„Impfung macht frei“ - strafbares Verharmlosen der NS-Verbrechen im Zusammenhang mit der "Corona-Impfpflicht“

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Das Abbilden eines Tores eines Konzentrationslagers mit dem Schriftzug „Impfung macht frei“ stellt nach der Entscheidung des Kammergerichts Berlin vom 13.02.2023 ((2) 121 Ss 140/22 /44/22)) ein Verharmlosen einer unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Handlung der in § 6 Abs. 1 Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art dar und erfüllt damit die Tathandlung des § 130 Abs. 3 StGB. Entscheiden musste das Gericht, ob das Verhalten auch geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.


Was wird dem Angeklagten vorgeworfen?


Der Angeklagte wollte in Berlin an einer Versammlung zum Thema „Nein zum IfsG 27b“ teilnehmen. Hierbei führte er insgesamt 17 Sticker in der Größe 11 x 7,5 cm mit sich, auf denen auf weißem Grund der in einen schwarzen Torbogen eingebrachte Schriftzug „Impfung macht frei“ zu sehen ist. Der Angeklagte klebte diesen Sticker auf einen gläsernen Informationskasten. Ihm war dabei bewusst, dass der Schriftzug an den Spruch „Arbeit macht frei“ angelehnt war, der in mehreren nationalsozialistischen Konzentrationslagern während der NS-Zeit an den dortigen Torbögen angebracht war.


Entscheidung des Amtsgerichts Tiergarten zur Volksverhetzung


Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat den Tatbestand des § 130 Abs. 3 StGB als nicht verwirklicht angesehen und den Angeklagten mit Urteil vom 19. Mai 2022 vom Vorwurf der Volksverhetzung freigesprochen. Dies wurde damit begründet, dass das Verhalten des Angeklagten nicht geeignet gewesen sei, den öffentlichen Frieden zu stören.


Hiergegen legte die Staatsanwaltschaft erfolgreich Revision ein, sodass das Urteil aufgehoben und an das Amtsgericht Tiergarten zurückverwiesen wurde.


Voraussetzungen der Volksverhetzung im Sinne des § 130 Abs. 3 StGB

Tathandlungen einer Volksverhetzung im Sinne des § 130 Abs. 3 StGB sind das Billigen, Leugnen oder Verharmlosen einer NS-Völkermordhandlung. Die Tathandlung muss zudem geeignet sein, den öffentlichen Frieden zu stören.


Vorliegend bezieht sich die Tathandlung auf den massenhaften Mord und die auf Vernichtung angelegte Deportation von Juden in Konzentrationslager im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 3 Völkerstrafgesetzbuch. Der Schriftzug auf dem Sticker wandelt erkennbar die Inschrift „Arbeit macht frei“ ab, die an den Toren mehrerer nationalsozialistischer Konzentrationslager angebracht war.


Was ist unter Verharmlosen zu verstehen?

Ein Verharmlosen liegt vor, wenn der Äußernde den Holocaust herunterspielt, beschönigt, in seinem wahren Gewicht verschleiert oder in seinem Unwertgehalt bagatellisiert oder relativiert (vgl. BGH NJW 2000, 2217, 2218). Bei einer mehrdeutigen Äußerung müssen erst andere Auslegungsvarianten mit schlüssigen Gründen ausgeschlossen werden, bevor die zur Verurteilung führende Deutung zugrunde gelegt werden kann (vgl. BVerfG NJW 2001, 61, 62). Bei einem Verharmlosen geht es zudem nicht darum, ob die NS-Verbrechen anerkannt oder bestritten werden, sondern nur um eine quantitative oder qualitative Abwertung der NS-Verbrechen.

Nach Auffassung des Kammergerichts kann in der Darstellung eines schwarzen Tores mit dem Schriftzug „Impfung macht frei“ nichts anderes gesehen werden als eine Bagatellisierung der Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung.

Eine Bagatellisierung wird vom Kammergericht angenommen, weil die Situation ungeimpfter Personen während der Corona-Pandemie in keiner Weise mit der Situation von Gefangenen in Konzentrationslagern unter der Herrschaft der Nationalsozialisten vergleichbar ist. Durch den Vergleich wird das wahre Gewicht der damaligen Verfolgung und Vernichtung der Juden in eklatanter Weise verschleiert.

Insoweit bestätigte das Kammergericht die Erwägungen des Amtsgerichts Tiergarten.


Wann liegt eine Eignung zur Friedensstörung vor? 

