Haftung von Pflegeeinrichtungen bei Verletzung von Obhuts- und Verkehrssicherungspflichten

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Krankheit sowie geistige und körperliche Behinderung können die Fähigkeit, Gefahren richtig einzuschätzen oder sich aus diesen befreien zu können, beeinträchtigen. So kommt es z. B. immer wieder zu Verbrühungen beim Baden oder Duschen oder zu Verletzungen in Folge von Stürzen. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob und inwieweit den Betroffenen im Einzelfall Schadenersatzansprüche wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht bzw. der vertraglichen Obhutspflicht des Betreibers eines Heimes oder eines Krankenhauses zustehen.

Vertragliche und deliktische Haftung des Trägers

Dem Träger eines Heimes erwachsen aufgrund des Heimvertrages vertragliche Obhutspflichten zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit der ihm anvertrauten Heimbewohner. Daneben besteht inhaltsgleich eine allgemeine Verkehrssicherungspflicht der Bewohner vor Schädigungen, welche den Bewohnern wegen Krankheit oder einer sonstigen körperlichen oder geistigen Einschränkung durch sie selbst bzw. durch die Einrichtung und bauliche Gestaltung des Heimes drohen. Kommt der Träger dieser Verpflichtung nicht nach und kommt es hierdurch zu einem Schaden eines Bewohners, so kann dies einen Schadensersatzanspruch des Betroffenen begründen.

Umfang der Schutzpflicht

Die Obhuts- und Verkehrssicherungspflicht ist dabei auf die in Heimen üblichen Maßnahmen begrenzt, die mit einem vernünftigen finanziellen und personellen Aufwand realisierbar sind. Entscheidend ist, welche Schutzmaßnahmen geeignet und erforderlich sowie für das Pflegepersonal als auch die betroffenen Heimbewohner zumutbar sind (BGH 28.04.2005 – Az.: III ZR 399/04). Eine Maßnahme ist geeignet, wenn sie eine taugliche Schutzmaßnahme darstellt. Erforderlich ist sie, wenn sie von mehreren gleichermaßen geeigneten Maßnahmen diejenige darstellt, die am wenigsten in die Rechte des Heimbewohners eingreift. Der konkrete und zumutbare Umfang der Schutzpflicht des Wohnheimes ist stets unter Berücksichtigung der Menschenwürde und des Selbstbestimmungsrechts des Betreffenden, insbesondere dessen Freiheitsrecht, zu bestimmen. 

So sind die Heimbewohner zwar einerseits vor Gefährdungen zu schützen, andererseits soll ihnen ungeachtet ihrer gesundheitlichen Einschränkungen ein so würdevolles und eigenständiges Leben wie möglich verbleiben. Es bedarf daher stets einer Abwägung im Einzelfall. Dabei gilt, je größer die Gefährdung und das hiermit verbundene Verletzungsrisiko ist, umso größer sind auch die Anforderungen an die Obhuts- und Verkehrssicherungspflicht. Auf der anderen Seite gilt, dass je stärker der Eingriff in die Würde, das Selbstbestimmungsrecht und Freiheitsrecht des Betroffenen ist, umso höhere Anforderungen sind an die Zulässigkeit einer Maßnahme zu stellen. So ist z. B. eine Fixierung, die stets eine freiheitsentziehende Maßnahme darstellt, grundsätzlich nur mit der Einwilligung des Betreffenden zulässig. Ist der Betreffende nicht einwilligungsfähig, so ist eine Fixierung nur zur Abwendung akuter Gefahren, denen nicht mit weniger einschränkenden Maßnahmen begegnet werden kann, auf schriftliche Anordnung des Arztes erlaubt, wenn sich die Fixierung nicht über einen längeren Zeitraum erstrecken und regelmäßig entzogen werden soll. Ansonsten bedarf es eines richterlichen Beschlusses.

Auch DIN-Normen sind zu berücksichtigen

Bei der Abwägung sind auch DIN-Normen zu berücksichtigen. Dies entschied der BGH (Bundesgerichtshof) in seinem Urteil vom 22.08.2019 – Az.: III ZR 113/18. DIN-Normen haben zwar keine normative Geltung, geben jedoch den Stand der allgemein anerkannten Regeln der Technik wieder, sodass sie in der Regel zur Feststellung vom Inhalt und Umfang bestehender Verkehrssicherungspflichten herangezogen werden können. Der Heimträger muss daher, insoweit dies mit einem vernünftigen finanziellen und personellen Aufwand möglich und für die Heimbewohner sowie das Pflege- und Betreuungspersonal zumutbar ist, nach seinem Ermessen entweder die Empfehlungen der DIN-Norm umsetzen oder aber die erforderliche Sicherheit gegenüber der dieser Norm zugrunde liegenden Gefahr auf andere Weise gewährleisten, um Schäden der Heimbewohner zu vermeiden. 

Beispiele von Schutzpflichtverletzungen

Eine Verletzung der Obhuts- bzw. Verkehrssicherungspflicht wurde insbesondere in folgenden Fällen angenommen:

  • Verwirklichung eines voll beherrschbaren Risikos, wie bei Bewegungs- und Transportmaßnahmen,
  • erkennbare Gefahr einer Selbsttötung im psychiatrischen Krankenhaus,
  • Verbrühung durch eingelassenes Wasser trotz der zumutbaren Möglichkeit des Einbaus einer Temperaturbegrenzung.

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