Ist eine Scheidung ohne Anwalt möglich?

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Um die Antwort vorwegzunehmen: Die Scheidung eines Ehepaars in Deutschland ganz ohne Anwalt ist nicht möglich. Wer bis hierhin auf eine Scheidung ohne allzu großen Kostenaufwand gehofft hatte, verfügt jedoch nach bzw. gerade wegen dem Studium dieses Artikels über eine Reihe wirklicher Optionen, Geld zu sparen. Dazu gehören die Prüfung auf Verfahrenskosten- oder Beratungshilfe, Einvernehmlichkeit über Scheidung und Scheidungsfolgen und der Weg, möglichst viel Kommunikation online zu führen (Videocalls mit dem Anwalt, elektronischer Versand aller Dokumente, usw.).

Ist das Trennungsjahr ohne Anwalt möglich?

Vor einer Scheidung ist in der Regel das Trennungsjahr vorgeschaltet. Dafür brauchen Sie keinen Anwalt. Im Trennungsjahr geht es darum, die endgültige Entscheidung darüber treffen, ob Ihre Ehe und Ihre eheliche Lebensgemeinschaft gescheitert sind und Sie wirklich die Scheidung wünschen. Dazu müssen Sie die Trennung von „Tisch und Bett“ vollziehen.

Doch Vorsicht: Gerade im Trennungsjahr werden maßgeblich die Weichen dafür gestellt, wie die nachfolgende Scheidung abgewickelt wird. Um inhaltliche und strategische Fehler möglichst zu vermeiden, die sich später schwer oder gar nicht korrigieren lassen, sollten Sie sich frühzeitig anwaltlich informieren und beraten lassen.

Gut zu wissen: Was kostet ein Anwalt?

Sind Sie an einer anwaltlichen Beratung interessiert, besteht die Option einer Erstberatung durch einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin. In einem Erstberatungsgespräch informiert Sie der Anwalt, was augenblicklich wichtig ist und in welche Richtung Sie Ihre Aktivitäten lenken sollten. Für die Erstberatung zahlen Sie eine Erstberatungsgebühr von höchstens ca. 250 €. Fehlt Ihnen dafür die Liquidität, besorgen Sie sich beim Amtsgericht unter Vorlage Ihrer Einkommensnachweise einen Beratungsschein.

Scheidung einreichen ohne Anwalt möglich?

Ob Sie für Ihre Scheidung einen Anwalt benötigen, hängt davon ab, ob Sie die Scheidung selbst beantragen, dem Scheidungsantrag Ihres Ehepartners zustimmen oder beim Familiengericht selbst Anträge stellen möchten.

Sie beantragen selbst die Scheidung

Möchten Sie die Scheidung beim Familiengericht einreichen, benötigen Sie einen Rechtsanwalt. Bei den Familiengerichten besteht bei der Scheidung der sogenannte Anwaltszwang. Nur ein Anwalt oder eine Anwältin sind befugt, Scheidungsanträge bei den Familiengerichten zu stellen. Die Gründe dafür leuchten ein. Bei einer Scheidung geht es nicht einfach nur darum, dass Ihre Ehe aufgelöst wird. Es geht auch darum, dass Sie Ihre eheliche Lebensgemeinschaft abwickeln.

Es gilt also zu klären, …

  • ob unterhaltsrechtliche Ansprüche bestehen,
  • ob Anspruch auf Zugewinnausgleich besteht,
  • ob und wie der Versorgungsausgleich durchgeführt wird,
  • ob der Hausrat verteilt ist,
  • wie das Sorgerecht und das Umgangsrecht für Ihr gemeinsames Kind geregelt und
  • ob und wie das Schicksal der bislang gemeinsam genutzten ehelichen Wohnung künftig gehandhabt wird.

Da damit eine Reihe rechtlicher Fragen verbunden ist, sind Sie im Regelfall auf anwaltliche Information und Beratung angewiesen. Das Familiengericht prüft daher, ob die mit der Scheidung im Zusammenhang stehenden Scheidungsfolgen streitig oder im gegenseitigen Einvernehmen geregelt sind.

