Internethändler müssen nicht über eine ggf. bestehende Herstellergarantie informieren

  • 6 Minuten Lesezeit

Internethändler kennen das: Verkaufen sie Produkte, so trifft sie die gesetzliche Gewährleistungspflicht, falls das Produkt fehlerhaft ist. Häufig besteht aber daneben auch noch eine Herstellergarantie. Wenn Internethändler, die mit dem Garantieversprechen des Herstellers eigentlich nichts zu tun haben, freiwillig über diese Herstellergarantie bei der Angebotsbeschreibung informieren, dann besteht nach herrschender Rechtsprechung auch die Pflicht, ebenfalls über die konkreten Garantiebedingungen des Herstellers zu informieren. 

Die Situation:

Ein bekannter Abmahnverein war jedoch der Auffassung, dass Online-Händler bei Produkten, bei denen es eine Herstellergarantie gibt, grundsätzlich über die Garantie (und auch die Garantiebedingungen) selbst informieren müssen, es also nicht auf die Freiwilligkeit ankommen soll. Warum das zum Problem werden kann, ist offensichtlich: Denn häufig ist den Händlern gar nicht bekannt, ob der Hersteller eines Produktes auch eine Herstellergarantie anbietet. Zudem entsprechen die Garantiebedingungen des Herstellers, über die in diesen Fällen gegebenenfalls informiert werden müsste, häufig nicht den gesetzlichen Anforderungen oder aber die Garantiebedingungen werden vom Hersteller immer wieder geändert, der Händler wäre also vielen Unsicherheiten bei der Informationserteilung ausgesetzt. Folge für den Händler wäre ein immenser Aufwand, den er betreiben müsste, um sämtliche Hersteller, deren Produkte er vertreibt, in Bezug auf die dortigen Garantien zu „überprüfen“.

Hierzu gab es bisher noch keine Rechtsprechung. Seit kurzem gibt es nun aber eine erste Entscheidung des Landgerichtes Hannover zu diesem Problemkreis (LG Hannover, Urteil vom 23.09.2019, Az. 18 O 33/19). 

Die Entscheidung des Gerichts – in Kurzform:

Das LG Hannover vertritt die Rechtsauffassung, dass grundsätzlich keine Verpflichtung für Internethändler besteht, über eine ggf. bestehende Herstellergarantie zu informieren:

Es begründet dies wie folgt: Ein Wettbewerbsverstoß bei fehlender Angabe liegt nicht vor. Ein solcher Verstoß käme nur dann in Betracht, wenn eine lnformationspflicht des beklagten Online-Händlers über eine Herstellergarantie bestünde. Eine solche Pflicht besteht nach Ansicht des Gerichts aber gerade nicht.

Sie ergibt sich zum einen nicht aus der Online-Händler treffenden lnformationspflicht nach Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1, EGBGB. Dort heißt es:

,,Der Unternehmer ist nach § 312d Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) verpflichtet, dem Verbraucher folgende Informationen zur Verfügung zu stellen:

(…) 9. gegebenenfalls das Bestehen und die Bedingungen von Kundendienst, Kundendienstleistungen und Garantien (…)”

Unmittelbar ergibt sich daraus zunächst nur die Pflicht, dass ein anbietender Unternehmer (Online-Händler) über seine(n) eigenen Kundendienst, Kundendienstleistungen und Garantien zu informieren hat. Denn diese Informationen können für den Verbraucher von Bedeutung sein, um den Umfang der mit dem Angebot des Unternehmers verknüpften Leistungen beurteilen und ggfs. mit anderen Angeboten vergleichen zu können. Ebenso lässt sich daraus noch ableiten, dass auch über eine in einem Angebot erwähnte Herstellergarantie näher informiert werden muss. Denn in einem solchen Fall wirbt der Unternehmer eben auch mit dieser – wenn auch gar nicht von ihm ausgegebenen – Garantie, sodass der Verbraucher wissen muss, wie weit diese Garantie tatsächlich reicht und ggfs. auch in welchem Verhältnis die Herstellergarantie und die Gewährleistung des anbietenden Unternehmers stehen.

Darüber hinaus aber ist die lnformationspflicht nicht auch noch auf den (hier vorliegenden) Fall zu erstrecken, dass die (ggfs. bestehende) Herstellergarantie von dem anbietenden Unternehmer im Angebot überhaupt nicht erwähnt wird

Weder der Wortlaut noch der Sinn und Zweck des Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 EGBGB sprechen für eine solche lnformationspflicht. Der Wortlaut lässt keinen Schluss darauf zu, dass ,,nach den genannten Regelungen das Bestehen sämtlicher Garantien, also auch der Garantien Dritter, wie beispielsweise des Herstellers, anzugeben sind” (so aber Landgericht Wuppertal Urteil vom 30.04.2019). lm Gegenteil verhält sich Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 EGBGB nicht ausdrücklich dazu, ob auch Garantien Dritter anzugeben sind. Dagegen spricht vielmehr, dass sich auch die anderen Nummern des Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 EGBGB grundsätzlich auf den anbietenden Unternehmer, sein Angebot und dessen Bedingungen beziehen. Eine Ausweitung auf jegliche denkbaren Garantien Dritter dürfte einen Unternehmer zudem unbillig überfordern, zumal ggfs. sogar mehrere Herstellergarantien nebeneinander gelten bzw. gelten können, z. B. nämlich für die einzelnen Bestandteile zusammengesetzter Waren oder Dienstleistungen.

