Kündigung des Ausbildungsverhältnisses: Was haben Arbeitgeber und Auszubildende zu beachten?

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Das Berufsausbildungsverhältnis ist nach Rechtsprechung des BAG kein gewöhnliches Arbeitsverhältnis, sondern ein eigenes Rechtsverhältnis mit besonderen Haupt- und Nebenpflichten. Ist der Auszubildende noch minderjährig, gelten zusätzliche Bestimmungen nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG). Bei minderjährigen Auszubildenden gibt es zudem meist die Problematik der Zustellung. Denn die Kündigung wird erst wirksam, wenn sie den gesetzlichen Vertretern des Auszubildenden tatsächlich zugeht.

Beendigung des Ausbildungsverhältnisses

Das Ausbildungsverhältnis endet in der Regel nach § 21 Abs. 1 BBiG mit dem Ablauf der Ausbildungszeit. Wenn der Auszubildende die Prüfung vor Ablauf der Ausbildungszeit ablegt, endet das Ausbildungsverhältnis bereits mit Bekanntgabe des Ergebnisses durch den Prüfungsausschuss nach § 21 Abs. 2 BBiG.

Kündigung durch den Arbeitgeber

Die Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses stellt Arbeitgeber immer wieder vor große Herausforderungen, da die Voraussetzungen für eine wirksame Kündigung je nach Zeitpunkt der beabsichtigten Kündigung gesetzlich festgelegt sind.

Zu beachten sind ergänzend auch stets die Regelungen im Ausbildungsvertrag und eventuelle tarifvertragliche Vorgaben.

Kündigung in der Probezeit

Das Ausbildungsverhältnis beginnt mit einer Probezeit, deren Dauer zwischen 1 Monat und 4 Monaten ausdrücklich und schriftlich vereinbart werden muss. Bei der Berechnung erfolgt jedoch keine Anrechnung von Zeiten, in denen bereits ein anderes Vertragsverhältnis zwischen dem Auszubildenden und dem Ausbilder bestanden hat, etwa in Form eines Praktikums, denn § 20 BBiG knüpft einzig an den Bestand des Ausbildungsverhältnisses an. Andererseits kann aber auch keine erneute Probezeit vereinbart werden, wenn bereits ein Berufsausbildungsverhältnis zwischen den Parteien bestanden hat, sofern es sich sachlich und praktisch gesehen um ein einziges Berufsausbildungsverhältnis handelt. Für das Vorliegen des engen sachlichen Zusammenhangs zwischen beiden Ausbildungsverhältnissen trägt der Auszubildende die Darlegungs- und Beweislast.

Während der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis jederzeit ohne Einhalten einer Kündigungsfrist mit sofortiger Wirkung und ohne Nennung eines Grundes ordentlich entfristet gekündigt werden nach § 22 Abs. 1 BBiG.

Insofern kann die Kündigung auch am Morgen des letzten Tages der vereinbarten Probezeit mit sofortiger Wirkung erklärt werden. Jedoch ist zu beachten, dass die Kündigung stets schriftlich erfolgen muss. Außerdem ist der Zugang des Kündigungsschreibens entscheidend, denn die Kündigung wird erst mit dem Zugang wirksam. Liegt der Zugang der Kündigung außerhalb der Probezeit, ist die Kündigung auch nicht während der Probezeit erfolgt und damit gelten die Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 BBiG nicht mehr.

Die Angabe von Kündigungsgründen ist bei einer Kündigung während der Probezeit nicht notwendig.

Es kann durch das zusätzliche Vorbringen von wichtigen Kündigungsgründen auch nicht ohne weiteres hilfsweise die fristlose Kündigung nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG erklärt werden, weil der Arbeitgeber beispielsweise befürchtet, dass die Kündigung erst nach Ablauf der Probezeit verspätet zugeht. Denn nach Ablauf der Probezeit ist eine ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber nicht mehr möglich. Für eine fristlose Kündigung nach Ablauf der Probezeit gelten jedoch strenge Voraussetzungen. Das hilfsweise Vorbringen von Kündigungsgründen reicht für eine Umdeutung nicht aus, da damit eine ordentliche Kündigung in eine außerordentliche Kündigung umgedeutet werden würde. Vielmehr müssen dann auch alle weiteren Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung gegeben sein.

Insofern sollte der Arbeitgeber rechtzeitig die Entscheidung treffen, ob er die Kündigung in der Probezeit oder nach Ablauf der Probezeit aussprechen will.

