Keine Entschädigung wegen Mobbings "bei üblichen" Konfliktsituationen - Kein Schmerzensgeld

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Das Landesarbeitsgericht Hamm hat Anfang des Jahres 2021 mit seinem Urteil zulasten eines Arbeitnehmers entschieden, der Schmerzensgeldansprüche wegen Mobbings gegenüber seinem Arbeitgeber geltend machte.

Der seit 1977 bei der Beklagten beschäftigte Kläger war als Mitarbeiter in einem Zentrallager tätig. Aufgrund von anhaltenden Rückenbeschwerden kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis aus krankheitsbedingten Gründen. Infolge eines gerichtlichen Vergleichs verständigten sich die Parteien darauf, dass das Arbeitsverhältnis fortgesetzt und zu einem späteren Zeitpunkt aufgrund eines zuvor geschlossenen Aufhebungsvertrags enden werde.

Der Kläger machte nun Schmerzensgeldansprüche gegenüber der Beklagten wegen Mobbings und „Bossings“ geltend. Aufgrund des durch den Arbeitgeber ausgeübten Drucks habe der Kläger psychische Schäden erlitten und körperliche Beeinträchtigungen erfahren. Insbesondere sei der Beklagten vorzuwerfen, dass sie die Beschwerden des Klägers nicht anerkannt habe und sich infolge der Wiederaufnahme des Arbeitsverhältnisses nicht angemessen verhalten habe.

Fehlen der haftungsausfüllenden Kausalität

Das LAG Hamm (1. Kammer, Urteil vom 12.02.2021 – 1 Sa 1220/20) wies die Berufung des Klägers zurück. Es sei weder ein Anspruch wegen einer Verletzung des Körpers und der Gesundheut aus § 253 Abs. 2 BGB, noch aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gegeben.

Der Kläger habe die sog. haftungsausfüllende Kausalität nicht schlüssig dargelegt. Es fehle an einem umfassenden Vortrag des Klägers weshalb die Verletzungshandlungen zu einer Rechtsgutsverletzung geführt haben sollen.


Grundsätzlich Schadensersatzanspruch wegen Mobbings möglich


Nach Auffassung des LAG Hamm könne ein vertraglicher Schadensersatz wegen Mobbings oder „Bossings“ gegeben sein, soweit eine Verletzung von Pflichten durch den Arbeitgeber vorliegt. Solche Pflichten können sich insbesondere aus dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit den Verhaltenspflichten zur Rücksichtnahme und dem Schutz der Rechte und Interessen des Arbeitnehmers ergeben.

„Den Arbeitgeber trifft die Verpflichtung, die Gesundheit und das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers zu schützen. Er hat für schuldhafte Rechtsverletzungen seiner Erfüllungsgehilfen [z.B. anderer Arbeitnehmer] einzutreten.“

Das verfassungsrechtlich gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht falle als sonstiges Recht unter § 823 Abs. 1 BGB und sei daher grundsätzlich auch schadensersatzfähig.


Kein Mobbing, lediglich übliche Meinungsverschiedenheiten



Eine Schadensersatzpflicht treffe den Arbeitgeber jedoch nur dann, wenn die Grenze zum sozialadäquaten und rechtmäßigen Verhalten in der Weise überschritten wird, dass die Würde des Arbeitnehmers, beispielsweise durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen verletzt wird.

„Es ist zu beachten, dass nicht jede Auseinandersetzung, Meinungsverschiedenheit oder nicht gerechtfertigte Maßnahme des Arbeitgebers eine rechtswidrige und vorwerfbare Verletzung der Rechtsgüter des Arbeitnehmers darstellt und damit die Rechtsqualität einer unerlaubten Handlung oder eines Verstoßes gegen die Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB einnimmt. Konfliktsituationen, die im Arbeitsleben üblich sind, erfüllen auch bei längerer Fortdauer nicht bereits für sich gesehen die Tatbestandsvoraussetzungen. Aufgrund einer objektiven Betrachtungsweise, die das subjektive Empfinden des betroffenen Arbeitnehmers ausblendet, ist festzustellen, ob das beklagte Verhalten des Arbeitgebers rechtsfolgenlos bleibt, weil es sozial- und rechtsadäquat ist.“


Kein Schadensersatzanspruch des Klägers


So im Fall des Klägers, bei dem das Gericht keine rechtswidrige und vorwerfbare Verletzung der Rechtsgüter des Klägers feststellen konnte. Es handle sich vielmehr um Meinungsverschiedenheiten, die über einen längeren Zeitraum bestanden haben. Die durch die häufigen Erkrankungen des Arbeitnehmers begründete Kündigung war darüber hinaus auch sozial gerechtfertigt, sodass auch hierin keine vorwerfbare Handlung liegen könne. Weitere Verhaltensweisen der Beklagten hätten aufgrund unzureichenden Vortrags keine Berücksichtigung gefunden.


Fazit:



Die Grenze des durch den Arbeitgeber ausgeübten sozialadäquaten Verhaltens ist im Rahmen einer Gesamtschau der Umstände zu betrachten, um eine mögliche Rechtsverletzung festzustellen. Dabei ist von Mobbing dann auszugehen, wenn eine planmäßig gesteuerte Vorgehensweise des Arbeitgebers vorliegt, welche die Würde des Arbeitnehmers verletzt und durch die ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen geprägtes Umfeld geschaffen werden soll.

Damit ein Schmerzensgeld für die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gewährt wird, ist jedoch wie bei allen Ansprüchen ein umfassender Vortrag zu den Tatsachen notwendig, welcher belegt, dass sich aus dem Verhalten des Arbeitgebers tatsächlich eine Verletzung ergeben hat.




Stephan Kersten

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Foto(s): LINDEMANN Rechtsanwälte

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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