Insolvenzantrag des Finanzamts

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Bleibt die Zwangsvollstreckung des Finanzamts wegen offener Steuerforderungen erfolglos, stellt das Finanzamt regelmäßig einen Insolvenzantrag gegen den Steuerpflichtigen. Selbst dann, wenn der Steuerbescheid noch nicht endgültig veranlagt worden oder aufgrund einer Schätzung ergangen sein sollte. 

Verteidigung beim Insolvenzgericht

Gegen den Insolvenzantrag kann der Steuerpflichtige beim Insolvenzgericht einwenden, dass die Voraussetzungen nicht vorliegen. Dieses ist jedoch in der Regel nicht erfolgversprechend, weil das Finanzamt lediglich einen fälligen Zahlungsanspruch (vollstreckbarer Steuerbescheid) und eine erfolglos verlaufene Zwangsvollstreckung darlegen muss. Damit ist der Insolvenzantrag zulässig und begründet.

Verteidigung beim Finanzgericht

Bei einem Insolvenzantrag des Finanzamtes kann der Steuerpflichtige zusätzlich und unabhängig vom Insolvenzgericht auch Rechtsschutz beim Finanzgericht suchen (BFH, Beschluss 7. Senat 31.08.2011, VII B 59/11). Anders als das Insolvenzgericht muss das Finanzgericht nicht nur das Vorliegen der insolvenzrechtlichen Voraussetzungen, sondern darüber hinaus zusätzlich auch sämtliche Voraussetzungen der Abgabenordnung, insbesondere die Ordnungsgemäßheit des Steuerbescheids, die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung einschließlich ordnungsgemäßer Ausübung des Ermessens und die Verhältnismäßigkeit des Insolvenzantrages im konkreten Einzelfall überprüfen. 

Ist dem Finanzamt bekannt, dass beim Steuerpflichtigen Vermögenslosigkeit vorliegt und nicht einmal die Verfahrenskosten des Insolvenzverfahrens gedeckt werden, ist der Antrag des Finanzamtes auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgabenrechtlich rechtswidrig, weil ermessensfehlerhaft und ist das Finanzamt zur Rücknahme des Insolvenzantrages verpflichtet (BFH VII R 63/04). Das gleich gilt, wenn der Insolvenzantrag ausschließlich als Druckmittel der Zwangsvollstreckung (sog. „Druckantrag“) dient oder ausschließlich rufschädigend (prominente Personen) wirken soll oder nur der Existenzvernichtung des Steuerpflichtigen ohne Befriedigungsmöglichkeit im InsO-Verfahren dient. 

Der Rechtsschutz beim Finanzgericht ist zeitlich begrenzt bis zur Eröffnung des Insolvenzantrages beim Insolvenzgericht (Amtsgericht). Daher muss der Steuerpflichtige zügig handeln, will er sich gegen den Insolvenzantrag beim Amtsgericht über das Finanzgericht zur Wehr setzen. 

Verteidigung beim Finanzamt

Der Steuerpflichtige kann auch beim Finanzamt, welches den Insolvenzantrag gestellt hat, beantragen, dass der Insolvenzantrag zurückgenommen wird oder die Zwangsvollstreckung (Aussetzung der Vollziehung, Vollstreckungsaufschub, Stundung, Niederschlagung, Erlass) ausgesetzt wird. Hierdurch wird die Fälligkeit oder die Vollstreckbarkeit des Steuerbescheids beseitigt, sodass der Insolvenzantrag unbegründet wird, weil die Steuern nicht mehr zahlbar würden. Das Finanzamt wird jedoch nur auf Antrag des Steuerpflichtigen tätig. Außerdem müssen gewichtige Gründe vorgetragen werden, die gegen die Rechtmäßigkeit des Steuerbescheides sprechen (vor allem bei Schätzungs- oder Haftungsbescheiden ist dieses genauer zu prüfen) oder eine vollständige Befriedigung innerhalb angemessener Frist nicht nur behauptet, sondern glaubhaft belegt wird (Darlehensbewilligung oder ein höherer, zeitnaher Zahlungseingang aus dem die Steuern bezahlt werden können).

Insolvenzantragsverfahren als Problemlösung

Stets sollte man auch ernsthaft prüfen, ob nicht beim Steuerpflichtigen die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen vorliegen oder geschaffen werden können, den Insolvenzantrag des Finanzamtes aktiv zu nutzen, um sich durch ein gerichtliches Schuldenregulierungsverfahren (vor einer Insolvenzeröffnung) oder ein Insolvenzplanverfahren (nach Insolvenzeröffnung) von Verbindlichkeiten durch eine Teilzahlung dauerhaft zu befreien, zum Teil sogar gegen den Willen des antragstellenden Finanzamtes, wenn die Mehrheit der Gläubiger der Schuldenregulierung zustimmt und die zustimmenden Gläubiger die Mehrheit der Verbindlichkeiten ausmachen. Für diesen Fall kann das Insolvenzgericht fehlende Zustimmungen, auch die fehlende Zustimmung eines Finanzamtes, einfach ersetzten.

Die Höhe der angebotenen Befriedigung oder Zahlungsmodalitäten können Sie als Schuldner frei wählen, orientiert sich jedoch i.d.R. an den Befriedigungsquoten in einem eröffneten gerichtlichen Insolvenzverfahren (5 – 15 % Befriedigungsquote).

Im Rahmen gerichtlicher Insolvenzverfahren hat das Finanzamt auch einen rechtlich erweiterten Handlungsspielraum, sodass Vereinbarungen getroffen werden können, die das Finanzamt im normalen Vollstreckungsverfahren nicht abschließen durfte.

Es gibt vielfältige Möglichkeiten, einem Insolvenzantrag durch das Finanzamt zu begegnen. Wir zeigen Ihnen, welche Lösungsstrategie für Sie oder Ihr Unternehmen erfolgversprechend ist. 

Dirk Lindberg/Rechtsanwalt


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