Kündigung nach Ablauf der Probezeit

Nach Ablauf der Probezeit kann das Ausbildungsverhältnis vom Arbeitgeber nur noch aus wichtigem Grund nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG fristlos gekündigt werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die in § 626 BGB entwickelten Maßstäbe nicht ohne weiteres gelten. Vielmehr ist vor dem Hintergrund der besonderen Rechtsnatur des Ausbildungsverhältnisses eine Interessensabwägung im Hinblick auf die noch verbleibende Ausbildungsdauer vorzunehmen. Eine Kündigung kurz vor Ende der Berufsausbildung ist somit so gut wie unmöglich.

Bei einer fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund durch den Arbeitgeber muss die Schriftform eingehalten werden und die Kündigungsgründe müssen konkret angegeben werden gemäß § 22 Abs. 3 BBiG. Nicht ausreichend sind Angaben wie „untragbares Verhalten“, „Störung des Betriebsfriedens“ oder „häufiges Zuspätkommen“. Zudem muss die Kündigung aus wichtigem Grund innerhalb von 2 Wochen nach Kenntnisnahme der zugrundeliegenden Tatsachen durch den zur Kündigung Berechtigten erfolgen gemäß § 22 Abs. 4 Satz 1 BBiG.

Dabei ist zu beachten, dass eine fristlose Kündigung während der Ausbildung immer durch eine, am besten schriftliche, Abmahnung angekündigt werden sollte. Im Regelfall sollte der Auszubildende zwei einschlägige Abmahnungen erhalten haben. Dabei ist zu beachten, dass sich die Kündigung und die zwei Abmahnungen auf dieselbe Art von vertragswidrigem Verhalten beziehen müssen. Jedoch sind die Rechtswirkungen einer Abmahnung zeitlich begrenzt. Hat der Auszubildende längere Zeit seine Pflichten erfüllt, kann eine Abmahnung damit gegenstandslos werden. Zwar gibt es dafür keine festgelegten Fristen, doch dürften Abmahnungen, die länger als ein Jahr zurückliegen, in der Regel gegenstandslos sein.

Verdachtskündigung eines Auszubildenden

Es ist denkbar, dass der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des Auszubildenden einen wichtigen Grund zur Kündigung nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG darstellen kann, wenn der Verdacht auch bei Berücksichtigung der Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses objektiv unzumutbar macht. Die Voraussetzungen müssen aber sehr eng ausgelegt werden und den Arbeitgeber trifft die Pflicht, alles Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhaltes zu unternehmen und dem Auszubildenden die Möglichkeit zur Anhörung zu geben. Interessant ist in diesem Zusammenhang der Fall eines Auszubildenden, dessen Ausbildungsverhältnis in einer Sparkasse wegen seiner vermuteten Spielsucht rechtmäßig gekündigt worden ist (BAG, Urteil v. 12.2.2015, Az.: 6 AZR 845/13).  

Kündigung durch den Auszubildenden

Kündigung in der Probezeit

Auch der Auszubildende kann innerhalb der vereinbarten Probezeit jederzeit ohne Einhalten einer Kündigungsfrist entfristet mit sofortiger Wirkung und ohne Angabe von Gründen das Ausbildungsverhältnis beenden.

Die Kündigung muss schriftlich erfolgen.

Kündigung nach Ablauf der Probezeit

Nach Ablauf der Probezeit kann das Ausbildungsverhältnis vom Auszubildenden ebenfalls aus wichtigem Grund gemäß § 22 Abs. 2 Nr.1 BBiG gekündigt werden. Nach § 22 Abs. 3 BBiG muss die Kündigung schriftlich und unter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen. In der fristlosen Kündigung muss der Auszubildende die schweren Pflichtverletzungen des Arbeitgebers konkretisiert benennen. Als wichtige Gründe gelten beispielhaft unter anderem „häufige Verstöße gegen das JArbSchG oder das Arbeitszeitgesetz“, „sexuelle Belästigungen oder körperliche Gewalt am Arbeitsplatz“, „die Ausführung von ausbildungsfremden Tätigkeiten, die nicht zu dem Ausbildungsberuf gehören, in großem Ausmaß“ oder „ausbleibende Ausbildungsvergütung“.

Zu beachten ist jedoch, dass als wichtiger Grund nur eine solche Pflichtverletzung gilt, die der Ausbilder nicht oder nur langfristig beheben kann (wenn es z. B. gar keinen Ausbilder im Betrieb gibt) oder wenn es sich um eine Pflichtverletzung handelt, die absolut unzumutbar ist (z. B. sexuelle Belästigung oder extremes Mobbing).

