Hohe Hürden für eine (wirksame) Kündigung von „Low Performern“ ?

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Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven (Urteile vom 14.12.2023 – 2 Ca 2206/23 und 2 Ca 2207/23)

Die (wirksame) Kündigung von „Low Performern“ gestaltet sich in der Regel sehr schwierig. Kündigungen aufgrund von „Low-Performance“ von Arbeitnehmern begegnen in der Praxis hohen Hürden.

Denn das Bundesarbeitsgericht hat den Grundsatz aufgestellt, wonach der Arbeitnehmer das tun muss, was er soll, und dies „nur“ so gut, wie er eben kann (vgl. BAG 17.01.2018 – 2 AZR 536/06)

Die fristlosen Kündigungen zweier Telefonisten des Bürgertelefons der Hansestadt Bremen erachtete das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven (Urteile vom 14.12.2023 – 2 Ca 2206/23 und 2 Ca 2207/23) indes für wirksam, deren Telefoniezeiten lediglich feststellbar zwischen 30 und 35% bzw. zwischen 16 und 33% der dienstplanmäßigen Arbeitszeit betrugen. Die unterdurchschnittliche Leistung im Bereich des Bürgertelefons lasse auf eine vertragswidrige Vernachlässigung der Arbeitspflicht schließen, die nicht mit einer bloßen Minderleistung erklärt werden könne.


1. „Was versteht man eigentlich arbeitsrechtlich unter einem „Low Performing“?

Diese Frage stellen sich Vorgesetzte und Personalabteilungen in der täglichen Arbeit immer wieder.

a)

Fast jede Personalabteilung kennt diese Situation: Eine Führungskraft meldet sich mit der Bitte um Unterstützung beim Umgang mit einem Mitarbeiter, der die von ihm erwartete Leistung nicht in einem zufriedenstellenden Maße erbringt. Beispielsweise hat der Mitarbeiter eine hohe Fehlerquote bei der Bewältigung seiner täglichen Aufgaben oder er leistet quantitativ erheblich weniger als vergleichbare Kollegen.

Für die Personalabteilung stellt sich dann zunächst die Frage, ob es sich bei dem Mitarbeiter um einen Low Performer handelt und, wenn ja, wie der richtige Umgang mit dem Mitarbeiter ist.

Als Low Performer wird allgemein ein Mitarbeiter verstanden, der seine Leistung nicht im ausreichenden Maß erbringt, obwohl er das könnte. Als Faustformal dient:

„…Ein Low Performer kann, aber will nicht…“

Die Gründe für einen mangelnden Leistungswillen sind vielfältig und reichen von mangelnder Leistungsmotivation bis hin zu Umständen im persönlichen Umfeld des Mitarbeiters. In erster Linie bietet sich ein Gespräch mit dem Mitarbeiter an, um die Ursachen für die Minderleistungen zu erforschen.

Der Grundsatz des BAG, wonach der Arbeitnehmer tun muss, was er soll, und dies „nur“ so gut, wie er eben kann, zwingt Arbeitgeber vor dem Ergreifen arbeitsrechtlicher Maßnahmen daher auch bei vermeintlich offensichtlichen Minderleistungen stets zur detaillierten Sachverhaltsaufklärung.

An einer mangelnden Sachverhaltsaufklärung scheitern viele Arbeitgeberkündigungen.

  • zunächst müssen immer auch andere mögliche Faktoren ausgeschlossen werden, die für eine Minder-Performance verantwortlich sein könnten:


Externe Faktoren: Alle Umstände die zu einer Störung am Arbeitsplatz führen können, zB Geräuschkulisse im Großraumbüro, Baustelle neben dem Arbeitsplatz;


Interne Faktoren: Vor allem körperliche Umstände, die für die Leistungsminderung verantwortlich sein können, zB diagnostizierte Konzentrationsstörung des Mitarbeiters.


  • Feststellung vergleichbarer Arbeitsbedingungen unter den Mitarbeitern, zB alle Mitarbeiter haben eine vergleichbare Geräuschkulisse am Arbeitsplatz; Gegenbeispiel: Mitarbeiter im Home Office und Mitarbeiter im Großraumbüro ,


  • es müssen immer Mitarbeiter mit vergleichbaren Aufgaben für die Feststellung einer Minderleistung verglichen werden (Mitarbeiter gehören derselben Hierarchieebene an).


b)

Eine erhebliche Minder-Performance erbringt im Vergleich zu den anderen vergleichbaren Mitarbeitern der Mitarbeiter in der Regel bei einer ca. 30–40% schlechteren Leistung (Mindere Leistungsqualität oder mindere Leistungsquantität).

