HOAI europarechtswidrig – Auswirkung auf inländische Gerichtsverfahren

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Das Landgericht Baden-Baden hat eine Auseinandersetzung, bei der ein Architekt u. a. Mindestsatz-Honorarforderungen erstreiten will, bis zur Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Rs. C 137/18 ausgesetzt (LG Baden-Baden, Beschluss vom 07.05.2019 – 3 O 221/18).

Streitgegenständlich ist ein Architektenvertrag über die Leistungsphasen 1 bis 4 zu einem Pauschalpreis. Die Parteien gerieten in Streit. Die sachverständige Prüfung ergab eine Mindestsatzunterschreitung beim vereinbarten Architektenhonorar. 

Der Architekt reichte Klage ein auf Zahlung eines Vielfachen des vereinbarten Honorars auf Grundlage des sich aus der HOAI ergebenden Mindestsatzes. Der verklagte Auftraggeber beruft sich auf die EU-Rechtswidrigkeit von § 7 Abs. 1 HOAI 2013. 

Der Generalanwalt am EuGH stellt am 28.02.2019 im Vertragsverletzungsverfahren Rs. C-377/17 fest, die Mindest- und Höchstsätze der HOAI verstoßen gegen EU-Recht, insbesondere gegen die Dienstleistungsrichtlinie. 

Kurz zuvor hat das LG Dresden eine Vorabentscheidung über die Vereinbarkeit der Mindest- und Höchstsätze der HOAI mit EU-Recht beim EuGH beantragt. Die Entscheidung über beide Verfahren steht aus. Der Auftraggeber hat beantragt das Verfahren auszusetzen, hilfsweise dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen, höchst hilfsweise selbst die Rechtsfrage der EU-Rechtswidrigkeit des gesetzlichen Preisrechts zu entscheiden.

Das LG Baden-Baden setzt das Verfahren bis zur Entscheidung im Verfahren Rs. C-137/18 aus unter Berufung auf eine Zulässigkeit gem. § 148 ZPO in analoger Anwendung. Das Landgericht zieht dabei in Betracht, dass die entscheidungsrelevanten Vorschriften der HOAI unionsrechtwidrig und wegen des Vorrangs des europäischen Rechts nicht anzuwenden sind. 

Derzeit wird sich jeder mit Mindestsatzforderungen nach HOAI konfrontierte Auftraggeber auf die EU-Rechtswidrigkeit berufen. Es ist wahrscheinlich, dass der EuGH den Schlussanträgen des Generalanwalts folgen wird. Danach gibt es keine Möglichkeit europarechtskonformer „Mindest- und Höchstsätze“, da es keine rechtfertigenden Ausnahmetatbestände gibt. 

Demzufolge wird der HOAI-Verordnungsgeber auch keine Anpassungsfristen erhalten. Denn der Verstoß der HOAI-Bestimmungen gegen Europarecht hat Auswirkungen auf die Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV) und die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56, 57 AEUV). 


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