Taktik vor.

Dies hängt damit zusammen, dass viele Entscheider in den KMU irrtümlich davon ausgehen, von dem Gesetz nicht betroffen zu sein, da dieses zunächst nur für Unternehmen mit mehr als 3000 Mitarbeitern und ab 2024 für Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern gilt. Diese größeren Unternehmen sind durch das Lieferkettengesetz dazu verpflichtet, durch eine Risikoanalyse und -management ihre Lieferanten zu überprüfen und ihre Einkaufsstrategie danach auszurichten. Noch nicht hinreichend durchgesetzt hat sich bei den KMU indes die Erkenntnis, von dem Lieferkettengesetz dann betroffen zu sein, wenn das eigene Unternehmen Kunden mit mehr als 1000 Mitarbeitern beliefert. Der Grund dafür liegt darin, dass diese größeren Unternehmen sich nicht darauf beschränken können, nur im eigenen Geschäftsfeld zu handeln, sondern sie auch die Supply Chain überprüfen müssen, da das neue Gesetz explizit die Identifizierung, Bewertung und Priorisierung relevanter menschenrechtlicher und umweltbezogener Risiken auch bei direkten und indirekten Zulieferbetrieben fordert.


I. Was werden die großen Kunden von den KMU fordern?

Zu erwarten steht, dass die großen Kunden zeitnah mit folgenden Forderungen an die KMU herantreten werden:

  • Ergänzungder Lieferverträge um Regelungen zur Einhaltung von Menschenrechten und des Umweltschutzes
  • Verpflichtung auf umfassendere Code-of-Conducts 
  • Vereinbarung und Durchsetzung von Kontroll- und Auditmaßnahmen 
  • Verpflichtung der Lieferanten, in deren Geschäftsumfeld Präventions- und /oder Abhilfemaßnahmen zu implementieren
  • Verpflichtung zu Schulungen zum Lieferkettengesetz


II. Was heißt das für die KMU?

KMU, die solche größeren Unternehmen beliefern, dürfen nicht passiv bleiben, sondern sollten proaktiv sein.

1. In der Kunden-Lieferantenbeziehung sind u.a. folgende Punkte zu klären bzw. abzuarbeiten:

  • Durchführung einer Bestandsaufnahme welche Kunden ab 2023 bzw. ab 2024 das Lieferkettengesetz beachten müssen
  • Analyse der bestehen Lieferverträge auf Vorgaben zu Menschenrechten und Umweltschutz. Prüfung, ob die Verträge diesbezüglich Vertragsstrafen oder andere Sanktions- oder Kündigungsmöglichkeiten enthalten
  • Kontaktaufnahme mit den Kunden, um deren, ggf. unterschiedliches, Anforderungsprofil zu erkennen und deren Vorgaben rechtzeitig umsetzen zu können
  • Dokumentation der jeweils geforderten/umgesetzten Maßnahmen


2. In eigenem Geschäftsumfeld bzw. in den Verträgen mit den eigenen Lieferanten ist        spiegelbildlich folgendes zu beachten:

  • Prüfung, ob Waren bezogen werden, bei denen der Herstellprozess nach den Maßgaben des Lieferkettengesetzes kritisch ist
  • Prüfung, ob eine Änderung der Einkaufsstrategie geboten ist, um das Risiko eines Verstoßes gegen das Lieferkettengesetz zu minimieren
  • Überprüfung und rechtssichere Anpassung der Lieferverträge mit den eigenen Zulieferern auf die Vorgaben des Lieferkettengesetzes. Hierbei sind Vorgaben des AGB-Rechts zu beachten.
  • Durchführung von Schulungen der Mitarbeiter zum Lieferkettengesetz
  • Dokumentation der geplanten/vorgenommenen Aktivitäten hinsichtlich Lieferkettengesetz


III. Das Wichtigste in Kürze

  • Auch für KMU ist das Lieferkettengesetz von (mittelbarer) Bedeutung
  • Es sollte zeitnah Kontakt mit den Kunden aufgenommen werden, um deren Anforderungsprofil hinsichtlich der Vorgaben des Lieferkettengesetzes zu kennen und umsetzen zu können
  • Die eigenen Einkaufsprozesse und -verträge müssen überprüft und ggf. angepasst werden, um eine back-to-back-Lösung zu erzielen und das Risiko eines Verstoßes gegen das Lieferkettengesetz zu minimieren


IV. Abschließender Hinweis

Die vorstehenden Ausführungen ersetzen nicht die Beratung durch einen spezialisierten Rechtsanwalt. Insbesondere sind bei der Vertragsgestaltung zahlreiche Einzelheiten zu berücksichtigen, sodass eine Betrachtung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls erforderlich und damit eine individuelle Beratung unerlässlich sind.


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Foto(s): https://unsplash.com/de/fotos/zLcV9nXr2y0

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