Kein Wegerecht aus Gewohnheit – Muss der Grundstücksnachbar nun fliegen?

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Hat ein Grundstück keine direkte Zuwegung zu einer öffentlichen Straße, z. B., weil es nach einer Teilung das hinter liegende Grundstück ist, stellt sich die Frage, wie der Nachbar zu seinem Grundstück gelangen soll. Gerade in der heutigen Zeit, in der Verdichtungsbebauung zum Alltag gehört, stellt sich dieses Problem vermehrt. Der Gesetzgeber hat dieses Problem gelöst, indem er dem hinter liegenden Grundstück (herrschenden Grundstück) ein Wegerecht zugesprochen hat.

Mit dem Wegerecht wird das Recht bezeichnet, einen Weg als Durchgang zu benutzen, der über ein fremdes Grundstück (dienendes Grundstück) führt.

Dabei wird zwischen einem Geh- und Fahrtrecht unterschieden. Während bei einem Gehrecht entsprechend seiner Bezeichnung das fremde (dienende) Grundstück nur zu Fuß benutzt werden darf, kann bei einem Fahrtrecht das Grundstück mit Fahrzeugen befahren werden. Ein solches Geh- und Fahrtrecht kann zwischen den betroffenen Grundstückseigentümern vereinbart und durch Eintragung im Grundbuch abgesichert werden. Einen gesetzlichen Anspruch auf Nutzungsentschädigung besteht bei dem vertraglich vereinbarten Wegerecht nicht, kann in die Vereinbarung der Parteien aufgenommen werden.

Haben sich die Eigentümer nicht verständigt, stellt sich die Frage der Ansprüche untereinander. Im Gesetz ist in § 917 BGB das sog. Notwegerecht geregelt. Demnach muss der Grundstückseigentümer des dienenden Grundstücks die Benutzung durch den Grundstückseigentümer des herrschenden Grundstücks dulden, wenn eine notwendige Verbindung zu einer öffentlichen Straße fehlt.

In dem von dem BGH am 22.11.2019 entschiedenen Fall (AZ.: V ZR 155/18) befuhr die Klägerin das Grundstück der Beklagten, um zu den hinter liegenden Garagen zu gelangen. In der Vergangenheit war dieser Umstand durch frühere Eigentümer geduldet worden. Mit Wirkung zum 31.12.2016 kündigte die Beklagte den „Leihvertrag über das schuldrechtlich, bestellte Wegerecht“ und kündigte an, den Weg ab dem 01.01.2017 mittels einer Toranlage zu versperren.

Die Klägerin beantragte klageweise gegenüber der Beklagten, die Klägerin nicht an der Nutzung des Grundstücks zu hindern. Nachdem das Landgericht in der 1. Instanz sowie das Oberlandesgericht in dem Berufungsverfahren der Klägerin Recht gaben, musste sich die Klägerin vor dem BGH geschlagen geben.

Kein gewohnheitsrechtliches Wegerecht auf dem Nachbargrundstück, lautet die Entscheidung des BGH.

Zwar entsteht ein Gewohnheitsrecht durch längere tatsächliche Übung, die eine dauernde und ständige, gleichmäßige und allgemeine ist und von den Beteiligten als verbindliche Rechtsnorm anerkannt wird. Gewohnheitsrecht kann als dem Gesetz gleichwertige Rechtsquelle allgemeiner Art nur zwischen einer Vielzahl von Rechtsindividuen und in Bezug auf eine Vielzahl von Rechtsverhältnissen entstehen, nicht aber beschränkt auf ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen einzelnen Grundstücksnachbarn. Ein solcher Fall lag in dem zu entscheidenden Sachverhalt nicht vor. Dabei verwies der BGH darauf, dass ein Wegerecht entweder im Rahmen einer Vereinbarung zwischen den Eigentümern oder aufgrund eines Notwegerechtes nach § 917 BGB besteht. Ein darüber hinausgehendes Recht der Begründung im Rahmen einer dauernden Übung bedarf es daher nicht.

Insoweit ist in den Fällen, in denen keine Vereinbarung der Beteiligten vorliegt, zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Notwegerechtes nach § 917 BGB vorliegen. Daher sind die betroffenen Eigentümer nicht rechtlos gestellt und müssen nicht zu ihren Grundstücken fliegen. Einen Nachteil hat das Notwegerecht dennoch – dem Eigentümer des dienenden Grundstücks ist eine entsprechende Nutzungsentschädigung zu zahlen.

Ninja Lorenz

Kanzlei Schwede


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