Hahnenschrei in Wohngebieten darf max. 60 dB(A) nicht überschreiten

  • 8 Minuten Lesezeit


Das Amtsgericht hat zutreffend festgestellt, dass in der Zeit von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr durch das Krähen der Hähne der Beklagten eine wesentliche Beeinträchtigung des Grundstücks des Klägers vorliegt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben (§ 906 Abs. 1 S. 2 BGB). Dies entbindet den Tatrichter aber nicht von der Würdigung der Einzelfallumstände unter Berücksichtigung des Empfindens eines verständigen Menschen (LG Bad Kreuznach Urteil vom 15.1.2019 - 1 S 83/18, BeckRS 2019, 134). Maßstab für die Beurteilung der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung ist das wandelbare, das heißt auch vom jeweiligen Umweltbewusstsein geprägte Empfinden eines Durchschnittsbenutzers des betroffenen Grundstücks in seiner durch Natur, Gestaltung und Zweckbestimmung geprägten konkreten Beschaffenheit. Für ein Wohngrundstück ist maßgebend, ob das Wohnen an Annehmlichkeit verliert und der Grundstückswert dadurch gemindert ist (LG München, NJW-RR 1989, 1178). Das Hahnenkrähen ist von kurzzeitigen Impulsen mit hoher Frequenz gekennzeichnet, die im Vergleich zu Dauergeräuschen als wesentlich lästiger empfunden werden. Es ist daher neben der Lautstärke insbesondere zu berücksichtigen, dass durch das periodische Krähen des Hahnes sich bei dem Gestörten eine Erwartungshaltung (ein Erwartungseffekt) einstellt, aus der heraus die plötzlichen und schrillen Töne des Krähens als besonders lästig empfunden werden. Regelmäßig sind Lärmstörungen durch Hahnenkrähen geeignet, bei den Betroffenen unmittelbar gesundheitliche Gefahren wie Schlafstörungen herbeizuführen (VG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 5. Oktober 2022 - 5 L 270/22). Es ist anerkannt, dass nächtliches Hahnenkrähen störend ist, da es die zur Gesundheit unabdingbar erforderliche Nachtruhe unterbricht (OLG Hamm Urteil vom 11.4.1988 - 22 U 265/87, BeckRS 1988, 2570). Im zu beurteilenden Sachverhalt kräht der Hahn bzw. krähen die Hähne der Beklagten mehrfach in der Nachtzeit vor allem in den Morgenstunden vor 6:00 Uhr. Der Sachverständige hat festgestellt, dass in der Zeit zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr vor dem Kinderzimmerfenster des klägerischen Anwesens ein Maximalpegel von 65 dB (A) und vor der Schlafzimmerbalkontür ein Pegel von maximal 64 dB (A) erreicht wird. Soweit der Beklagtenvertreter die Messmethode des Sachverständigen angegriffen hat mit der Begründung, es handele sich bei den für die Nachtzeit ermittelten Wert lediglich um eine Hochrechnung der tagsüber gemessenen Werte, vermag dies am Ergebnis nichts zu ändern. Der Sachverständige hat hierzu in der Sitzung vor dem Amtsgericht vom 07.11.2022 auf Frage des Beklagtenvertreters Stellung genommen; er führte aus, dass es sich bei der Hochrechnung um eine zuverlässige Beurteilungsmethode handele und er üblicherweise so vorgehe. Dem schließt sich die Kammer nach eigener Überprüfung an. Nach der TA Lärm (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm) sind nachts in einem allgemeinen Wohngebiet, in dem sich die Grundstücke der Parteien unstreitig befinden, grundsätzlich nur Geräuschemissionen von 40 dB (A) zulässig. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen die lmmissionsrichtwerte in der Nacht um nicht mehr als 20 dB (A) überschreiten dürfen. Man kann schon Zweifel haben, ob das vor allem in den Morgenstunden dauerhaft, vermehrt und periodisch auftretende Krähen von Hähnen als kurzzeitige Geräuschspitzen zu qualifizieren ist oder nicht vielmehr aufgrund der Häufigkeit schon als Dauergeräusch empfunden wird. Aber selbst wenn man kurzzeitige Geräuschspitzen unterstellen will, wird mit den vom Sachverständigen ermittelten Werten von 64 (Schlafzimmer) bzw. 65 dB (A) (Kinderzimmer) auch der für Geräuschspitzen in der Nachtzeit (zwischen 22:00 und 6:00 Uhr) der nach TA Lärm zulässige Maximalpegel von 60 dB (A) überschritten. Die Kammer hat nach alledem keinen Zweifel, dass der Maximalpegel in den Nachtstunden durch das Hahnenkrähen überschritten ist. Aber es werden vorliegend nicht nur die zulässigen Grenzwerte überschritten. Vielmehr beeinträchtigen die Gesamtumstände - unter Würdigung der Einzelfallumstände unter Berücksichtigung des Empfindens eines verständigen Menschen (BGH, NJW 2004, 1317) - die