Der Anwaltszwang rechtfertigt sich aus einem weiteren Grund. Scheidungen gehen meist mit einer hohen emotionalen Belastung beider Ehepartner einher. Wut, Enttäuschung, Rachegelüste und depressive Verstimmungen laden die Atmosphäre oft so emotional auf, dass ein sachgerechter Vortrag im Hinblick auf die Voraussetzungen, unter denen die Scheidung durchgeführt wird, kaum möglich ist. Es ist Aufgabe des Anwalts oder der Anwältin, dem Gericht all diejenigen Fakten vorzutragen, die das Familiengericht braucht, um über die Scheidung zu beschließen.

Praxistipp: Verfahrenskostenhilfe beantragen

Können Sie die Verfahrenskosten für Ihr Scheidungsverfahren nicht aus eigener Tasche bezahlen, haben Sie wahrscheinlich Anspruch auf staatliche Verfahrenskostenhilfe. Dazu ist das dafür amtlich vorgesehene Formular auszufüllen und idealerweise in Verbindung mit dem Scheidungsantrag beim Familiengericht einzureichen. Bewilligt das Familiengericht die Verfahrenskostenhilfe, brauchen Sie entweder überhaupt keine Gebühren zu zahlen oder Sie zahlen ab einer gewissen Einkommensgrenze die von der Gerichtskasse verauslagten Gebühren in Teilbeträgen an die Gerichtskasse zurück.

Sie stimmen dem Scheidungsantrag Ihres Ehepartners zu

Idealerweise betreiben Sie Ihre Scheidung im gegenseitigen Einvernehmen. Eventuell regelungsbedürftige Scheidungsfolgen regeln Sie außergerichtlich in einer Scheidungsfolgenvereinbarung. Für dieses Szenario genügt es, wenn nur ein Ehepartner einen Rechtsanwalt beauftragt und dieser den Scheidungsantrag beim Familiengericht stellt. Der andere braucht dem Scheidungsantrag nur noch zuzustimmen. Dafür wird kein weiterer Anwalt benötigt.

Soweit Sie dabei anwaltlich nicht vertreten sind, können Sie wegen des Anwaltszwangs allerdings selbst keine Anträge beim Familiengericht stellen. Sie stimmen nur zu. Dies genügt, damit das Familiengericht Ihre Scheidung beschließen kann.

Kann bei einer Scheidung ohne Anwalt der Versorgungsausgleich stattfinden?

Im Regelfall führt das Familiengericht von Amts wegen den Versorgungsausgleich durch. Da ein Ehepartner anwaltlich vertreten ist und den Scheidungsantrag eingereicht hat, wird der Versorgungsausgleich auch dann durchgeführt, wenn der andere Ehepartner dem Scheidungsantrag lediglich zustimmt und keinen eigenen Antrag zum Versorgungsausgleich stellt.

Scheidungsfolgenvereinbarung ohne Anwalt möglich?

Wenn Sie dem Scheidungsantrag Ihres Ehepartners zustimmen, brauchen Sie auf die Regelung regelungsbedürftiger Scheidungsfolgen nicht zu verzichten. Möchten Sie beispielsweise das Umgangsrecht oder den Ehegattenunterhalt geregelt wissen, treffen Sie in einer Scheidungsfolgenvereinbarung eine einvernehmliche Regelung. Diese Regelung sollten Sie mit Ihrem Rechtsanwalt oder Ihrer Rechtsanwältin im Entwurf besprechen und formulieren und sodann von einem Notar Ihrer Wahl beurkunden lassen. Die notarielle Beurkundung gewährleistet, dass die Vereinbarung rechtsverbindlich und notfalls auch zwangsweise vollstreckbar ist.

Eine Option kann auch sein, dass Sie die von Ihrem Anwalt entworfene Vereinbarung im mündlichen Scheidungstermin vom Familiengericht protokollieren lassen. Auch dann ist die Vereinbarung rechtsverbindlich und vollstreckbar. Eine solche Scheidungsfolgenvereinbarung ist der ideale Weg, die Scheidung im gegenseitigen Einvernehmen als einvernehmliche Scheidung abzuwickeln und den Kostenansatz für Ihr Scheidungsverfahren so gering wie möglich zu halten.

