Gesperrte ASIN wegen Designverletzung bei Amazon: Wann macht eine Abmahnung auf Unterlassung und Freigabe der ASIN Sinn?

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Die Plattform Amazon ist schnell dabei, wenn ein Rechteinhaber die Verletzung eines Schutzrechtes bei einer ASIN meldet. Amazon stellt dafür das Formular „Mitteilung an Amazon.de über eine Rechtsverletzung“ zur Verfügung.


Aufgrund der deutschen Rechtsprechung ist Amazon im Falle der Meldung einer Rechtsverletzung eines Schutzrechtes verpflichtet, die ASIN unverzüglich zu sperren, anderenfalls würde Amazon selbst für die Rechtsverletzung haften.


Der betroffene Amazon-Händler erhält, sofern die Sperrung Amazon.de betrifft, eine E-Mail von Amazon mit dem Betreff


„Hinweis: Richtlinienwarnung“.


In dieser E-Mail wird der Händler darüber informiert, dass Angebote entfernt wurden, weil ein Rechteinhaber gemeldet hat, dass diese möglicherweise seine Rechte verletzen. Denkbar ist eine Verletzung von einem Urheberrecht, einem Markenrecht, einem Patent oder einem Design.


Amazon informiert ferner darüber, dass es die Möglichkeit gibt, einen „Widerspruch“ gegen die Sperrung einzulegen. In der Praxis gibt Amazon jedoch in der Regel die ASIN nur dann wieder frei, wenn der Rechteinhaber die Meldung widerruft. Der Widerruf muss dabei unter einer speziellen E-Mail-Adresse durch den Rechteinhaber erfolgen oder durch die Widerrufsfunktion in der Brand-Registry.


Amazon teilt ferner mit, dass ein Widerruf nur akzeptiert wird, wenn der Rechteinhaber eindeutig erklärt, dass er einen Fehler gemacht hat.


In der Richtlinienwarnung von Amazon sind dann die Kontaktdaten des Rechteinhabers angegeben, nämlich der Name und eine E-Mail-Adresse.


Es wird dann ferner die ASIN mit dem Titel aufgeführt und die Art der Rechteverletzung mit der Nummer des Rechts und ggf. einer Mitteilung des Rechteinhabers, die dieser im Rahmen der Meldung gemacht hat.


Um welches Recht geht es wirklich?


Häufig werden die Rechte, die zur Sperrung der ASIN führen, in der E-Mail nicht korrekt bezeichnet. Soweit z.B. von einem „Patent“ die Rede ist, handelt es sich nach unserem Eindruck selten tatsächlich um Patente, sondern vielmehr häufig um ein Design oder ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster.


Wie können Sie als Amazon-Verkäufer gegen eine unberechtigte Schutzrechtsverletzungsmeldung vorgehen?


Die Meldung einer Rechtsverletzung bei Amazon wird auch Infringement genannt.


Nach den Informationen von Amazon wird die ASIN nur dann wieder freigegeben, wenn der Rechteinhaber die Meldung ausdrücklich widerruft. Für eine Freigabe ist somit ausdrücklich der ganz konkrete Widerruf des Rechteinhabers notwendig.


Wenn die Schutzrechtsverletzungsmeldung unberechtigt ist, bestehen gute Chancen, dagegen im Wege einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung vorzugehen. In einer Abmahnung können nicht nur Unterlassungsansprüche geltend gemacht werden (es zu unterlassen, diese ASIN unter Bezug auf das Schutzrecht als Rechtsverletzung zu rügen). Es können auch Beseitigungsansprüche, nämlich der Widerruf der Verletzungsmeldung geltend gemacht werden. Effektiv lassen sich derartige Ansprüche durchsetzen, wenn der Rechteinhaber seinen Sitz in Deutschland hat.


Wird nach einer Abmahnung keine Unterlassungs- und Beseitigungserklärung abgegeben, besteht nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichtes Karlsruhe (OLG Karlsruhe, Az.: 6 U 1888/21) die Möglichkeit, Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche in einem einstweiligen Verfügungsverfahren durchzusetzen. In diesem Verfahren hatten wir von internetrecht-rostock.de einen Amazon-Händler vertreten, dessen ASINs gesperrt wurden.


Wichtig ist in diesem Zusammenhang der Zeitablauf: Wenn Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche (Widerruf) in einem gerichtlichen Eilverfahren, einer sogenannten einstweiligen Verfügung, geltend gemacht werden sollen, darf nicht so viel Zeit vergehen. In der Regel darf zwischen der Sperrung und dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung nicht mehr als 1 Monat vergehen. Dazwischen liegt noch die Abmahnung.


Wenn ein Amazon-Händler somit beabsichtigt, gegen eine Sperrung wettbewerbsrechtlich vorzugehen, sollte dies schnell geschehen.


Sperrung wegen Design- oder Gemeinschaftsgeschmacksmuster berechtigt?


Ein deutsches Design oder ein europäisches Gemeinschaftsgeschmacksmuster ist ein sogenanntes ungeprüftes Schutzrecht.


Vereinfacht gesagt, kann alles eingetragen werden beim DPMA oder EUIPO. Notwendig, damit tatsächlich eine Rechtsverletzung vorliegt, sind jedoch verschiedene Aspekte, die bei der Eintragung nicht geprüft werden. Zum einen muss das gesperrte Produkt natürlich überhaupt gegen das angemeldete Design oder Gemeinschaftsgeschmacksmuster verstoßen.


Sehr viel wichtiger sind jedoch die Schutzvoraussetzungen für ein Design bzw. ein Geschmacksmuster, die bei der Eintragung nicht geprüft werden. Die Rechtsbeständigkeit eines Designs oder Gemeinschaftsgeschmacksmusters ist davon abhängig, dass das Design neu ist und eine Eigenart aufweist.


