Indexmiete und Inflation: Unwirksamkeitsgründe einer Mieterhöhung nach Änderung des Verbraucherpreisindex (VPI)

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Ausgangslage

Bis vor wenigen Jahren hatten sogenannte Indexklauseln keine spürbare Relevanz für die Betroffenen. Geringe Inflationsraten hatten lediglich einen geringen Anstieg der Miete zur Folge. Dies hat sich in den letzten zwei Jahren schlagartig geändert. Mittlerweile beträgt die Inflation auf das Jahr gerechnet über 7%. Dies wirkt sich auf bestehende Mietverträge aus, in denen Indexklauseln verwendet werden. Während das Bar- und Bankvermögen der Menschen an Wert verliert, bleiben auf der anderen Seite ihre Mietverbindlichkeiten aufgrund der Indexklauseln vom Währungsverfall weitgehend unberührt. Weil die Löhne und Gehälter der Betroffenen in aller Regel nicht parallel zur Inflation steigen, verringert sich dadurch faktisch ihr Vermögen.


Der nachfolgende Rechtstipp hat lediglich Wohnraummietverträge zum Gegenstand. Die Ausführungen sind für Gewerberaummietverhältnisse grundsätzlich nicht anwendbar. Ebenso wenig sind sie beispielsweise bei Wohnungen anwendbar, die nur zum vorübergehenden Gebrauch vermietet werden oder bei Studentenwohnungen, vgl. § 549 Abs. 2 und Abs. 3 BGB.


Begriffe

Was hat es mit den Indexklauseln auf sich? Diese Frage beantwortet das Gesetz in § 557b BGB (Indexmiete). Nach dessen Absatz 1 können die Parteien eines Mietvertrages schriftlich vereinbaren, dass die Miete durch den vom Statistischen Bundesamt ermittelten Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in Deutschland bestimmt wird (Indexmiete).


Was ist der Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in Deutschland? Hierbei handelt es sich um den Namensvorgänger des Verbraucherpreisindex für Deutschland (VPI). Seit dem Jahr 2002 wird der Index unter dem vorgenannten Namen geführt. Nach der Definition des Statistischen Bundesamtes misst der VPI „die durchschnittliche Preisveränderung aller Waren und Dienstleistungen, die von privaten Haushalten für Konsumzwecke gekauft werden“ (Verbraucherpreisindex für Deutschland – Allgemeine Informationen, Februar 2019). Dies bedeutet, dass der VPI die Teuerung der Konsumgüter und Dienstleistungen für Verbraucher abbildet. Mit anderen Worten: Wenn sich die Preise für Güter und Dienstleistungen des täglichen Lebensbedarfs erhöhen, erhöht sich der Verbraucherpreisindex. Wenn sich der Verbraucherpreisindex erhöht, erhöht sich anschließend die Indexmiete.


Ist jede Indexklausel automatisch wirksam?

Grundsätzlich nein. Für die Wirksamkeit der Indexmiete müssen die Form- und Inhaltsvorschriften des § 557b BGB eingehalten werden. Wenn von diesen abgewichen wird, ist die Vertragsklausel unwirksam. Dies ergibt sich aus § 557b Abs. 5 BGB. Danach ist eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung unwirksam.


Wann liegt eine unwirksame Vereinbarung vor, die zum Nachteil des Mieters abweicht?

Hierzu werden nachfolgend Beispiele aufgeführt:

  • Keine Bezugnahme auf den Verbraucherpreisindex für Deutschland (VPI). Nimmt die Index-Klausel auf einen anderen Index als den VPI Bezug, ist sie bereits unwirksam.


  • Keine gleichzeitige Erhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete gemäß § 558 BGB. Wenn die Indexmiete vereinbart wird, darf nicht mehr bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 BGB erhöht werden. Lässt die Indexklausel dies dennoch zu, ist sie unwirksam.