Ansonsten muss der Auszubildende den Arbeitgeber vorher am besten schriftlich auf die Pflichtverletzung hinweisen und ihn auffordern, die entsprechenden Umstände zu ändern. Erst wenn diese Abmahnung nicht zum Erfolg führt, kann der Auszubildende kündigen.

Im Falle der Kündigung gilt wiederum die Zwei-Wochen-Frist nach § 22 Abs. 4 Satz 1 BBiG. Der auslösende Kündigungsgrund darf nicht länger als zwei Wochen bekannt sein. Wenn der Auszubildende minderjährig ist, müssen die gesetzlichen Vertreter die Kündigung unterschreiben.

Kündigung wegen Berufswechsel oder Berufsaufgabe

Im Gegensatz zum Arbeitgeber, der nach Ablauf der Probezeit nur noch außerordentlich aus wichtigem Grund kündigen kann, steht dem Auszubildenden noch eine weitere Kündigungsmöglichkeit zur Verfügung. Dabei handelt es sich um die ordentliche Kündigung nach § 22 Abs. 2 Nr. 2 BBiG wegen Berufswechsel oder Berufsaufgabe. Mit einer Kündigungsfrist von 4 Wochen kann der Auszubildende das Ausbildungsverhältnis schriftlich kündigen, wenn er die Ausbildung gänzlich aufgibt, also z. B. studieren möchte, oder in einen anderen Ausbildungsberuf wechseln möchte. Die Kündigung ist aber nicht zulässig, wenn der Auszubildende nur den Betrieb wechseln möchte und im gleichen Ausbildungsberuf verbleibt. In diesem Fall wäre es angeraten, einen Aufhebungsvertrag mit dem Arbeitgeber zu schliessen. Allerdings muss der Arbeitgeber diesem zustimmen.

Schadensersatz bei vorzeitiger Beendigung des Ausbildungsverhältnisses

Wird das Ausbildungsverhältnis nach der Probezeit vorzeitig aufgelöst, können nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BBiG der Ausbilder oder der Auszubildende Schadensersatz verlangen, wenn die andere Person den Grund für die Auflösung zu vertreten hat. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Auszubildende ordentlich wegen Berufswechsel oder Berufsaufgabe nach § 22 Abs. 2 Nr. 2 BBiG gekündigt hat.

Schlichtungsverfahren / Arbeitsgerichtliche Streitigkeit

Grundsätzlich sind für Streitigkeiten aus Berufsbildungsverhältnissen die Arbeitsgerichte nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG zuständig. Allerdings sind gemäß § 111 Abs. 2 ArbGG in einigen Berufszweigen, so im Handwerk, Schlichtungsausschüsse für Streitigkeiten zwischen Auszubildenden und Ausbilder eingerichtet. Gemäß § 111 Abs. 2 Satz 5 ArbGG ist dann die vorherige Durchführung des Schlichtungsverfahrens zwingende Prozessvoraussetzung für die wirksame Erhebung einer Kündigungsschutzklage. Ansonsten wird die Klage als unzulässig abgewiesen. Der Mangel der Nichtanrufung des Schlichtungsausschusses kann jedoch nach Klageeinreichung geheilt werden, wenn das Schlichtungsverfahren gemäß § 111 Abs. 2 ArbGG nachgeholt wird. Zu beachten ist, dass die Klagefrist des § 4 KSchG nicht für die Anrufung des Schlichtungsausschusses gilt.

Ist ein Schlichterspruch ergangen und wird dieser nicht innerhalb 1 Woche von beiden Parteien anerkannt, so kann innert 2 Wochen nach ergangenem Spruch Klage beim zuständigen Arbeitsgericht gemäß § 111 Abs. 2 Satz 3 ArbGG erhoben werden.

Fazit: Die Kündigung eines Ausbildungsverhältnisses ist für beide Seiten nach Ablauf der Probezeit nur unter der Beachtung enger Voraussetzungen möglich. Erschwerend kommt das besondere Abhängigkeitsverhältnis hinzu. Darum sollte die Probezeit möglichst nicht zu kurz gewählt werden und auch kleinere Unstimmigkeiten sollten frühzeitig angesprochen werden.

Für weitere Fragen oder das Erstellen von Abmahnungen, Kündigungsschreiben, Aufhebungsverträgen, Auflösungsverträgen, Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen oder sonstigen Ansprüchen, Anträgen an die zuständige Schlichtungsstelle oder Klageschriften bitte mit unserer Kanzlei Kontakt aufnehmen.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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