Insolvenz und Haftung des Geschäftsführes für Steuern

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Wird über das Vermögen einer UG (haftungsbeschränkt), einer GmbH, AG oder GmbH & Co.KG das Insolvenzverfahren eröffnet, meldet ein Gläubiger stets Forderungen an: Das Finanzamt. Umsatz-, Körperschafts- und Lohnsteuer, ggf. auch Kapitalertragssteuern bei Gewinnausschüttungen bzw. verdeckten Gewinnausschüttungen; Die Gemeinde meldet rückständige Gewerbesteuern und offene Gewerbesteuervorauszahlungen an.

Wenn im Zeitpunkt der Insolvenz noch Steuererklärungen ausstehen, schätzt das Finanzamt die Steuern und meldet diese geschätzten Zahlungsansprüche an. Für das Unternehmen ist dieses irrelevant. Die richtige Steuerfestsetzung hat jedoch erhebliche Bedeutung für eine persönliche Haftungsinanspruchnahme (s.u.). Folglich sollte die Geschäftsleitung möglichst bis zum Insolvenzantrag Steuern ordnungsgemäß erklären und ggf. auch prüfen, ob ein eigener Insolvenzantrag vor Fälligkeit einer Steuer zu stellen wäre (z. B. bei der USt. der 10. des Folgemonats; Insolvenzantrag am 09. des Folgemonats), und zwar ausschließlich zur Vermeidung persönlicher Haftungsansprüche.

Weil das Finanzamt weiß, dass es mit Steuerforderungen im Insolvenzverfahren ausfällt, prüft es zeitgleich zum Insolvenzverfahren stets eine persönliche Haftung des Geschäftsführers.

1. Wer haftet: 

Nach §§ 34,69 AO haftet der Geschäftsführer für Steuerverbindlichkeiten der Gesellschaft, die infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihm auferlegten Pflichten nicht ordnungsgemäß festgesetzt oder aus dem Vermögen des Unternehmens nicht erfüllt wurden. Die gleiche Haftung trifft auch den sog. faktischen Geschäftsführer und kann, je nach Einzelfall, auch auf den Leiter einer Niederlassung, auf den Prokuristen oder einen leitenden Angestellten eines Unternehmens ausgedehnt werden. Mehrere Geschäftsführer oder Prokuristen/Leitende Angestellte haften gegenüber dem Finanzamt gesamtschuldnerisch, d. h., das Finanzamt kann von jedem Haftungsschuldner die gesamte Steuerschuld verlangen. Die persönliche Haftung ist unbegrenzt und umfasst neben der eigentlichen Steuer auch Zinsen, Säumniszuschläge, Verspätungszuschläge und Kosten der Zwangsvollstreckung.

Die persönliche Haftung des Geschäftsführers wird durch einen Haftungsbescheid festgesetzt, § 130, 131 AO. Der Haftungsbescheid ist innerhalb eines Monats nach wirksamer Bekanntgabe mit dem Einspruch anfechtbar.

Dem Haftungsbescheid geht regelmäßig ein Haftungsanhörungsverfahren voraus. Spätestens jetzt sollte der Geschäftsführer tätig werden. Wirkt der Haftungsschuldner im Anhörungsverfahren nicht mit, darf das Finanzamt die haftungsbegründenden Umstände zulasten des Schuldners unterstellen (ständige Rechtsprechung BFH). Zwar können Einwendungen mit einem Einspruch nachgeholt werden. Aber der Haftungsbescheid ist erst einmal erlassen und vollstreckbar und kann auch einen Insolvenzantrag des Finanzamtes gegen den Haftungsschuldner nach sich ziehen.

2. Haftungsgrundlage

Grundlage der persönlichen Haftung sind zunächst einmal die selbst erklärten, offenen Steuerbeträge (Umsatzsteuer, Lohnsteuer, Abzugssteuern). Hinzu kommen auch Schätzungsbescheide oder die vom Finanzamt zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen.

Wichtig: Hatte der Geschäftsführer zuvor die Möglichkeit, die Steuerbescheide im Besteuerungsverfahren anzugreifen oder im Rahmen des Insolvenzverfahrens (!) zu widersprechen und unterlässt er dieses, ist er an die Steuerfestsetzung zwingend gebunden (§ 166 AO) und kann im Haftungsverfahren nicht mehr einwenden, dass der Steuerbescheid fehlerhaft oder die Schätzung viel zu hoch gewesen sei. Das gilt nach aktueller Rechtsprechung des BFH auch für den Fall, dass die Anmeldung oder Festsetzung (Abrechnungsbescheid) des Finanzamtes ausschließlich im Insolvenzverfahren erfolgte.

