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Grundsatzurteil des BSG zur Rente wegen Erwerbsminderung bei vollschichtigem Leistungsvermögen

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Eine Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 Sozialgesetzbuch (SGB) VI können Versicherte beantragen, die wegen Krankheit oder Behinderung außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Streitpunkt in den Verfahren auf Rente wegen Erwerbsminderung ist regelmäßig die Frage, welche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch möglich sind. Dabei wird von der Deutschen Rentenversicherung stets auf Berufe verwiesen, die im Alltag kaum vorkommen (z. B. Gerätezusammensetzer). Es stellte sich in den Verfahren auf Rente wegen Erwerbsminderung daher zunehmend die Frage, ob im heutigen Arbeitsalltag mit stetig anwachsender Digitalisierung noch auf einfache Helfertätigkeiten verwiesen werden kann.

Zur Frage einer Rente wegen Erwerbsminderung bei einem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten hat das Bundessozialgericht (BSG) mit Urt. v. 11.12.2019 – B 13 R 7/18  wie folgt entschieden:

„(…) Arbeitsplätze, auf denen ungelernte körperlich leichte Tätigkeiten zu erbringen sind, sind nicht generell "unüblich"; insoweit gilt weiter, dass der Katalog zur Verschlossenheit des Arbeitsmarktes nicht um eine solche Fallgruppe erweitert werden kann. Vom praktisch gänzlichen Fehlen von Arbeitsplätzen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, die nur mit leichten körperlichen und geistigen Anforderungen verknüpft sind, kann derzeit nicht ausgegangen werden, auch nicht aufgrund der Digitalisierung oder anderer wirtschaftlicher Entwicklungen. (…)“

Ergänzungen des Experten für Rentenrecht:

Das BSG hat zunächst klargestellt, dass die aktuelle Praxis der Deutschen Rentenversicherung rechtmäßig ist. Es kann weiterhin auf „exotische“ Berufe verwiesen werden, ohne dass konkret und individuell geprüft werden muss, ob dieser Beruf in ausreichender Zahl in Deutschland noch angeboten werden. Damit wird der jüngeren Tendenz der Sozialgerichte eine Absage erteilt. Jedoch hat das BSG seine Rechtsprechung auch in einem wesentlichen Punkt fortentwickelt. Danach müssen die Sozialgerichte genauer als bisher prüfen, welche Erwerbschancen der Einzelne auf dem Arbeitsmarkt mit seinen individuellen Beeinträchtigungen noch hat. Der früheren starren Anwendungen der Fälle zur „Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen“ oder „schweren spezifischen Leistungsbehinderung“ hat das BSG eine Absage erteilt. Das BSG will diese Fälle nunmehr als Vergleichsmaßstab heranziehen. Die frühere Auffassung einer abschließenden Aufzählung dieser Seltenheitsfälle ist damit überholt.

Es wird fachkundige Unterstützung von spezialisierten Anwälten dringend angeraten.

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