Kündigung wegen Vorlage einer falschen Impfbescheinigung wirksam

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Die Vorlage einer „falschen“ Impfunfähigkeitsbescheinigung berechtigt den Arbeitgeber jedenfalls zur ordentlichen Kündigung

21.04.2022

von RA Heiko Effelsberg, LL.M. (Münster)

Die zum 15.3.2022 eingeführte einrichtungsbezogene Impfpflicht nach § 20a IFSG und ihre Auswirkungen beschäftigt die Arbeitsgerichte und es liegen bereits die ersten Entscheidungen vor.  Das ArbG Lübeck hatte sich nun mit der Frage zu beschäftigen, ob die Vorlage einer „falschen“ Impfunfähigkeitsbescheinigung den Arbeitgeber zur außerordentlichen fristlosen und/oder ordentlichen Kündigung berechtigen kann.

Die Klägerin ist seit 2001 bei der beklagten Klinik als Krankenschwester beschäftigt. Die Beklagte fragte im Rahmen der Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht den Impfstatus ihrer Mitarbeiter ab und forderte sie auf, den Impf- oder Genesenenstatus nachzuweisen oder ein ärztliches Zeugnis vorzulegen, dass die Impfunfähigkeit bescheinigt. Die Klägerin hat daraufhin ihrer Arbeitgeberin eine Bescheinigung vorgelegt, die für sie eine sechsmonatige Impfunfähigkeit ausweist und die Unterschrift einer Ärztin aus Süddeutschland enthält.  Die Bescheinigung hatte die Klägerin aus dem Internet ausgedruckt, ohne dass sie bei der Ärztin beraten oder untersucht worden wäre.

Die Beklagte bekam offenbar Zweifel an der Echtheit der Bescheinigung, klärte den Sachverhalt auf und kündigte der Klägerin dann im Januar 2022 fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31.7.2022.

Die Klägerin erhob gegen die Kündigungen Kündigungsschutzklage. Sie vertrat die Ansicht, dass die Vorlage der Bescheinigung nicht zu beanstanden sei und dass § 20a IFSG weitere arbeitsrechtliche Maßnahmen ausschließe. Ausschließlich das Gesundheitsamt könnte in dieser Situation die Untersuchung der Arbeitnehmerin anordnen.

Dem ist das Arbeitsgericht nicht gefolgt.

Zugunsten der Klägerin hat das Gericht allerdings vertreten, dass eine fristlose Kündigung vorliegend wegen der langen und offenbar beanstandungslosen Beschäftigungszeit unverhältnismäßig sei. Diese Argumentation greift allerdings losgelöst vom Anlass „einrichtugungsbezogene Impfpflicht“, sondern ist allgemein zu beachten.

Die Kündigung soll aber als ordentliche verhaltensbedingte Kündigung wirksam sein, weil die Vorlage einer vorgefertigten ärztlichen Impfunfähigkeitsbescheinigung eine schwere Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten darstelle, wenn keine Untersuchung durch den ausstellenden Arzt erfolgt ist. Dadurch werde das Vertrauen in eine ungestörte weitere Zusammenarbeit auch ohne vorherige Abmahnung zerstört. Dies habe der Klägerin auch bewusst sein müssen, weil sie mit der Vorlage gerade den Anschein eines ärztlichen Zeugnisses erweckt habe und wohl auch erwecken wollte.

Das Arbeitsgericht sah in der Regelung des § 20a IFSG auch keine Regelung, die eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses in der vorliegenden Situation ausschließe.

Hintergrund hierfür ist, dass § 20a IFSG vorsieht, dass diejenigen Personen, die keinen Nachweis der Immunisierung oder einen Ausnahmetatbestand bis zum 15.3.2022 nachgewiesen haben, dem Gesundheitsamt zu melden sind, das dann über weitere Maßnahmen wie ein Beschäftigungsverbot etc. entscheidet. § 20a Abs. 3 Satz 3 IFSG sieht außerdem vor, dass eine solche Person nicht beschäftigt werden darf. Hierbei ist wohl herrschende Ansicht, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bis zur Entscheidung des Gesundheitsamts dennoch einsetzen darf, ihn aber auch freistellen kann.

Die Regelung selbst behandelt den Fall der Vorlage eines falschen ärztlichen Zeugnisses schon nicht. Dies ist also nach den allgemeinen Regelungen zu bewerten. Eine fristlose Kündigung wäre daher schon gerechtfertigt, wenn die vorgeworfene Handlung einen schweren Pflichtverstoß darstellen würde und dem Arbeitgeber ein Aufrechterhalten des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zumutbar wäre. M.E. dürfte dies bei der vorsätzlichen Vorlage eines falschen ärztlichen Zeugnisses mit Täuschungsabsicht in der Regel gegeben sein, weil dadurch das Vertrauen in den Arbeitnehmer grundlegend erschüttert wird. Ich vermute, dass das ArbG dies vorliegend auch so gesehen hat, dass ausnahmsweise wegen der langen Beschäftigungsdauer eine fristlose Kündigung als unverhältnismäßig angesehen wurde.

Allerdings sah das Gericht die Kündigung als ordentliche Kündigung als sozial gerechtfertigt an. Sofern ein Arbeitsverhältnis in den Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes fällt – wie das vorliegende – muss die Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Das liegt vor, wenn personenbedingte, verhaltensbedingte oder betriebsbedingte Gründe vorliegen, die die Kündigung ausnahmsweise rechtfertigen. Hier kamen mit der Vorlage eines falschen ärztlichen Zeugnisses verhaltensbedingte Gründe zum Tragen. Dies ist auch nicht zu beanstanden.

Fraglich ist jedoch, welche Folgen eingreifen, wenn ein Arbeitnehmer kein ärztliches Attest vorlegt, weil er nicht geimpft ist. Hier ist zu differenzieren:

Ist bei dem Arbeitnehmer eine Impfung kontraindiziert, und kann er das durch ein ärztliches Zeugnis nachweisen, so dürfte in der Regel eine Kündigung erst einmal ausscheiden. Sie könnten allerdings dann als arbeitsunfähig erkrankt anzusehen sein.

Arbeitnehmer, die sich bewusst nicht haben impfen lassen und auch nicht beabsichtigen, dies noch nachzuholen, können jedoch ihre geschuldete Arbeitsleistung nicht anbieten, da diese gesetzlich eine Impfung voraussetzt. Sofern daher zu erwarten ist, dass die Impfung nicht nachgeholt wird, stellt sich die Frage, ob für den Arbeitgeber eine personenbedingte Kündigung möglich ist. Vorausgesetzt, die dafür gültigen weiteren Voraussetzungen sind gegeben, erscheint dies jedoch als denkbar. Der Arbeitgeber müsste dann allerdings die ordentliche Kündigungsfrist einhalten. Wenn man unterstellt, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung aber nicht ordnungsgemäß anbieten kann, dürfte er allerdings für die Dauer der Kündigungsfrist keinen Lohnanspruch haben, es sei denn, er könnte zulässig an anderer Stelle eingesetzt werden. Dies könnte ggf. aber auch schon die ordentliche Kündigung unwirksam machen.

Zum Autor:

RA Effelsberg ist Inhaber der Rechtsanwaltskanzlei Effelsberg mit Büros in Düsseldorf und Essen. Er berät und vertritt regelmäßig Mandanten an der Schnittstelle von Arbeits- und Medizinrecht.


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