Insolvenzrechtliche Anfechtungsansprüche oft verjährt

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Nach dem BGH-Urteil vom 7. April 2022 – IX ZR 107/20 – dürften in vielen Fällen die meisten Anfechtungsansprüche aus Schneeballsystemen gegenüber den Anlegern verjährt sein.

Denn hinsichtlich des Beginns der Verjährungsfrist hat sich der Insolvenzverwalter die bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlangte Kenntnis des Insolvenzschuldners von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Drittschuldners grundsätzlich zurechnen zu lassen, NJW-aktuell 21/2022 Seite 9, Heft 21/2022.

Bei Insolvenzverfahren mit Schneeballsystemen wurden die Anleger nicht selten zu Unrecht verurteilt, weil sie Zahlungen aus angeblichen Gewinnen erhalten hatten, obwohl gar kein Gewinn anfiel und dieser in den Jahresabschlüssen falsch ausgewiesen wurde. 

Der Bundesgerichtshof hat dem Wildwuchs mit dem Urteil vom 7. April 2022 – IX 107/20 Einhalt geboten. Vormals begann die Verjährungsfrist frühestens mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Annahme, dass der Insolvenzverwalter neuer Gläubiger sei, in dessen Person die Anfechtungsansprüche entstehen würden. Angenommen wurde insoweit eine Verjährungsfrist von 4 Jahren bei Rückforderungen aus Schneeballsystemen.

Nach dem obigen BGH-Urteil vom 7. April 2022 – IX ZR 107/20 – entsteht aber die Forderung in der Person des Insolvenzverwalters nicht neu, sondern angenommen wird ein schlichter Gläubigerwechsel. Im Rahmen dieses Gläubigerwechsels wird die ursprüngliche Kenntnis des insolventen Schuldners dem Insolvenzverwalter zugerechnet.

Im Falle des Gläubigerwechsels durch Abtretung (§ 389 BGB), Legalzession (§ 412 BGB) oder Gesamtrechtsnachfolge muss sich der neue Gläubiger - entsprechend § 404 BGB - die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des alten Gläubigers zurechnen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 1995 - VI ZR 246/94, NJW 1996, 117, 118; vom 24. April 2014 - III ZR 156/13, NJW 2014, 2345 Rn. 25; vom 30. April 2014 - IV ZR 30/13, NJW 2014, 2492 Rn. 13; vom 30. April 2015 - IX ZR 1/13, WM 2015, 1246 Rn. 12). Dies gilt auch für den Fall eines Wechsels des Verwalters (BGH, Urteil vom 30. April 2015, aaO). Nichts anderes gilt bei der Bestellung eines Insolvenzverwalters und dem damit gemäß § 80 Abs. 1 InsO einhergehenden Übergang der Verfügungsbefugnis über die zur Insolvenzmasse gehörenden Forderungen auf ihn. Der Insolvenzverwalter hat sich die bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlangte Kenntnis des Insolvenzschuldners von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Drittschuldners zurechnen zu lassen, weil die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ansonsten zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Neubeginn der Verjährung führen würde (vgl. OLG Hamm, VersR 2017, 610, 611; BeckOGK-BGB/Piekenbrock, 2022, § 199 Rn. 124). Der Neubeginn der Verjährung ist seit der Schuldrechtsreform gegenüber der Hemmung auf wenige Ausnahmefälle begrenzt (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 97),“ BGH-Urteil vom 7. April 2022 – IX ZR 107/20 –Rdnr 31.

Bei den Anfechtungsansprüchen galt zuvor die Sichtweise bei Rückforderungen aus Schneeballsystemen die Kondiktionssperre des § 814 BGB. Wer danach in Kenntnisse Nichtschuld geleistet hatte, konnte nicht zurückfordern.

In den meisten Fällen der ungerechtfertigten Einziehung von verjährten Forderungen erfordern die Umstände ein Nachprüfungsverfahren von Amts wegen unter der Aufsicht des Insolvenzgerichts. In den Fällen, in denen die Anleger erneute Zahlungen an den Insolvenzverwalter außergerichtlich leisteten, um ihre Ruhe zu haben, stellt sich die Frage der ungerechtfertigten Bereicherung. Hiernach wäre dasjenige zurück zu gewähren, was noch beim Insolvenzverwalter vorhanden ist und nach Abzug der Kosten des Insolvenzverwalters übrig bliebe. Anspruchsgrundlage wäre der späterer Wegfall des Rechtsgrundes, conditio ob causam finitam, § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB. Auch in den Fällen einer rechtskräftigen Verurteilung bietet das BGH-Urteil vom 7.4.2022 – IX ZR 107/20 die Möglichkeit einer zumindest teilweise Rückzahlung an die Anleger.

Das BGH-Urteil vom 7.4.2022 – IX ZR 107/20 – löst allerdings nicht alle Fälle. Es verbleiben solche Konstellationen, in denen derartige Ansprüche auch aufgrund bestehender Rechtslage begründet sein könnten und in unverjährter Zeit geltend gemacht wurden.

Maßgeblich für eine Beurteilung sind hier die jeweiligen Umstände des Einzelfalls.

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