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Gesetzesänderungen im Juni 2023: Bahnreiserecht, Hinweisgeberschutz und mehr

  • 9 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

Neue Fahrgastrechte bringen nicht nur Vorteile

In der EU und damit auch in Deutschland gilt ab 7. Juni 2023 die geänderte Bahngastrechte-Verordnung ((EU) 2021/782). Sie bringt einige Verbesserungen für Menschen, die Hilfe benötigen. Erleichtert wird auch die Fahrradmitnahme. Mit Blick auf Entschädigungen bei Verspätungen und Zugausfällen müssen Fahrgäste jedoch auch Nachteile in Kauf nehmen.

Hilfeleistung 24 Stunden vorher mitzuteilen

Menschen mit einer Behinderung oder eingeschränkter Mobilität können bereits jetzt schon Hilfeleistungen verlangen. Das gilt insbesondere für Hilfe beim Ein- und Aussteigen. Die dazu notwendige Mitteilung ans Bahnunternehmen muss ab 7. Juni nur noch 24 Stunden vor der Zugabfahrt erfolgen. Zuvor waren es 48 Stunden. Der Anspruch auf Unterstützung gilt in Fern- und in Regionalzügen.

Fahrradmitnahme verbessert

Ebenfalls verbessert wird der Anspruch auf Fahrradmitnahme in Fern- und Regionalzügen. Bahnunternehmen müssen per Internet über die aktuelle Zahl der Fahrradstellplätze und ihre Bedingungen für die Fahrradbeförderung informieren. Einschränkungen durch diese sind nur erlaubt:

  • aus Sicherheitsgründen oder betrieblichen Gründen
  • wegen Gewicht und Abmessungen der Fahrräder

Bei Anschaffung neuer Züge und umfangreicher Aufrüstung vorhandener Züge müssen Bahnunternehmen ab 7. Juni 2025 für eine angemessene Zahl an Fahrradstellplätzen sorgen. Diese sollen sie in Plänen festlegen. Verzichtet ein Bahnunternehmen darauf oder gibt keine Stellplatzzahlen an, muss jede Zugbildung laut Fahrgastrechte-Verordnung über mindestens vier Fahrradstellplätze verfügen. Die EU-Länder können zudem eine höhere Mindestzahl festlegen.

Keine Entschädigung mehr bei höherer Gewalt

Fahrgäste haben bei Zugausfall oder Verspätung Anspruch auf eine Entschädigung. Diese beträgt ab einer Stunde Verspätung am Zielbahnhof 25 Prozent des Fahrpreises. Ab zwei Stunden sind es 50 Prozent des Fahrpreises. Für Inhaber von Zeitkarten gibt es pauschale Entschädigungen. Für Inhaber eines Nahverkehrs-Zeitkarte, wie etwa des 49-Euro-Tickets, sind es 1,50 Euro ab 1 Stunde Verspätung. Bei Fernverkehrs-Zeitkarten sind es 5 Euro. Eine Auszahlung der Entschädigung erfolgt erst ab einem Betrag von 4 Euro.

Durch die Neuregelung sind diese Entschädigungszahlungen ab 7. Juni 2023 ausgeschlossen, wenn die Verspätung oder der Zugausfall auf höherer Gewalt beruht. Höhere Gewalt umfasst zufällige Ereignisse, die auch bei äußerster Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können. Beispiele dafür sind Naturkatastrophen, extremes Unwetter oder unvermeidbare Störungen durch Dritte wie etwa durch Notfälle. 

Allerdings ist höhere Gewalt ein unbestimmter Rechtsbegriff. Deshalb wird sich die Rechtsprechung künftig damit beschäftigen müssen, in welchen Fällen höhere Gewalt vorliegt. Mitarbeiterstreiks gelten hingegen als keine höhere Gewalt. Deshalb können Bahnreisende wie bisher auch künftig Entschädigungen für streikbedingte Verspätungen und Zugausfälle erhalten.

Auch bei höherer Gewalt müssen Bahnunternehmen jedoch wie bisher bestimmte Hilfeleistungen erbringen. Dazu zählen Verpflegung gestrandeter Fahrgäste und erforderlichenfalls auch die Ermöglichung der Übernachtung im Hotel. Letztere ist ab 7. Juni 2023 jedoch bei höherer Gewalt auf drei Übernachtungen begrenzt.