3. Verschulden

Der Geschäftsführer muss vorsätzlich oder grob fahrlässig die steuerlichen Pflichten verletzt haben. Anders als das Finanzamt in der Praxis häufig ausführt, die Steuern seien nicht bezahlt worden, daher habe der Geschäftsführer seine steuerlichen Pflichten verletzt und deshalb hafte er persönlich, handelt es sich um eine echte verschuldensabhängige Haftung: Der Geschäftsführer muss seine Pflichten vorsätzlich, also mit „Wissen und Wollen“ oder zumindest grob fahrlässig, also mit Außerachtlassung der für Steuerangelegenheiten erforderlichen Sorgfalt in besonders hohem Maß verletzt haben Trotz der Komplexität und Widersprüchlichkeit des Steuerrechts legt die Rechtsprechung hier einen extrem hohen Maßstab an, sodass häufig ein Verschulden des Geschäftsführers angenommen wird.

4. Kausalität

Sollte der Geschäftsführer tatsächlich die ihm auferlegten Steuerpflichten schuldhaft verletzt haben, dann muss die Verletzung der Pflichten adäquat kausal, also ursächlich für die Nichtfestsetzung/Nichtzahlung der Steuern sein. Der Geschäftsführer muss die Mittel des Unternehmens so verwalten, dass das Finanzamt nicht gegenüber anderen Gläubigern des Unternehmens benachteiligt wird. Der Geschäftsführer muss aber grundsätzlich nicht dafür sorgen, dass das Unternehmen überhaupt seinen Steuerverbindlichkeiten nachkommen kann. Er muss auch grundsätzlich nicht das Finanzamt vorrangig befriedigen. Wenn das Unternehmen keine Liquidität hat, dann muss der Geschäftsführer einen Insolvenzantrag für das Unternehmen stellen. Der Geschäftsführer muss aber kein Kapital beschaffen, damit es die festgesetzten Steuern bezahlen kann. Reichen die vorhandenen liquiden Mittel nicht aus, behandelt der Geschäftsführer aber sämtliche Gläubiger, auch das Finanzamt, gleich und zahlt jedem nur einen Teil, scheidet eine persönliche Haftung aus.

Gerade für den Fall, dass aufgrund einer Betriebsprüfung nachträglich erhebliche Steueransprüche festgesetzt werden, muss man in besonderem Maß die Kausalität prüfen, insbesondere auch, wann der Geschäftsführer von Steuernachforderungen erstmals Kenntnis hatte (z. B. vorläufiger Betriebsprüfungsbericht, Schlussbesprechung) und welche liquiden Gesellschaftsmittel vorhanden waren.

Wichtig: Auch der Geschäftsführer kann für Steueransprüche vor seiner Bestellung als Geschäftsführer haften, wenn er, nachdem die Steuern nachträglich festgesetzt wurden, aus den von ihm verwalteten Mitteln der Gesellschaft das Finanzamt gegenüber anderen Gläubigern benachteiligt.

5. Quotenhaftung

In der Regel haftet der Geschäftsführer persönlich für die Steuern, wenn er das Finanzamt gegenüber anderen Gläubigern benachteiligt. Reichen die Mittel der Gesellschaft nicht aus, kann er jeden Gläubiger im anteiligen Verhältnis zu den Gesamtverbindlichkeiten befriedigen. Wenn er diese anteilige Zahlungsaufteilung unterlässt, weil er Lieferanten/Dienstleister bevorzug befriedigt, dann haftet der Geschäftsführer persönlich gegenüber dem Finanzamt, jedoch nur in Höhe der Quote, die er bei anteiliger Bezahlung sämtlicher Gläubiger an das Finanzamt gezahlt hätte (sog. Quotale Haftung). Die Quote ermittelt sich – generell betrachtet – aus dem Verhältnis sämtlicher Gläubiger/Verbindlichkeiten zu den vorhandenen Geldmitteln.

Achtung: Bei der Lohnsteuer gilt eine andere Betrachtung. Der Geschäftsführer haftet für die Lohnsteuer vollständig, wenn er die Nettogehälter der Mitarbeiter vollständig auszahlt. Das Finanzamt wird gegenüber dem Mitarbeiter vollständig benachteiligt. Dieser strenge Haftungsmaßstab resultiert auch aus dem Umstand, dass der Arbeitgeber die Lohnsteuern für das Finanzamt einbehalten und abführen soll. Eine Lohnsteuerhaftung lässt sich nur vermeiden, indem Gehaltszahlungen gekürzt vorgenommen werden, sodass die Lohnsteuer auf den ausgezahlten Gehaltsteil abgeführt werden können. 

Es gibt vielfältige Möglichkeiten, einer persönlichen Haftungsinanspruchnahme rechtlich zu begegnen. Wir zeigen Ihnen, welche Lösungsstrategie für Sie erfolgversprechend ist.


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