Können Urlaubsansprüche verjähren? Aussetzung laufender Klageverfahren geboten

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Arbeitnehmer/innen haben im Arbeitsverhältnis Anspruch auf Urlaub. Der gesetzliche Mindesturlaub beträgt auf Basis einer 5-Tage-Arbeitswoche im Jahr 20 Urlaubstage. Durch Arbeitsvertrag oder einen gegebenenfalls geltenden Tarifvertrag kann zusätzlicher Urlaub vereinbart werden. Wann vertraglicher oder tariflicher mehr Urlaub verfällt, kann im Arbeit-bzw. Tarifvertrag geregelt werden. Der gesetzliche Mindesturlaub unterliegt aber nicht der Disposition der Vertragsparteien.

In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass Urlaubsansprüche nicht in vollem Umfange genutzt werden, auch wenn dies möglich gewesen wäre. Früher ging die Rechtsprechung auf Basis des Bundesurlaubsgesetzes davon aus, dass Urlaubsansprüche, die Arbeitnehmer/innen nicht in Anspruch nehmen, verfallen.

Im Anschluss an die Entscheidung des EuGH vom 6. November 2018 (C-684/16) zu Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG sowie zu Art. 31 Abs. 2 der Charta hat das BAG seine bisherige Rechtsprechung dahin geändert, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub bei einer richtlinienkonformen Auslegung von § 7 BUrlG grundsätzlich nur dann am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums erlischt, wenn der/die Arbeitgeber/in den/die Arbeitnehmer/in zuvor in die Lage versetzt hat, den Urlaubsanspruch wahrzunehmen, und der/die Arbeitnehmer/in den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat (BAG, 19. Februar 2019, 9 AZR 423/16).

Das bedeutet, dass Arbeitgeber/innen vor Ablauf des Urlaubsjahres (Kalenderjahres) alle Arbeitnehmer/innen konkret auf bestehenden Resturlaub hinweisen müssen mit der Aufforderung, diesen bis zum Ende des Urlaubsjahres zu beanspruchen. Nur wenn Arbeitnehmer/innen nach entsprechend konkretem Hinweis den Urlaub dennoch nicht beanspruchen, kann er verfallen.

Seit der Entscheidung des BAG setzen manche (aber bei weitem nicht alle) Arbeitgeber/innen diese Hinweispflicht um. Vor dieser Entscheidung, also bis Ende des Urlaubsjahres 2018, gab es für derartige Hinweise aus Sicht der Arbeitgeber/innen keinen Anlass. Derartige Hinweise wird es daher für Urlaubsjahre bis einschließlich 2018 in aller Regel nicht geben.

In der Praxis gibt es immer wieder Fälle, in denen Resturlaubsansprüche für viele zurückliegende Jahre rechnerisch noch bestehen und von Arbeitnehmer/innen geltend gemacht werden, meistens als Urlaubsabgeltungsanspruch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Es stellt sich dann die Frage, ob die Urlaubsansprüche der regelmäßigen Verjährung unterliegen und damit nach Ablauf von drei Jahren seit Ende des Urlaubsjahres verjährt sind - und zwar auch dann, wenn es entsprechende Hinweise der Arbeitgeber/innen nicht gegeben hat.

Das Bundesarbeitsgericht hat einen entsprechenden Fall zu entscheiden und hat diesen nunmehr dem EuGH vorgelegt. Dies ist erforderlich, da nur der EuGH verbindlich über die Auslegung von Unionsrecht (hier der Richtlinie 2003/88/EG) entscheiden darf.

Es ist also derzeit noch ungeklärt, ob Urlaubsansprüche nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist verjähren. In entsprechenden Fällen sollte daher unter Hinweis auf das Vorlageverfahren die Aussetzung laufender arbeitsgerichtlicher Verfahren beantragt werden. Wichtig ist, dass es sich bei der Verjährung um eine sogenannte Einrede handelt, die das Gericht nicht von allein berücksichtigen darf. Arbeitgeber müssen sich in entsprechenden Klagefällen daher ausdrücklich auf die Verjährung berufen und die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung der Vorlagefrage durch den EuGH beantragen.


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