Kündigung während Kurzarbeit - bekomme ich wieder volles Gehalt bis zum Ende der Kündigungsfrist?

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Welches Gehalt bekomme ich bis zum Ende meiner Kündigungsfrist, wenn ich während der Kurzarbeit kündige oder aber gekündigt werde? Diese Frage dürfte mehr und mehr relevant werden, wenn die momentane Situation bezüglich der Kurzarbeit in vielen Firmen anhält und ein Arbeitsvertrag, aus welchen Gründen auch immer, in der Zeit bestehender Kurzarbeit beendet wird.

 

Wo ist dabei das Problem?

Das Problem liegt darin, dass das Kurzarbeitergeld, welches seitens der Bundesagentur für Arbeit gezahlt wird, an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist. Fallen diese Voraussetzungen weg, entfällt auch der Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Wichtig ist hier vor allem § 98 Abs. 1 Nr. 2 SGB III, welcher als persönliche Anspruchsvoraussetzung bestimmt, dass „das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt oder durch Aufhebungsvertrag aufgelöst ist“. Das ist verständlich, soll doch die Zahlung des Kurzarbeitergeldes die Möglichkeit schaffen, den Arbeitsplatz trotz Krise zu erhalten. Ist das Arbeitsverhältnis aber gekündigt, kann dieses Schutzziel nicht mehr erreicht werden, der Anspruch fällt weg oder aber besteht erst gar nicht.

Beispiel 1: Das Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmer A wird am 30.09. mit Frist zum 31.12. gekündigt. Bis zum Ende der Kündigungsfrist wird Arbeitnehmer A von der Arbeit freigestellt. Am 01.11. wird im Betrieb Kurzarbeit eingeführt. In diesem Fall besteht schon für Arbeitnehmer A keinerlei Anspruch auf Kurzarbeitergeld, denn das Ziel der Kurzarbeit, den Erhalt des Arbeitsplatzes zu sichern, kann aufgrund der erfolgten Kündigung nicht mehr erreicht werden. Die Folge ist, dass A trotz Kurzarbeit im Betrieb seinen vollen Lohnanspruch gegenüber dem Arbeitgeber bis zum Ende der Kündigungsfrist behält. Daran ändert sich auch nichts, wenn alle anderen Arbeitnehmer ab dem 01.11. nur verkürzten Lohn aufgrund der Kurzarbeit erhalten.

 

Allerdings ist damit nicht geklärt, was mit dem Lohnanspruch passiert, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses während der bereits eingeführten Kurzarbeit erfolgt, der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Einführung der Kurzarbeit die persönlichen Voraussetzungen für den Bezug des Kurzarbeitergeldes erfüllt hat und dieses ggf. auch bereits problemlos bezogen hat.

 

Beispiel 2.: Im Betrieb gilt ab 01.09. Kurzarbeit. Alle Mitarbeiter beziehen daher Kurzarbeitergeld, so auch Arbeitnehmer A. Das Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmer A wird am 30.09. zum 31.12. gekündigt. Bis zum Ende der Kündigungsfrist wird Arbeitnehmer A von der Arbeit freigestellt.

In diesem Fall erfüllte Arbeitnehmer A zum Beginn der Einführung der Kurzarbeit unzweifelhaft die notwendigen Voraussetzungen für den Erhalt des Kurzarbeitergeldes, denn zum 01.09. bestand sein Arbeitsverhältnis ungekündigt fort. Allerdings sind die gesetzlichen Voraussetzungen des § 98 Abs. 1 Nr. 2 SGB III mit der Kündigung des Arbeitsvertrags nachträglich entfallen. Folglich erhält Arbeitnehmer A jedenfalls kein Kurzarbeitergeld ab dem Zeitpunkt der Kündigung. Bis hierhin ist die rechtliche Situation weitestgehend klar.

Es stellt sich allerdings mit Blick auf Beispielfall 1 nun die durchaus berechtigte Frage: wenn der Anspruch auf Kurzarbeitergeld gegenüber der Bundesagentur für Arbeit wegfällt, lebt dann der volle vertragliche Lohnanspruch gegenüber dem Arbeitgeber wieder auf? Eine verbindliche Antwort erscheint derzeit nicht möglich. Eine gesetzliche Grundlage hierzu fehlt, Entscheidungen der Gerichte sind derzeit so gut wie nicht vorhanden.

