Kann die Infektion eines anderen mit dem Corona-Virus eine Straftat darstellen?

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Wenn jemand einen Mitmenschen mit Corona ansteckt, mache sich derjenige dann strafbar?

Ja, das könnte sein. Ganz von der Hand zu weisen ist der Gedanke nicht.

In den 80er Jahren wurde die Gesellschaft von einer neuartigen Krankheit namens AIDS heimgesucht. Bei dieser Krankheit hat der BGH für Strafsachen am 04. November 1988 entschieden:

"Ein HIV-Infizierter, der in Kenntnis seiner Ansteckung mit einem anderen ohne Schutzmittel Sexualverkehr ausübt, kann wegen gefährlicher Körperverletzung strafbar sein. Ist eine Übertragung des Aidserregers nicht feststellbar oder nachweisbar, kommt Strafbarkeit wegen Versuchs in Betracht."

Der BGH hat den Tatbestand der Körperverletzung angenommen, wenn ein Infizierter in Kenntnis seiner Infektion mit einem anderen ungeschützt in Kontakt kam, so dass eine Ansteckung möglich war und der Täter das zumindest billigend in Kauf genommen hat. Das Infizieren mit einem unter Umständen tödlichen Krankheitserreger hält der BGH überdies sogar für eine gefährliche Körperverletzung, weil sich mit § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB derjenige einer gefährlichen Körperverletzung strafbar macht, der die Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung begeht. Dabei sei nicht erforderlich, dass das Leben auch tatsächlich bereits objektiv in Gefahr gerät. Es genügt, dass sich die Ansteckung wegen ihrer allgemeinen Gefährlichkeit dazu eignet.

Was bedeutet das nun für das Corona-Virus?

Corona ist natürlich nicht mit dem HIV-Erreger direkt vergleichbar. Aber das Corona-Virus birgt ebenso das Risiko schwerer Krankheitsverläufe und sogar bei vormals gesunden Patienten das Risiko, an einer Infektion zu sterben. Seine Gefährlichkeit kann man objektibv an seiner arbeitsschutzrechtlichen Einordnung ablesen. Denn gemäß § 3 der Biostoffverordnung werden Biostoffe anhand des Infektionsrisikos in 4 Risikogruppen eingeteilt. Das Coronavirus ist hier in der zweithöchsten Risikogruppe 3 eingeordnet, was bedeutet, dass das Corona-Virus eine schwere Krankheit beim Menschen hervorrufen und eine ernste Gefahr darstellen kann. Diese Einstufung legt nahe, dass die Infektion mit dem Corona-Virus durchaus die vom BGH für das HIV-Virus entwickelten Kriterien erfüllen könnte.

Hierzu gibt es noch keine Rechtsprechung. Und deswegen kann man noch keine gesicherte Aussage zur Strafbarkeit treffen. Aber es wird deutlich, dass die Weitergabe einer Infektion mit Corona alles andere als harmlos ist und jedenfalls den Tatbestand der Körperverletzung erfüllen kann. Unter Umständen muss eine Infektion auch als gefährliche Körperverletzung eingestuft werden, was insbesondere dann der Fall sein könnte, wenn das Opfer vulnerabel ist und der Täter das wusste.

Nun kommt bei einer Corona-Infektion aber tatsächlich nicht bloß eine aktive Täterschaft in Frage. Eine Körperverletzung kann nämlich auch durch Unterlassen begangen werden. Dann nämlich, wenn ein Dritter gegenüber dem Opfer eine sogenannte Garantenstellung im Sinne von § 13 StGB inne hat, also selbst dafür zu sorgen hatte, dass das Opfer nicht mit einem gefährlichen Virus infiziert wird. Eine solche Konstellation ist im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses aber auch bei einer Schule oder Kita denkbar. Weiß z.B. ein Arbeitgeber oder weisungsbefugter Vorgesetzter von einer positiven Coronainfektion eines Mitarbeiters und lässt er diesen ungeschützt mit anderen Mitarbeitern zusammen arbeiten, kann das den Tatbestand der Körperverletzung durch Unterlassen begründen. Dasselbe gilt für einen Klassenlehrer oder Schulleiter, der infizierte Schüler ohne Maske am Unterricht teilnehmen lässt und dabei die Infektion von Mitschülern in Kauf nimmt.

Das kann schwerwiegende Folgen auch für den Täter haben. Denn zunächst einmal ist eine Strafanzeige wegen gefährlicher Körperverletzung schon für sich äußerst unangenehm. Doch können dem Opfer oder im schlimmsten Fall auch den Hinterbliebenen zusätzlich noch Schadenersatzansprüche wie z.B. Schmerzensgeld zustehen, was im Rahmen eines Strafverfahrens im sog. Adhäsionsverfahren gleich mit verhandelt und entschieden werden kann.

Es ist momentan daher wichtig, dass sich jeder dieser Situation bewusst ist. Politisch wird derzeit mit der allerorten begrüßten Einstellung aller Corona-Schutzmaßnahmen zum 01.03.2023 nämlich der Eindruck vermittelt,die Pandemie sei beendet und es bestünde für niemanden mehr eine ernste Gefahr. Doch das ist eine trügerische Sicherheit, denn zum einen ist das Virus nicht besiegt und immer noch fleißig unterwegs und zum anderen kann sich niemand im Falle einer eigenen Infektion sicher sein, nicht andere anzustecken. Wie immer gilt: Prävention ist der bessere Weg.

Bleiben Sie gesund. Und wenn es doch passiert, nehmen Sie Rücksicht auf Ihre Mitmenschen und schützen sich und andere mit einer Maske. Dann wird alles gut.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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