Ebenso muss wie bisher eine kostenlose Umbuchung möglich sein. Diese darf nach den neuen Fahrgastregeln auch das Bahnunternehmen durchführen.

Ab 7. Juni 2023 darf ein Bahnunternehmen einem Fahrgast zudem die Kostenübernahme für seine eigens organisierte Weiterreise mit anderen Bahn- und Busverkehrsanbietern verweigern. Entscheidend dafür ist jedoch, dass es den Fahrgast innerhalb von 100 Minuten nach der planmäßigen Abfahrt über die möglichen Angebote zur Weiterreise informiert.

Eigenheimförderung für Familien

Das Baukindergeld kehrt ab 1. Juni 2023 zurück mit einem neuen KfW-Programm. Dessen Name lautet „Wohneigentum für Familien“ (WEF 300). Vorgesehen ist eine Unterstützung durch zinsgünstige Kredite bis zu einem Betrag von 240.000 Euro.

Berechtigt sind Familien mit mindestens einem minderjährigen im Haushalt lebenden Kind und maximal 60.000 Euro zu versteuerndem Jahreseinkommen. Es darf für jedes weitere minderjährige Kind um 10.000 Euro höher ausfallen. Das ausgelaufene Baukindergeld darf die Familie jedoch nicht in Anspruch genommen haben. Zudem darf sie noch kein Wohneigentum besitzen.

Für das zu erwerbende Wohneigentum gelten folgende Anforderungen:

  • Neubau oder Erstkauf einer Immobilie mit mindestens Effizienzhaus-Stufe 40
  • Familie muss die Immobilie selbst bewohnen
  • Familie muss einen Miteigentumsanteil von mindestens 50 Prozent erwerben

Wichtig ist zudem, die Förderung rechtzeitig vor Baubeginn bzw. dem Erwerb der Immobilie zu beantragen.

Hinweisgeberschutzgesetz bald zu befolgen

Aktualisierung: Das Hinweisgeberschutzgesetz tritt am 2. Juli 2023 in Kraft und damit doch nicht mehr im Juni, wie noch bei der Erstveröffentlichung dieses Beitrags vermutet. Dennoch müssen viele Arbeitgeber schon bis zu diesem Zeitpunkt handeln.

Zuvor hat es lange gedauert, bis sich Bundestag und Bundesrat über dessen Inhalt geeinigt haben. Nach der sogenannten Whistleblower-Richtlinie der EU (Richtlinie (EU) 2019/1937), auf der das deshalb auch als Whistleblower-Gesetz bezeichnete Gesetz beruht, hätte dieses eigentlich schon bis Mitte Dezember 2021 existieren müssen.

Von den Regeln sind die meisten Unternehmen erst ab 50 Mitarbeitern betroffen. Diese Schwelle gilt jedoch nicht für die als sensibel eingestuften Bereiche Finanzdienstleistungen, Versicherungen, Gesundheitswesen und Energie sowie den öffentlichen Dienst.

Stellen mit mindestens 250 Mitarbeitern müssen das Hinweisgeberschutzgesetz bereits nach seinem Inkrafttreten beachten. Für private Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern gilt dagegen noch eine Umsetzungsfrist bis zum 17. Dezember 2023.

Meldestelle einzurichten

Vom Hinweisgeberschutzgesetz betroffene Unternehmen müssen eine interne Meldestelle einrichten. Für ein unternehmensinternes Meldesystem sind zuständige Mitarbeiter zu benennen. Diese müssen geeignet sein, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Erforderlichenfalls sind die Mitarbeiter zu schulen. Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern können eine gemeinsame Meldestelle mit anderen Unternehmen betreiben. Alternativ besteht die Möglichkeit, das interne Meldesystem von einem externen Anbieter betreiben zu lassen.

Neben der internen Meldestelle existieren externe Meldestelle bei bestimmten öffentlichen Stellen wie dem Bundesamt für Justiz. Hinweisgeber dürfen sich an eine interne oder externe Meldestelle wenden. Zwar sollen sie vorrangig die interne Meldestelle nutzen. Es ist jedoch kein Muss und hängt laut Gesetz davon ab, ob sie bereits Repressionen befürchten müssen. Die Wahrnehmung der Meldestelle ist dafür mitentscheidend.