Wenn Sie beim Familiengericht selbst Anträge stellen wollen…

Möchten Sie beim Familiengericht selbst Anträge stellen, müssen Sie sich zwangsläufig anwaltlich vertreten lassen. Ungeachtet des Scheidungsantrags Ihres Ehepartners können Sie selbst einen Scheidungsantrag stellen und damit Vorsorge treffen, dass das Scheidungsverfahren fortgesetzt wird, falls der Ehepartner den eigenen Scheidungsantrag zurücknimmt. Vor allem, wenn eine Scheidungsfolge (z.B. Umgangsrecht) bislang nicht geregelt werden konnte, kann es sich empfehlen, über das Umgangsrecht gerichtlich zu verhandeln und entsprechende Anträge zu stellen. Dafür benötigen Sie einen eigenen Rechtsanwalt.

Muss ein Anwalt bei der Scheidung dabei sein?

Ein Anwalt muss bei der Scheidung insoweit dabei sein, als der Scheidungsantrag nur über einen Anwalt beim Familiengericht eingereicht werden kann. Darüber hinaus muss sich derjenige Ehepartner, der den Scheidungsantrag eingereicht hat, auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht durch seinen Anwalt oder seine Anwältin vertreten lassen. Erscheinen Sie allein vor dem Familiengericht, findet die Verhandlung nicht statt. Es genügt auch nicht, dass nur der Anwalt in der mündlichen Verhandlung auftritt. Es ist unabdingbar, dass Sie persönlich bei gleichzeitiger Anwesenheit Ihres Ehepartners vor dem Familiengericht im Scheidungstermin erscheinen.

Soweit der Ehepartner dem Scheidungsantrag des anderen zustimmt und keine eigenen Anträge stellt, braucht er/sie sich auch im mündlichen Scheidungstermin vor dem Familiengericht nicht anwaltlich vertreten zu lassen. Es genügt, wenn der Ehepartner zum Scheidungstermin persönlich erscheint. Er/sie braucht dann eigentlich nur die Frage des Gerichts zu beantworten, ob die Scheidung endgültig gewünscht wird.

Was kostet eine Scheidung ohne Anwalt?

Die Frage lässt sich nur so beantworten, dass derjenige Ehepartner, der dem Scheidungsantrag des anderen vorbehaltslos zustimmt und keine eigenen Sachanträge stellt, anwaltlich nicht vertreten zu sein braucht und deshalb auch keine Anwaltsgebühren bezahlen muss. Er/sie braucht sich auch nicht an den Anwaltsgebühren des anderen Partners zu beteiligen, es sei denn, die Partner vereinbaren ausdrücklich, dass sie wegen der einvernehmlichen Scheidung die Gebühren des notwendigerweise für den Scheidungsantrag zu beauftragenden Anwalts untereinander aufteilen.

Im Übrigen stehen noch die Gerichtsgebühren zur Debatte. Lassen Sie sich anwaltlich bei der Scheidung nicht vertreten, so dass die Scheidung einvernehmlich verläuft, werden die Gerichtsgebühren für das Scheidungsverfahren in der Regel unter den Ehepartnern aufgeteilt. Jeder zahlt die Hälfte. Die Entscheidung hierzu trifft das Familiengericht.

Alles in allem

Eine Scheidung ganz ohne Anwalt ist nicht möglich. Sie benötigen unabdingbar einen Anwalt oder eine Anwältin, wenn Sie den Scheidungsantrag beim Familiengericht einreichen wollen und müssen sich zudem vom Anwalt als Antragsteller im mündlichen Scheidungstermin vertreten lassen. Möchten Sie anderweitig Kosten bei der Scheidung sparen, können Sie

  • eventuelle Scheidungsfolgen außergerichtlich in einer Scheidungsfolgenvereinbarung regeln,
  • die Scheidung im gegenseitigen Einvernehmen mit dem Ehepartner abwickeln und
  • davon profitieren, dass Sie auf diesem Weg die Scheidung mit nur einem einzigen Anwalt bewerkstelligen können.
Foto(s): iurFRIEND

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