Eigenart


Die Definition der Eigenart ergibt sich aus § 2 Abs. 3 DesignG bzw. Art. 6 GGF (Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung).


Eigenart liegt vor, wenn sich der Gesamteindruck, den das Design beim informierten Benutzer hervorruft, von dem Gesamteindruck unterscheidet, den ein anderes Design hervorruft, welches bereits zuvor veröffentlicht wurde. Eigenart bedeutet in diesem Zusammenhang Unterscheidbarkeit. Vereinfach gesagt, es muss etwas Besonderes sein. Dies hängt auch von der Gestaltungsfreiheit des Designers ab. Bei bestimmten Produkten, die einen Zweck erfüllen sollen, ergibt sich eine Formgestaltung bereits aus den technischen Anforderungen. Es kann ferner darauf ankommen, wie viele ähnlich gestaltete Produkte es bereits auf dem Markt gibt.


Daran fehlt es häufig: Neuheit


Die Rechtsbeständigkeit eines Designs scheitert nach unserem Eindruck häufig an der sogenannten Neuheit.


Ein Muster ist neu, wenn vor dem Anmeldezeitpunkt kein anderes Muster, dass sich nur in unwesentlichen Einzelheiten unterscheidet, offenbart wurde. Entscheidend ist hier das Datum der Eintragung. Zu diesem Zeitpunkt darf es kein ähnliches oder identisches Design geben. Die Frage der Neuheit ist häufig der Aspekt, an dem die Rechtswirksamkeit eines Designs scheitert.


Wenn der Mitteilung von Amazon die Nummer des Designs oder des Geschmacksmusters (dort häufig als Patentnummer angegeben) angegeben wird, empfiehlt es sich zunächst im Register zu schauen, wie das Design überhaupt aussieht. Dies ist beim DPMA z.B. hier möglich



Neuheitsschädliche Vorveröffentlichungen im Internet


Inwieweit es neuheitsschädliche Vorveröffentlichungen gibt, d.h. Vorveröffentlichungen vor dem Anmeldetag des Designs, lässt sich über eine Internetrecherche relativ leicht feststellen.


Ein erster Schritt ist, zu schauen, welche ähnlichen oder gleichaussehenden Produkte es eigentlich auf der Plattform Amazon.de gibt. Bei den Produktmerkmalen ist bei Amazon in der Regel angegeben, seit wann das Produkt bei Amazon.de angeboten wird. Dies kann ein erstes Indiz dafür sein, dass es eine neuheitsschädliche Vorveröffentlichung gab. Zudem, so unser Eindruck, ist es in der Praxis so, dass es einen Hersteller in Asien gibt, der ein Produkt schon seit länger Zeit herstellt, zum Teil melden die Importeure dann sehr viel später ein Design an, welches zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht mehr neu ist.


Bildersuche nutzen


Eine weitere Option, um neuheitsschädliche Vorveröffentlichungen zu finden, ist eine Bildersuche über Tools oder Suchmaschinen. Als Bezugsbild sollte man zum einen das Produktbild des Rechteinhabers bei Amazon verwenden und natürlich auch die Bilddarstellung im Design bzw. Geschmacksmuster. Es ist darauf zu achten, dass das Bild ausschließlich das Design zeigt und zwar am besten in der Form, wie es in der Anmeldung dargestellt ist.


Dies kann entweder über die Google-Bilder-Suche geschehen oder Software oder Plugins von anderen Anbietern.


Grundsätzlich geht es immer darum, dass nachgewiesen wird, ab wann ein bestimmtes Produktbild online ist.


Designverletzung, Eigenart und Neuheit des Designs fachkundig prüfen lassen


Die Frage, ob überhaupt eine Designverletzung vorliegt, ob das angemeldete Design Eigenart hat und ob eine Vorveröffentlichung neuheitsschädlich ist, ist häufig komplex. In derartigen Fällen empfehlen wir eine Begutachtung durch einen Patentanwalt. Ein Patentanwalt ist auf diesen Bereich spezialisiert. Es bietet sich ggf. an, einen Patentanwalt mit der Löschung des Designs aufgrund neuheitsschädlicher Vorveröffentlichungen zu beauftragen.


Wir beraten oder vertreten Sie bei der Sperrung Ihrer ASIN aufgrund einer Richtlinienwarnung.


Zu mir und meiner Tätigkeit:

Ich berate als Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz in meiner Kanzlei Internetrecht-Rostock.de seit vielen Jahren Internethändler.

Die Kanzlei Internetrecht-Rostock.de informiert auf ihrer gleichnamigen Internetseite seit mehr als 20 Jahren mit inzwischen über 3.000 Beiträgen über Themen für Online-Händler und berät eine Vielzahl von Online-Händlern bei der Absicherung ihrer Auftritte.


Ich berate Sie bundesweit auch kurzfristig telefonisch. Im Rahmen meiner Beratung erörtere ich mit Ihnen die Rechtslage und die verschiedenen Handlungsalternativen mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen. Selbstverständlich erhalten Sie von mir auch konkrete Empfehlungen für das weitere Vorgehen.  


Wurde Ihrer ASIN bei Amazon aufgrund einer Richtlinienwarnung gesperrt?


Wenn Ihrer ASIN aufgrund einer Richtlinienwarnung oder einer Schutzrechtsverletzungsmeldung bei Amazon gesperrt wurd, können Sie sich über die angegebenen Kontaktdaten unkompliziert mit mir in Verbindung setzen:


  • Rufen Sie mich einfach an (Tel. 0381-260 567 30).



  • Oder lassen Sie mir über die Funktion „Nachricht senden“ eine Mitteilung zukommen.



Johannes Richard
 Rechtsanwalt
 Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz



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