An die Öffentlichkeit gehen sollten Hinweisgeber regelmäßig erst dann, wenn der Weg über die Meldestelle erfolglos war. Hierfür gelten folgende Fristen: Die interne Meldestelle muss dem Hinweisgeber den Erhalt seines Hinweises innerhalb von sieben Tagen bestätigen. Spätestens nach drei Monaten muss sie den Hinweisgeber über ergriffene Maßnahmen informieren.

Meldungen müssen mündlich, in Textform und persönlich möglich sein. Hinweisgeber müssen sie aber nicht zwingend anonym abgeben können. Dennoch sollen Meldestellen auch anonym erfolgte Hinweise bearbeiten. Ob anonym oder nicht anonym sind die Identität von Hinweisgebern: Die Hinweise und die Identität der von ihnen betroffenen Personen sind stets vertraulich zu behandeln.

Nicht alle Meldungen unterliegen jedoch dem Hinweisgeberschutz, sondern nur die im Hinweisgeberschutzgesetz genannten. Im Allgemeinen handelt es sich dabei um Verstöße gegen

  • strafrechtliche Vorschriften
  • Vorschriften, die dem Schutz von Leib, Leben oder Gesundheit dienen
  • Vorschriften, die dem Schutz von Beschäftigten oder ihren Vertretern dienen
  • EU-Regelungen wie insbesondere in den Bereichen Umweltschutz, Verbraucherschutz, Datenschutz, IT-Sicherheit, Vergaberecht und Geldwäschebekämpfung

Zwischen Hinweisgeber und der vom Hinweis betroffenen Stelle muss zudem ein beruflicher Zusammenhang bestehen.

Schutz für Hinweisgeber

Whistleblower schützt das Hinweisgeberschutzgesetz in verschiedener Weise. Repressalien infolge des Hinweises sind danach verboten. Abmahnungen, Kündigung und fehlende Beförderung sind nur einige der als Repressalien in Frage kommenden Nachteile. Erleidet der Hiweisgeber einen Schaden durch Repressalien, macht sich der Verursacher ihm gegenüber schadensersatzpflichtig. Hinweisgeber, die vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche Hinweise geben, können sich umgekehrt ebenfalls schadensersatzpflichtig machen.

Bei Repressalien wird zudem vermutet, dass diese aufgrund des Hinweises erfolgt sind. Behauptet ein Hinweisgeber deshalb, dass er wegen seines Hinweises Nachteile erlitten habe, muss der Arbeitgeber den fehlenden Zusammenhang beweisen. Nicht nur deshalb ist Vorsicht angebracht. Denn bei Verstößen gegen das Hinweisgeberschutzgesetz können auch Sanktionen drohen.

Bußgelder bis zu 50.000 Euro

Für Verstöße wie insbesondere eine fehlende interne Meldestelle sind Bußgelder von bis zu 20.000 Euro vorgesehen. Für Benachteiligungen von Hinweisgebern sind bis zu 50.000 Euro Bußgeld möglich. In den ersten sechs Monaten nach dem Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes sind die Sanktionen jedoch ausgesetzt.

Auskunftspflicht gegenüber Urhebern

Lizenzinhaber, die urheberrechtlich geschützte Werke entgeltlich nutzen, müssen ab dem 7. Juni 2023 aufpassen. Grund ist die ab diesem Zeitpunkt geltende Auskunftspflicht gegenüber Urhebern der lizenzierten Werke. Die Auskunftspflicht ist fortan jährlich zu erfüllen. Bei der nun erstmaligen Auskunft muss jedoch eine länger als ein Jahr in die Vergangenheit zurückreichende Mitteilung erfolgen. Maßgeblich dafür sind die Möglichkeiten und Branchengepflogenheiten.

Mitzuteilen ist einem Urheber der räumliche, zeitliche und inhaltliche Nutzungsumfang seiner Werke und die hieraus gezogenen Erträge und Vorteile von deren Lizenznehmer. Anders als bisher müssen Urheber ihre direkten Vertragspartner dazu nicht mehr auffordern. Die einfachere Kenntniserlangung über den Nutzungsumfang ihrer Werke soll es Urhebern erleichtern, ihren Anspruch auf eine angemessene Vergütung ihrer Werke geltend zu machen.

Damit die Auskunftspflicht besteht, müssen der dafür erforderliche Aufwand eines Lizenznehmers und die vom Urheber zu erlangenden Einnahmen jedoch verhältnismäßig sein. Ebenso darf der Beitrag eines Urhebers zu einem Werk nicht nachrangig sein. Mangels einer genaueren gesetzlichen Regelung wird erst die Rechtsprechung das Bestehen der Auskunftspflicht in diesen Fällen klären.