Das Kammergericht beanstandet in seiner Entscheidung jedoch die Erwägungen des Amtsgerichts Tiergarten bezüglich der Eignung zur Friedensstörung dahingehend, dass die Feststellungen hierzu lückenhaft seien. Insbesondere lassen sich dem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten nicht hinreichend die örtlichen Gegebenheiten der Tat entnehmen.

Die Eignung zur Friedensstörung ist ein Tatbestandsmerkmal des § 130 Abs. 3 StGB. Tatbestandlicher Erfolg ist die konkrete Eignung, das Vertrauen in die Rechtssicherheit zu erschüttern oder das psychische Klima aufzuhetzen (vgl. Fischer, StGB, 70. Auflage 2023, § 130 Rn. 13a). Erforderlich ist eine Gesamtwürdigung von Art, Inhalt, Form und Umfeld der Äußerung.

Bei der Tatbestandsvariante des Verharmlosens einer unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Handlung der in § 6 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art muss die Eignung zur Friedensstörung eigens festgestellt werden und ist nicht wie bei den anderen Tatbestandsvarianten indiziert (vgl. BVerfG NJW 2018, 2861, 2862). Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts sind Äußerungen erst dann geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören, wenn sie ihrem Inhalt nach erkennbar auf rechtsgutgefährdende Handlungen hin angelegt sind und etwa in Form von Appellen zum Rechtsbruch, aggressiven Emotionalisierungen oder durch Herabsetzung von Hemmschwellen rechtsgutgefährdende Folgen unmittelbar auslösen können (vgl. BVerfG NJW 2018, 2861, 2862).

Zur Beurteilung ist vorliegend laut Kammergericht maßgeblich, ob es in unmittelbarer Nähe des Tatorts Denkmäler oder Bauwerke gab, die im Hinblick auf den Schutzbereich des § 130 Abs. 3 StGB besonders sensibel sind, so zum Beispiel Synagogen. Außerdem sei von Bedeutung, ob sich der gläserne Informationskasten, auf den der Angeklagte den Sticker geklebt hat, innerhalb des befriedeten Bannkreises der Gesetzgebungsorgane des Bundes und der Länder befand. Maßgeblich ist zudem für welchen Personenkreis der Aufkleber im konkreten Fall erkennbar war und welche Personen bereits von ihm Kenntnis genommen haben. Vorliegend ist auch von Bedeutung, ob möglicherweise Demonstrationsteilnehmer den Sticker wahrnehmen konnten, die durch den Inhalt hätten aufgewiegelt werden können.

Diese Aspekte hat das Amtsgericht Tiergarten nun zu berücksichtigen, wenn es sich erneut mit der Frage auseinandersetzt, ob eine Eignung zur Friedensstörung vorliegt.


Subjektiver Tatbestand des § 130 Abs. 3 StGB 


Des Weiteren beanstandet das Kammergericht die Beweiswürdigung des Amtsgerichts Tiergarten hinsichtlich des Vorsatzes des Angeklagten.

Auf der subjektiven Seite erfordert § 130 Abs. 3 StGB bedingten Vorsatz, der sich auf alle Tatbestandsmerkmale erstrecken muss und damit auch auf die Eignung zur Friedensstörung. Einer Absicht bedarf es jedoch nicht.

Das Kammergericht wirft dem Amtsgericht Tiergarten vor, die Anforderungen an die subjektive Tatseite überspannt zu haben. Denn das Amtsgericht Tiergarten hat ausgeführt, dem Angeklagten könne „nach dessen glaubhafter Einlassung nicht nachgewiesen werden, dass das Anbringen des Aufklebers darauf abzielte, zu etwaigen Gewalttaten anzustacheln oder die Betrachter und Leser zum Rechtsbruch aufzufordern“. Aufgrund dieser Ausführungen zieht das Kammergericht es in Erwägung, dass das Amtsgericht Tiergarten direkten Vorsatz gefordert hat und bedingten Vorsatz nicht hat ausreichen lassen.


Ergebnis und Fazit des Kammergerichts zur Volksverhetzung


Mit dieser Entscheidung bestätigt das Kammergericht, dass das öffentliche Aufkleben eines Stickers auf welchem ein Tor mit dem Schriftzug „Impfung macht frei“ zu sehen ist, eine Tathandlung im Sinne des § 130 Abs. 3 StGB darstellt.

Ob das Verhalten auch geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören und daher nach § 130 Abs. 3 StGB strafbar ist, bleibt offen.

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