  • Die Miete darf im ersten Jahr nicht erhöht werden, § 557b Abs. 2 Satz 1 BGB. Gestattet der Mietvertrag gleichwohl eine Mieterhöhung innerhalb der ersten 12 Monate, ist die Indexklausel unwirksam. Von den vorstehenden Ausführungen sind Mieterhöhungen u.a. nach Modernisierungsmaßnahmen ausgenommen.


  • Mieterhöhungen für Modernisierungen dürfen nur noch eingeschränkt auf den Mieter umgelegt werden. Wenn eine Indexklausel verwendet wird, dürfen nur noch solche Modernisierungen auf den Mieter umgelegt werden, die der Vermieter nicht zu vertreten hat, § 557b Abs. 2 Satz 2 BGB. Hier besteht meines Erachtens die größte Fehleranfälligkeit der Indexklausel! Viele Indexklauseln zitieren § 557b Abs. 2 BGB nur unvollständig. Es wird oft nur der erste Satz zitiert, wonach u.a. Modernisierungserhöhungen gemäß § 559 BGB weiterhin zulässig bleiben. Es wird jedoch nicht der notwendige zweite Satz zitiert, wonach nur solche Modernisierungserhöhungen zulässig sind, die der Vermieter nicht zu vertreten hat. Denn nach § 559 BGB allein können unter Umständen auch Modernisierungen auf den Mieter umgelegt werden, die der Vermieter zu vertreten hat. Diese dürfen bei ausschließlicher Anwendbarkeit des § 559 BGB nach erfolgreicher Interessenabwägung zu Gunsten des Vermieters auf den Mieter umgelegt werden (vgl. § 559 Abs. 4 Satz 1 BGB). Wenn die Indexklausel somit § 557b Abs. 2 Satz 1 BGB zitiert, muss sie auch Satz 2 zitieren, um nicht unwirksam zu sein.


  • Keine gleichzeitige Staffelung und Indexierung. Die Vereinbarung einer Indexklausel schließt die Staffelmiete aus. Beide Erhöhungsformen stehen in einem Ausschließlichkeitsverhältnis zueinander (vgl. § 557 Abs. 2 BGB). Sollte ein Mietvertrag beide Erhöhungen zulassen, wären möglicherweise beide Klauseln wegen Widersprüchlichkeit unwirksam.


Unterliegt die Unwirksamkeit der Indexmiete der Verjährung?

Grundsätzlich nein. Da es sich bei dem Mietvertrag um ein Dauerschuldverhältnis handelt, unterliegt er während der Laufzeit nicht der Verjährung. Dies gilt jedoch nicht für Erstattungsansprüche aufgrund zu viel gezahlter Miete wegen der unwirksamen Indexklausel. Die monatlich zu viel gezahlte Miete unterliegt auch während eines noch laufenden Mietvertrages der Verjährung. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt am Jahresende. Dies bedeutet, dass Erstattungsansprüche bis zum Jahr 2018 aller Voraussicht nach verjährt sind. Dies bedeutet zugleich, dass Eile geboten ist. Im Jahr 2023 werden die Erstattungsansprüche für das Jahr 2019 ebenfalls verjähren. Ab dem 01.01.2023 können zu viel gezahlte Mieten für das Jahr 2019 nicht mehr durchgesetzt werden, wenn die Einrede der Verjährung erhoben wird.


Praktische Vorgehensweise

Sollte in Ihrem Mietvertrag eine Indexklausel verwendet werden, empfehle ich Ihnen, diesen inhaltlich überprüfen zu lassen. Es ist nicht damit zu rechnen, dass sich die Inflationsrate kurzfristig wieder „stabilisieren“ und die Indexmiete dadurch hinnehmbarer wird. Gerne kann ich Ihnen bei der Überprüfung Ihres Mietvertrages behilflich sein.


Hierzu können Sie telefonisch oder per E-Mail einen Termin in meiner Kanzlei vereinbaren. Gerne berate ich Sie auch telefonisch oder per Videoverbindung, wenn sich ein Präsenztermin nicht realisieren lässt.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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