Auskunftsanspruch gegen Unterlizenznehmer

Neu ist auch ein Auskunftsanspruch, den Urheber gegenüber Unterlizenznehmern geltend machen können. Urheber können dazu von ihrem Vertragspartner Namen und Anschriften seiner Unterlizenznehmer und Erwerber von Nutzungsrechten verlangen. Voraussetzung für den Auskunftsanspruch gegen Unterlizenznehmer selbst ist jedoch, dass der Hauptlizenznehmer seiner Auskunftspflicht nicht ausreichend oder nicht spätestens drei Monate nach dem Stichtag nachkommt.

Wer die Auskunftspflicht mehreren gleich gelagerten Fällen nicht erfüllt, muss mit rechtlichen Schritten durch Urhebervereinigungen rechnen. Diese können Unterlassung und Auskunft verlangen.

Weitere Sammelklagemöglichkeit kommt

Aufgrund der EU-Verbandsklagerichtlinie muss Deutschland bis 25. Juni 2023 eine neue Sammelklagemöglichkeit für Verbraucher und kleine Unternehmen schaffen. Ihr offizieller Name lautet Abhilfeklage. Das ihr zugrundeliegende Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz muss der Gesetzgeber allerdings noch beschließen.

Die neue Abhilfeklage können qualifizierte Einrichtungen erheben. Zu ihnen zählen hierzulande insbesondere anerkannte Verbraucherverbände. Voraussetzung dafür ist, dass sich mindestens 50 Einzelkläger daran beteiligen. Zudem sollen sich weitere Kläger einer Abhilfeklage noch innerhalb einer bestimmten Frist nach dem ersten Verhandlungstermin anschließen können, die laut Gesetzentwurf zwei Monate beträgt.

Die neue Sammelklageart ist nicht mit der bereits seit November 2018 existierenden Musterfeststellungsklage zu verwechseln. Wesentlicher Unterschied zu dieser ist, dass ein Gericht im Zuge der Abhilfeklage zugleich konkret über die mit der Klage begehrte Leistung entscheidet. Demgegenüber trifft ein Gericht bei der Musterfeststellungsklage nur die Feststellung, dass bestimmte Tatsachen oder Rechtsfragen bestehen oder nicht bestehen. Beide Klagearten sollen für einen geringeren Bearbeitungsaufwand bei den Gerichten sorgen durch die Verringerung von Klagen einzelner Personen in entsprechenden Fällen.

Ob sie eine Abhilfeklage oder eine Musterfeststellungsklage erheben, sollen die klageberechtigten Einrichtungen entscheiden. Die Bundesregierung rechnet mit durchschnittlich 15 Abhilfeklagen pro Jahr, die zu 22.500 weniger Einzelklagen führen sollen.

Antragsfrist für Energiepauschale endet

Rentner, die noch keine Energiepauschale in Höhe von 300 Euro erhalten haben, können diese noch bis zum 30. Juni 2023 beantragen. Bis zu diesem Stichtag muss ihr persönlich unterschriebener Antrag schriftlich bei folgender Adresse eingehen:

Deutsche Renten­versicherung
Knappschaft-Bahn-See
44781 Bochum

KulturPass mit 200 Euro für 18-Jährige

Wer im Jahr 2023 18 Jahre alt wird, soll sich ab Mitte Juni für den KulturPass registrieren können. Erforderlich dazu sind die KulturPass-App und ein elektronischer Personalausweis, eine eID-Karte oder ein elektronischer Aufenthaltstitel.

Zusammen mit dem KulturPass erhält jeder Berechtigte einen Betrag von 200 Euro. Diesen können junge Erwachsene mittels der KulturPass-App für den Besuch von Konzerten, Kinos, Museen und Theater sowie für Bücher und Musik ausgeben. Zwei Jahre haben sie dafür Zeit. 

Lokale Anbieter entsprechender Kulturangebote können sich bereits seit Mai 2023 registrieren und ihre Angebote über die KulturPass-Seite zur Anzeige in der App mitteilen. 

Mehr Informationen zum KulturPass gibt es für KulturPass-Berechtigte wie für Anbieter von Kulturangeboten auf der Seite www.kulturpass.de.

(GUE)

Foto(s): ©Adobe Stock/sodawhiskey, ©Adobe Stock/Alrika

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