Annehmlichkeit des Wohnens in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Beklagten deutlich. Ein Hahn kräht bekanntlich zu unterschiedlichen, nicht vorher bestimmbaren Tages- und - worum es hier ausschließlich geht - Nachtzeiten. Der Tierlaut stellt einen kurzfristigen Lärmimpuls dar, der im Vergleich zu einem Dauergeräusch als wesentlich beeinträchtigender empfunden wird. Hinzu kommt, dass die Kläger auch nachts im allgemeinen Wohngebiet in Geräuschspitzen deutlich - nämlich um 20 dB (A) - höhere Maximalwerte hinnehmen müssen, als bei Dauergeräuschen. Aufgrund der Besonderheiten des Hahnenkrähens, der als plötzlicher und schriller Ton wahrgenommen und damit als besonders lästig empfunden wird, ist jedenfalls bei Lautstärken in der Nacht, die über 60 dB (A) liegen, von einer wesentlichen Beeinträchtigung des klägerischen Grundstückes durch den Lärm vom Grundstück der Beklagten auszugehen. 2. Die Ausführungen des Amtsgerichts hinsichtlich der dem Kläger nach § 906 Abs. 2 BGB obliegenden Duldungspflicht halten den Angriffen der Berufung nicht stand. Zwar hätte der Kläger selbst wesentliche Einwirkungen bei Ortsüblichkeit zu dulden, wenn die Beklagten darlegen und beweisen können, dass die Einwirkung nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Nutzern dieser Art wirtschaftlich unzumutbar sind, § 906 Abs. 2 S. 1 BGB. Die Kammer ist der Auffassung, dass im konkreten Fall den Beklagten Maßnahmen zur Eindämmung der Lärmemissionen durch das Hahnenkrähen wirtschaftlich zumutbar sind. Unter wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen iSd § 906 Abs. 2 S. 1 BGB sind alle technischen Einrichtungen sowie betriebswirtschaftlichen Möglichkeiten zu verstehen, die die Beeinträchtigung unter die Schwelle der Wesentlichkeit herabsetzen, und zwar aufgrund auch insoweit differenziert-objektiven Maßstabs ("Benutzer dieser Art") ohne Rücksicht auf die individuelle Leistungsfähigkeit des Benutzers (MüKo BGB/Brückner, 9. Aufl., § 906 Rn. 102 m.w.N.). Gemessen hieran ist es den Beklagten durchaus zumutbar, den Hühnerstall auf eine Art und Weise nachzurüsten, dass die von den Hähnen ausgehenden Lärmemissionen den Maximalpegel von 60 dB (A) nachts nicht überschreiten, wobei es den Beklagten im Übrigen unbenommen bleibt, andere - gleich wirksame - Maßnahmen zu ergreifen. Der Sachverständige führte in seiner mündlichen Anhörung in der Sitzung vom 07.11.2022 vor dem Amtsgericht aus, dass diverse Möglichkeiten bestünden, um die Lärmemissionen zu reduzieren. Der Sachverständige bezifferte die Maßnahmen zur Verbesserung des Schallschutzes mit Kosten in Höhe von 3.000,00 Euro bis 4.000,00 Euro. Dieser Betrag erscheint, nachdem die Beklagten dargelegt haben, dass der Hühnerstall bereits schallisoliert sei, eher hoch gegriffen. Aber selbst wenn man diesen Betrag unterstellen wollte, ist die Aufwendung dieses Betrages für die Beklagten wirtschaftlich zumutbar. Auch in Anbetracht der Tatsache, dass die Beklagten die Hähne nur hobbymäßig halten, ist die Investition eines Betrags von 3.000,00 Euro bis 4.000,00 Euro angemessen und kann von den Beklagten verlangt werden. Vor dem Hintergrund, dass die Beklagten sich nach freier Entscheidung mittlerweile insgesamt drei Hähne - so die nicht angegriffenen tatbestandlichen Feststellungen aus dem erstinstanzlichen Urteil - und etliche Hennen angeschafft haben, erscheinen damit offensichtlich notwendig werdende Maßnahmen zur Lärmreduzierung für die betroffenen Nachbarn, die mit einem Kostenaufwand im niedrigen bis mittleren vierstelligen Bereich verbunden sind, in jedem Fall verhältnismäßig. Auch in ländlich geprägten Gebieten kann nicht mit dem pauschalen Hinweis, dass die Tierhaltung lediglich hobbymäßig erfolge und dass damit Lärmschutzmaßnahmen, die über einem gedachten Liebhaberwert liegen würden, unverhältnismäßig seien, jeglicher Lärmschutz ausgehebelt werden. Auch in ländlichen Bezirken muss diesbezüglich eine sorgfältige Abwägung erfolgen: es ist somit das Interesse des Grundstückseigentümers an der möglichst umfassenden Nutzung seines Grundstücks gegen die gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die durch ein Grundstück, von dem Lärm herrührt, verursacht werden, abzuwägen. Bei der festgestellten Lautstärke und den gerade in den Morgenstunden deutlich zunehmenden, den Schlaf jeweils unterbrechenden Störungen der Nachtruhe - mit