Die Anforderungen der Rechtsprechung an eine wirksame Kündigung von Low Performern sind sehr hoch. Eine Low-Performer-Kündigung kommt grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn der betroffene Arbeitnehmer entweder weniger als 2/3 der Arbeitsleistung eines durchschnittlichen Arbeitnehmers (auf einer vergleichbaren Position) erbringt, oder er die mögliche Arbeitsleistung vorsätzlich zurückhält. Dabei ist zu unterscheiden, ob der Arbeitnehmer „will, aber nicht kann“, d.h. tatsächlich nicht in der Lage dazu ist, mehr als 2/3 der üblichen Arbeitsleistung zu erbringen, oder ob er „kann, aber nicht will“, d.h. er eigentlich zu einer besseren Leistung fähig wäre, diese aber nicht abruft.


Beispiel für eine erhebliche Schlechtleistung:

Herr S. erledigt 110% der anfallenden Abrechnungen,

Frau S. erledigt 90% der anfallenden Abrechnungen,

Herr B erledigt 90% der anfallenden Abrechnungen,

Frau W. erledigt nur 45% der anfallenden Abrechnungen. Hier liegt eine erhebliche Minderleistung vor.


2. Zum Fall – Sachverhalt:

Die Kläger waren als Servicemitarbeiter im Bereich des Bürgertelefons der Hansestadt Bremen beschäftigt. Die Beklagte Hansestadt warf den Klägern vor, Telefonanrufe lediglich in geringem Umfang entgegengenommen zu haben und stützte sich hierbei auf eine nachträgliche Auswertung der Telefoniezeiten für die Zeit von März bis Mai 2023. Der Personalrat stimmte der Auswertung der Telefoniezeiten zuvor ausdrücklich zu. Die beklagte Arbeitgeberin war der Ansicht, die Auswertungen über einen exemplarischen Zeitraum von vier Tagen belegten einen Arbeitszeitbetrug und kündigte die Arbeitsverhältnisse der beiden Kläger fristlos.

Die Kläger hielten die Kündigungen für unwirksam und verlangten, weiterbeschäftigt zu werden. Die Auswertung des Telefonverhaltens sei unzulässig und nicht von einer Dienstvereinbarung gedeckt gewesen. Auch fehle es an einer Abmahnung. Ebenso sei eine vor Ausspruch der Kündigung notwendige Anhörung der Kläger nicht erfolgt. Das Telefonverhalten sei allenfalls als unterdurchschnittliche Leistung zu bewerten. Ein Arbeitszeitbetrug liege nicht vor. Die Arbeitgeberin habe das Verhalten der Kläger lediglich wegen ihrer Gewerkschaftsmitgliedschaft ausgewertet und ihnen ausschließlich aus diesem Grund gekündigt.


3. Entscheidung und Fazit:

Nach Auffassung des Arbeitsgerichts Bremerhafen haben die Arbeitnehmerinnen Telefoniezeiten in einem Umfang erbracht, der auf eine vorsätzliche vertragswidrige Vernachlässigung der Arbeitspflicht schließen lasse und nicht mit bloßer Minderleistung zu erklären sei. Nach Abzug u.a. von Nachbearbeitungszeiten und Bildschirmarbeitspausen habe der Arbeitgeber Telefoniezeiten im Umfang von 60% der an einem Tag zu erwartenden dienstplanmäßigen Arbeitszeit erwarten können. Die Arbeitnehmerinnen hingegen an bestimmten einzelnen Tagen Telefoniezeiten zwischen 30 und 35% bzw. zwischen 16 und 33%.

Bei der Mehrzahl der Fälle in der Praxis wird die Minderleistung nicht so eindeutig nachweisbar sein wie bei den Telefoniezeiten. 

Dann bedürfen Kündigungen nach obigen Kriterien einer sorgfältigen Vorbereitung und Sachverhaltsaufklärung.




Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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