Gleicher Lohn für gleiche Arbeit - Bundesarbeitsgericht und EU-Recht sichern diskriminierungsfreie Bezahlung für Alle

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Die Lohngerechtigkeit zwischen den Geschlechtern ist in Deutschland auch 2023 ein erhebliches Problem. Erst Ende Januar 2023 hat das Statistische Bundesamt mitgeteilt, dass der so genannte „Gender Pay Gap“ in Deutschland bei 18 Prozent liegt. Damit ist Deutschland europaweit eines der Schlusslichter bei der Lohngerechtigkeit.

Frauen verdienen mit durchschnittlich 20,05 Euro pro Stunde 4,31 Euro weniger als Männer (24,36 Euro). Begründet wird dies damit, dass Frauen häufiger in prekären Beschäftigungsverhältnissen und in Teilzeit arbeiten, um Angehörige zu pflegen. Der bereinigte Gender Pay Gap, bei dem Unterschiede in Qualifikation, Ausbildung und Alter herausgerechnet werden, beträgt jedoch immer noch sieben Prozent.


Neue Entscheidung des BAG räumt häufige Ausrede der Arbeitgeber aus

Doch das Bundesarbeitsgericht hat mit einer Entscheidung eine Rechtsprechung auf den Weg gebracht, die auch in Deutschland gleichen Lohn für gleiche Arbeit endlich Realität werden lassen könnte. Nach den bereits wichtigen Urteilen aus den Jahren 2020 (Urteil vom 25.06.2020, Az. 8 AZR 145/19) und 2021 (Urteil vom 21.01.2021, Az. 8 AZR 488/19) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit seinem Urteil vom 16.02.23 die Konturen des Entgelttransparenzgesetzes (EntgTranspG) weiter geschärft und klargestellt, dass Verhandlungsgeschick allein kein geeignetes sachliches Kriterium ist, um eine ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen zu rechtfertigen (Az. 8 AZR 450/21).

Die Klägerin erhielt deshalb vom BAG 14.500,00 Euro Lohnnachzahlung und eine zusätzliche Entschädigung von 2000,00 Euro zugesprochen. Dazu kommt der Anspruch auf gleichen Lohn mit Wirkung für die Zukunft.

Seit 1949 steht es im Grundgesetz, heute ist es endlich in der Arbeitswelt angekommen: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Ich widme diesen Erfolg meinen beiden Töchtern und stellvertretend allen Frauen in Deutschland. Seid mutig, seid laut und lasst euch niemals die Butter vom Brot nehmen!

– Susanne Dumas, Erfolgreiche Klägerin vorm Bundesarbeitsgericht

EU-Gesetzgeber weitet Rechte der Arbeitnehmer:innen weiter aus

Flankierend zur jüngsten Entscheidung des BAG werden Arbeitnehmer:innenrechte auch dadurch gestärkt, dass der EU-Gesetzgeber mit der Entgelttransparenz-Richtlinie („Richtlinie zur Stärkung der Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durch Lohntransparenz und Durchsetzungsmechanismen“), die voraussichtlich noch im Jahr 2023 erlassen werden wird, Arbeitnehmer:innen umfassende Auskunftsrechte zugesteht. Die Richtlinie räumt Arbeitnehmer:innen unter anderem das Recht ein, von ihrem Arbeitgeber Auskunft über ihr individuelles und die durchschnittlichen Einkommen der Arbeitnehmer:innen zu verlangen, die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten und dies aufgeschlüsselt nach Geschlecht und Gruppen von Arbeitnehmer:innen. Damit wird künftig jede/r Arbeitnehmer/in eine Auskunft darüber erlangen können, welches Durchschnittsgehalt für seine Position im Unternehmen gezahlt wird.

Bisherige Regelung war nach Expertenansicht unzureichend

Die EU-Regelung wird von Arbeitsrechtler:innen sehr begrüßt, da das bisherige Auskunftsrecht erst ab einer Betriebsgröße von mindestens 200 Mitarbeiter:innen greift. Dadurch waren gerade Kleinbetriebe und kleine Unternehmen, in denen die Geschlechtergerechtigkeit beim Entgelt oft noch nicht vollzogen ist, einer Auskunftsverpflichtung entzogen. Dies wird sich nach Umsetzung der EU-Richtlinie ändern.

Verhandlungsposition für Arbeitnehmer:innen bereits jetzt stark verbessert

Bereits jetzt muss Arbeitnehmer:innen aus anwaltlicher Sicht geraten werden, sich um eine Auskunft und eventuell Lohnangleichung bei vermuteter Benachteiligung zu bemühen. Denn unabhängig davon, ob Ihr Unternehmen mehr als 200 Mitarbeiter:innen beschäftigt, hat sich durch die Urteile des BAG und die Verabschiedung der Entgelttransparenz-Richtlinie die Verhandlungsposition für Arbeitnehmer:innen stark verbessert.

Klar ist: Arbeitgeber müssen davon ausgehen, dass künftig alle ihre Mitarbeiter:innen gehaltsbezogene Auskunftsansprüche gegen sie besitzen. Dann wäre es schon aus Gründen der Mitarbeiterbindung, die in Zeiten des Fachkräftemangels immer größere Bedeutung gewinnt, unvernünftig, eine Auskunft Stand heute kategorisch zu verweigern. Vielmehr werden viele Arbeitgeber bereits jetzt offen für Auskünfte und Verhandlungen sein.

Daher raten wir dazu, schon jetzt tätig zu werden und mit dem Arbeitgeber in Dialog zu treten. Hierbei kann gerade eine professionelle anwaltliche Beratung und Begleitung helfen, eine einvernehmliche Lösung bei der Lohnangleichung zu erzielen. Und wenn dies keinen Erfolg haben sollte, stehen auch die Chancen einer gerichtlichen Geltendmachung besser denn je.


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