Hilfsmittel zum Ausgleich einer Behinderung – Krankenkassen beachten den Teilhabeaspekt nicht

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"Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Absatz 4 SGB V ausgeschlossen sind."

So steht es im Gesetz, aber die Ansichten darüber, was ein Hilfsmittel ist bzw. wozu es dienen soll, gehen zwischen Versicherten und Krankenkassen oftmals weit auseinander. Vor allem, wenn es um den Behinderungsausgleich geht. Hier hat sich in den letzten Jahren einiges getan.

Behinderungsausgleich: Mittelbar oder unmittelbar?

Seit jeher wird in der Rechtsprechung zwischen mittelbarem und unmittelbaren Behinderungsausgleich unterschieden:

Erläutert am Beispiel eines amputierten Beins: Im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs ist der Leistungsanspruch auf den vollständigen funktionalen Ausgleich der Behinderung gerichtet. Damit steht der unmittelbare Ausgleich der ausgefallenen natürlichen Funktionen im Vordergrund (durch eine Prothese).

Im Bereich des mittelbaren Behinderungsausgleichs geht es (nur) um die direkten oder indirekten Folgen einer Behinderung, soweit die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder zumindest gemildert werden können und somit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen ist. Ein Rollstuhl beispielsweise ersetzt nicht das amputierte Bein, ermöglicht aber die Fortbewegung.

Beim unmittelbaren Behinderungsausgleich gibt es (fast) keine wirtschaftlichen Grenzen. Unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits. Sparüberlegungen sind hier ebenso fehl am Platz wie der Gedanke "Die alte Prothese tut es doch auch noch". Der unmittelbare Ausgleich orientiert sich an dem aktuellen Stand der Medizin und Technik. Grenzen bestehen nur dann, wenn ein vermeintlich neueres Modell nur aus Komfortgründen gewählt wird, aber kein medizinischen Neuerungswert hat.

Höchst umstritten sind aber die Grenzen beim mittelbaren Behinderungsausgleich. Hier kann nicht alles verlangt werden, was machbar wäre.

Sehr oft hören Versicherte von ihrer Krankenkasse: "Die Kosten für Ihr Hilfsmittel können wir nicht übernehmen. Es gehört zu den neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, deren therapeutischer bzw. diagnostischer Nutzen nicht nachgewiesen ist".

Pauschale Ablehnung durch Krankenkassen

Diese Behauptung ist zu pauschal. Die Krankenkasse zielt damit darauf ab, daß das Hilfsmittel (noch) nicht im Hilfsmittelverzeichnis gelistet ist. Vor einer solchen Aufnahme in das Verzeichnis muß der G-BA (gemeinsame Bundesausschuß der Ärzte – und Zahnärztevereinigungen, der Krankenkassen, der Krankenhausgesellschaft) sich dazu äußern, ob es sich um eine neue Methode handelt o. ä. Voraussetzung ist, dass das Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolgs im Rahmen einer Krankenbehandlung eingesetzt werden soll. Geht es vor allem um den Behinderungsausgleich, ist das Hilfsmittel nicht untrennbarer Bestandteil einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode und ein Methodenbewertungsverfahren daher nicht erforderlich (LSG Bayern 23.10.2017 – L 4 KR 349/17, BeckRS 2017, 134269; LSG BW 15.6.2018 – L 4 KR 531/17; LSG BW 19.6.2018 – L 11 KR 1996/17, BeckRS 2018, 13770).

Von der Rechtsprechung ist das in der Vergangenheit immer wieder festgestellt worden – und leider weitestgehend ignoriert worden. Nach wie vor wird die Behandlung der Grunderkrankung (also die Krankenbehandlung) in den Vordergrund gestellt. Darum geht es aber nicht.

Auch in Zeiten eines geänderten Verständnisses von Behinderung setzt sich diese Erkenntnis nicht flächendeckend durch. Jeder Betroffene muß auch in Zukunft mit gehörigem Gegenwind rechnen. Lassen Sie sich das nicht gefallen! Kontaktieren Sie mich, ich kümmere mich darum.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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