Sofern der Fall einer Kündigung während der Kurzarbeit in einem Tarifvertrag geregelt ist, ergeben sich keine weitergehenden Schwierigkeiten. Dies jedenfalls dann, sofern die tarifvertragliche Regelung auch eindeutig und klar ist. In allen anderen Fällen ist vieles weitgehend offen. Man wird wohl derzeit nur über die Auslegung zu einem Ergebnis kommen können. Insbesondere wenn man zumindest die vereinzelte Rechtsprechung hinzuzieht.

 

Das Zusammenspiel von Kurzarbeitergeld und Arbeitslohn

Um ein Ergebnis nachvollziehbar werden zu lassen, muss man sich zunächst kurz das ganze rechtliche Konstrukt des Bezuges von Kurzarbeitergeld verdeutlichen. Der Bezug von Kurzarbeitergeld besteht im Grunde aus 2 Komponenten. Zum einen die arbeitsvertragliche Ebene zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Auch während der Kurzarbeit ändert sich nichts am Arbeitsvertrag selbst. Der Arbeitnehmer ist anhaltend zur Arbeitsleistung verpflichtet, der Arbeitgeber grundsätzlich zur Zahlung des Lohnes. Beides aber eben nur in Höhe der vereinbarten gekürzten Arbeitsumfangs. Mal sonstige arbeitsrechtliche Grundsätze beiseitegelegt und plakativ gesagt: im Zweifel reduziert sich beides auf 0 (Arbeitnehmer arbeitet nicht, der Arbeitgeber zahlt theoretisch nichts).

Auf der anderen Seite besteht die sozialversicherungsrechtliche Ebene, auf welcher die Bundesagentur für Arbeit zwischengeschaltet ist. Diese übernimmt, jeweils nach Umfang der Kurzarbeit, die Zahlung des Gehalts in Höhe des gesetzlichen Differenzbetrags für die Zeit der Kurzarbeit als Ausgleichsleistung

 

Welche Lösungsansätze wären denkbar?

Mit Blick auf diese Grundwertung geht das BAG in einer älteren Entscheidung jedenfalls davon aus, dass der Wegfall der Voraussetzungen des Kurzarbeitergeldes gegenüber der Bundesagentur für Arbeit keine durchgreifende Wirkung auf die arbeitsvertragliche Ebene hat, so BAG 5 AZR 557/89. Anders gesagt: nur weil die sozialversicherungsrechtliche Ebene wegfällt, heißt das noch lange nicht, dass die zuvor wirksam arbeitsvertraglich vereinbarte Kurzarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wegfällt.

Damit gelangt man zu dem ersten Zwischenergebnis, dass allein der Wegfall der Zahlung des Kurzarbeitergeldes über die Bundesagentur für Arbeit jedenfalls keinen Wegfall der Kurzarbeit als solches zur Folge hat. Damit würden auch die grundsätzlichen Folgen der Kurzarbeit bestehen bleiben, also die Zahlung eines gekürzten Lohnes.

Ergänzend dazu könnten auch die Wertungen des BAG 5 AZR 310/08 herangezogen werden. Hier führt das BAG in einem Sachverhalt, in dem es in Kombination mit einer tarifvertraglichen Regelung geht, zum Wesen des Kurzarbeitergeldes, aus: Der Arbeitnehmer behält auch bei Kurzarbeit im Betrieb den Lohnanspruch in Höhe des Kurzarbeitergelds. Das Kurzarbeitergeld ist insoweit Lohnersatz. Der Arbeitgeber trägt das Risiko, dass es nicht gezahlt werden kann.“.

Das wiederum bedeutet als weiteres Zwischenergebnis: der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf Lohnzahlung gegenüber dem Arbeitgeber in Höhe des Kurzarbeitergeldes. Dieser Anspruch wird jedoch „ersetzt“ durch die Zahlung des Kurzarbeitergeldes der Bundesagentur für Arbeit.