Keine berechtigten Verbraucherschutzinteressen

Auch berechtigte Verbraucherschutzinteressen können eine solche weitergehende lnformationspflicht nicht rechtfertigen. Dabei sollen die Informationen den Verbraucher nur

„in die Lage versetzen, das Für und Wider des Vertrags – und die beworbene Garantie stellt aus Sicht des Verbrauchers zweifellos einen Vorteil dar – abzuwägen, um sodann eine überlegte Entscheidung zu treffen. Allein dies ist maßgeblich, entspricht dem Erwägungsgrund (35) der VRRL und steht mit dem in Art. 1 der VRRL ausdrücklich genannten Zweck, zum Erreichen eines hohen Verbraucherschutzniveaus beizutragen, in Einklang.“ (so OLG Hamm, Urteil vom 25. August 2016 – l-4 U 1116 -, Rn. 54 – 58, juris)

Vorliegend spricht für eine lnformationspflicht insbesondere auch nicht, es könne, so das LG Hannover, „nicht ausgeschlossen werden, dass der bloße Hinweis in dem streitgegenständlichen Angebot auf das Bestehen gesetzlicher Gewährleistungsrechte zu Gunsten des Käufers ohne einen Hinweis auf bestehende Herstellergarantien nicht doch dem Verfügungsbeklagten einen Vorteil verschaffen könnte, etwa dann, wenn ein Verbraucher davon ausgeht, dass die bloß erwähnten gesetzlichen Gewährleistungsrechte für ihn besonders günstig seien”. Schon im Grundsatz ist es nicht die Funktion von lnformationspflichten, einen Verbraucher noch gleichsam rechtlich zu beraten und für ihn eine – objektiv nicht leistbare – rechtliche ,,Günstigkeitsprüfung” vorzunehmen.

Selbst nach Nr. I ist eine Information nur über das Bestehen eines gesetzlichen Mängelgewährleistungsrechts vorgeschrieben, nicht etwa dessen rechtliche Beurteilung etwa im Vergleich zu anderen Rechten des Verbrauchers. Zudem ist es auch wenig lebensnah, wieso ein Verbraucher ein Angebot mit Hinweis nur auf gesetzliche Gewährleistung aber ohne Herstellergarantie für vorteilhafter halten sollte als ein Angebot mit Hinweis auf gesetzliche Gewährleistung und Herstellergarantie. Insoweit fällt eine Abwägung des Verbrauchers, über das Für und Wider des Vertrags – und die beworbene Garantie stellt aus Sicht des Verbrauchers zweifellos einen Vorteil dar -” (so OLG Hamm, Urteil vom 25. August 2016 – l-4 U 1116 -, Rn. 54, juris) dann zwar ggfs. zum Nachteil des Unternehmers aus, aber den Vorteil des Unternehmers soll Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 EGBGB auch nicht sicherstellen.

Kein ersparter Aufwand des Händler

Eine lnformationspflicht ergibt sich auch nicht daraus, dass sich ein Unternehmer Aufwand erspart, wenn er keine Angaben über den Umfang und die Bedingungen einer Garantie zusammenstellen muss. Die lnformationspflichten dienen nicht dazu, bei allen Unternehmern einen bestimmten Aufwand zu erzwingen, zumal nicht dann, wenn der unterschiedliche Aufwand darauf beruht, dass ein Unternehmer mit einer Herstellergarantie wirbt und der andere nicht. Wer nicht mit einer Herstellergarantie wirbt, muss den Verbraucher auch nicht darüber informieren, ob und unter welchen Bedingungen die Herstellergarantie für den Verbraucher möglicherweise gilt.

Informationspflicht ist unpraktikabel

Schließlich würde eine andere Bewertung schlussendlich dazu führen, dass dann auch über das Bestehen und die Bedingungen von Kundendienst und Kundendienstleistungen Dritter informiert werden müsste, denn für diese könnte nichts anderes gelten als für Garantien Dritter. Hiermit würde die lnformationspflicht noch weiter und damit unpraktikabel ausgedehnt.

Fazit:

Die Entscheidungsgründe des Landgerichtes Hannover sind überzeugend. Die Anforderungen an Online-Händler in Bezug auf Verbraucher-Informationspflichten, die schon jetzt mehr als streng sind, dürfen nicht überspannt werden und einem Händler nicht Dinge abverlangen, die zu leisten er (rechtlich korrekt) eigentlich außerstande ist. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob das Urteil in der nächsten Instanz bestätigt wird bzw. wie sich die Rechtsprechung diesbezüglich entwickeln wird.

Sollten Sie Shop-Betreiber sein oder solcher werden wollen und haben Sie Fragen bzw. Beratungsbedarf bezüglich der vielfältigen Händlerinformationspflichten, so wenden Sie sich gerne an mich.



Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Daniel Atzbach MBA

Beiträge zum Thema