allen bekannten gesundheitlichen Nachteilen - misst die Kammer den gesundheitlichen Belangen des Klägers höhere Bedeutung als dem Wunsch der Beklagten, ihre lieberhabermäßig betriebene Hühnerzucht mit Hähnen ungestört auszuüben, zu. Hinzu kommt, dass im vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt der vom Grundstück der Beklagten ausgehende Lärm nicht nur als störend empfunden werden kann, sondern auch gegen eine Verwaltungsvorschrift (TA Lärm) verstößt. Hierbei handelt es sich um eine allgemeine Verwaltungsvorschrift, die dem Schutz u.a. der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche dient (Nr. 1 TA Lärm). Dies führt nach Auffassung der Kammer dazu, dass den Beklagten erhöhte Maßnahmen wirtschaftlich zumutbar sein müssen, als bei "lediglich" störendem Nachtlärm, der aber noch innerhalb der durch den Gesetzgeber vorgesehenen Maximalwerten liegt. Die Kammer hält es daher im Hinblick auf die drohenden gesundheitlichen Risiken für den Kläger und seine Familie, für zumutbar, dass die Beklagten auch einen Betrag in Höhe von 3.000,00 Euro bis 4.000,00 Euro aufwenden, um die erforderliche Schallisolierung für den nächtlichen Aufenthalt der Hähne in dem Stall zu erzielen. Soweit das Vorhandensein einer wirtschaftlich zumutbaren Abhilfemaßnahme vom Landgericht Koblenz (Urteil vom 19.11.2019 - 6 S 21/19, BeckRS 2019, 43894 Rn. 17) und vom Landgericht Kleve (Urteil vom 17.01.1989 - 6 S 311/88, BeckRS 1989, 112933) ohne substantielle Ausführungen und ohne Angabe der Kosten, die für die Nachrüstungsarbeiten erforderlich wären, abgelehnt worden ist, folgt die Kammer dem nicht, zumal dort jeweils gerade kein Verstoß gegen die TA Lärm festgestellt und der Entscheidung zugrunde gelegt wurde. Es ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, dass der Kostenaufwand für die schallisolierende Nachrüstung des Stalls das Ende privater Kleintierhaltung zur Folge hätte. 3. Auf die Frage, inwieweit das Halten von Hähnen in ... ortsüblich ist und wie viele Hähne in der unmittelbaren Nachbarschaft der Parteien gehalten werden, kommt es nicht an. Denn der Kläger hätte die Lärmemissionen nur zu dulden, wenn die beiden Voraussetzungen des § 906 Abs. 2 S. 1 BGB - also ortsübliche Beeinträchtigung und Beseitigung der Beeinträchtigung ist unwirtschaftlich - kumulativ vorliegen würden. Dies ist - wie unter Ziffer 2. ausgeführt - nicht der Fall. III. Soweit die Kammer vom Antrag der Kläger in zweiter Instanz abgewichen ist, handelt es sich nicht um eine Zurückweisung der Berufung, sondern um eine Auslegung des klägerischen Antrages. Der Kläger beantragte die Unterlassung der Lärmemission, die vom Grundstück der Beklagten ausgeht, ohne das Grundstück näher zu bezeichnen. Aufgrund der Begründung des Antrages (zweigliedriger Streitgegenstand) besteht kein Zweifel, dass der Lärm vom Nachbargrundstück, also von ... ausgeht. Damit ist der klägerische Antrag der Auslegung zugänglich, so dass die Kammer das Grundstück der Beklagten, von dem der Lärm ausgeht, näher bezeichnen konnte und zur Erlangung eines vollstreckungsfähigen Inhalts auch musste. ChatGPT Der Text behandelt einen Rechtsfall, in dem das Krähen von Hähnen in der Nacht als wesentliche Beeinträchtigung des Grundstücks des Klägers angesehen wird. Die Beeinträchtigung übersteigt die gesetzlichen Lärmgrenzwerte und kann gesundheitliche Risiken wie Schlafstörungen mit sich bringen. Der Sachverständige stellte fest, dass der Lärmpegel zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr deutlich über den zulässigen Grenzen liegt. Das Gericht betont, dass die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung nicht nur an gesetzlichen Grenzwerten gemessen werden kann, sondern auch an den individuellen Umständen und der subjektiven Wahrnehmung. Die Kammer ist der Ansicht, dass Maßnahmen zur Eindämmung des Lärms für die Beklagten wirtschaftlich zumutbar sind, insbesondere da die Kosten für die Lärmdämmung zwischen 3.000 und 4.000 Euro liegen. Selbst in ländlich geprägten Gebieten kann nicht pauschal argumentiert werden, dass Lärmschutzmaßnahmen unverhältnismäßig seien. Das Gericht hält daher die Beeinträchtigungen für wesentlich und wirtschaftlich vermeidbar. Es gibt keinen Grund, warum der Kläger die Lärmbelästigung dulden sollte.

Foto(s): Udo Kuhlmann


Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Udo Kuhlmann

Beiträge zum Thema