Fasst man beides zusammen, würde dies bedeuten, der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Lohnzahlung besteht für die Zeit der Kurzarbeit grundsätzlich fort. Die Höhe des Anspruchs bemisst sich aber nur an dem, was der Arbeitnehmer als „Lohnersatzleistung“ erhält. Nur das ist der zu beanspruchende Lohn, der eigentlich über die Bundesagentur für Arbeit gezahlt wird, sprich „ersetzt wird“. Fallen die Voraussetzungen für den Bezug des Kurzarbeitergeldes weg (z.B. durch Kündigung), hat das wiederum keine Auswirkung auf die grundsätzliche arbeitsvertragliche Situation zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer hat. Insbesondere wird damit nicht die zuvor vereinbarte Kurzarbeit beendet. Der Lohnanspruch des Arbeitnehmers lebt damit zwar gegenüber dem Arbeitgeber wieder auf, jedoch nur in Höhe des zuvor erhaltenen „Ersatzlohnes“, sprich des Kurzarbeitergeldes.

 

Dass dieses Ergebnis jedenfalls in der Rechtsfolge auch nachvollziehbar ist, zeigt der Gedanke, dass anderenfalls der anhaltend dem Betrieb zur Verfügung stehende ungekündigte Arbeitnehmer, welcher noch im Bezug des Kurzarbeitergeldes ist, deutlich schlechter gestellt wäre, als der gerade nicht mehr zur Verfügung stehende gekündigte Arbeitnehmer, der nunmehr lediglich wegen einer Vertragsbeendigung plötzlich wieder das volle Gehalt beziehen soll.

Zur Verdeutlichung daher als Gegenbeispiel: Arbeitnehmer A und Arbeitnehmer B sind in Kurzarbeit zu 100%. Beide müssen daher nicht auf Arbeit erscheinen, beide stellen auf Abruf Ihre vertragliche Leistung anhaltend zur Verfügung, beide erhalten das gleiche gekürzte Gehalt im Wege des Kurzarbeitergeldes.  Würde Arbeitnehmer A bei Kündigung des Vertrages plötzlich wieder volles Gehalt bekommen, obwohl er anhaltend in Kurzarbeit zu 100% ist, er jedoch seine Arbeitskraft nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr zur Verfügung stellt, dann wäre für Arbeitnehmer B kaum erklärbar, warum er für diese Zeit unter gleichen Bedingungen weniger Lohn erhält. Dadurch hätte das Wiederaufleben des vollen Lohnanspruchs nahezu einen abfindungsähnlichen Charakter, was nicht Sinn und Zweck sein kann. Das ist im Grunde nur schwer vermittelbar.


Im Ergebnis wäre daher für unser Beispiel 2 festzuhalten, dass Arbeitnehmer A nach Erlöschen der Voraussetzungen des Bezugs von Kurzarbeitergeld zwar wieder einen direkten Anspruch gegen den Arbeitgeber hat. Allerdings dürfte dieser Anspruch nur in Höhe des zuvor erhaltenen Kurzarbeitergeldes bestehen. Der volle Lohnanspruch würde nicht wieder aufleben.

Damit erhält Arbeitnehmer A, der ja während bestehender Kurzarbeit gekündigt, bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zum 31.12. nur den Betrag, den er bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses erhalten würde: den Betrag des Kurzarbeitergeldes.

 

Allerdings sei nochmals darauf hingewiesen, dass dieses Ergebnis derzeit weder verbindlich dem Gesetz zu entnehmen ist, noch gibt es hier eine Klarstellung durch das BAG. In einem aktuell hier über die Kanzlei betreuten Sachverhalt vor dem Arbeitsgericht Berlin geht es um genau die hier aufgeworfenen Fragen. Im ersten Gütetermin wies das Gericht zumindest auf die Rechtsprechung des BAG hin. Es war den Ausführungen des Gerichts zu entnehmen, dass es – natürlich vorausgesetzt die Kurzarbeit ist wirksam vereinbart worden – dem gekündigten Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nur das gekürzte Gehalt zusprechen würde. Ausgang offen, die Verhandlung wird in den nächsten Wochen fortgeführt.,

 

(Anmerkung: all diese Ausführungen gelten natürlich nur für den Fall, dass für den gekündigten Arbeitnehmer auch nach der Kündigung die Kurzarbeit grundsätzlich unverändert fortbesteht. Verständigen sich die Vertragsparteien zudem darauf, dass der Arbeitnehmer nach der Kündigung bis zum Ende der Kündigungsfrist auch nicht von der Arbeit freigestellt wird, sondern in Vollzeit arbeiten soll, dann erhält er natürlich auch seinen vollen Lohn.) 

 

Sollten Sie Rückfragen zu diesem oder einem anderen Sachverhalt rund um Ihren Arbeitsvertrag haben, können Sie mich gern kontaktieren.

 



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