Kurzarbeit: Wie geht es weiter?

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Der Bundesgesetzgeber hat am 13. März 2020 das „Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld“ beschlossen. Das reformierte Kurzarbeitergeld soll Unternehmen retten und Arbeitnehmer vor der Kündigung schützen. Kurzarbeit birgt aber auch Risiken. Welche das sind, möchten wir Ihnen nachfolgend kurz erläutern:

Was passiert, wenn Kurzarbeit und Krankheit zusammentreffen?

Wird der Arbeitnehmer während des Gewährungszeitraums von Kurzarbeitergeld arbeitsunfähig krank, und ruht infolge von Kurzarbeit die Arbeit in dem Betrieb des Arbeitgebers vollständig, erhält der Arbeitnehmer Krankengeld in Höhe des Kurzarbeitergeldes. Bei Verkürzung der täglichen Arbeitszeit gilt dasselbe für die durch Kurzarbeit ausgefallene Zeit. Erkrankt der Arbeitnehmer bereits vor dem Anspruchszeitraum, hat er einen zusätzlichen Anspruch auf Krankengeld gegen die Krankenkasse in Höhe des Kurzarbeitergeldes.

Darf der Arbeitgeber während der Kurzarbeit kündigen?

Ja. Es sind die üblichen „Spielregeln“ zu beachten. Es darf aus den gleichen Gründen gekündigt werden, wie sonst auch. Handelt es sich aber um eine betriebsbedingte Kündigung, darf diese nicht mit den gleichen „verbrauchten“ Gründen, die zur Anordnung der Kurzarbeit geführt haben, begründet werden. Die betriebsbedingte Kündigung setzt einen dauerhaften Fortfall des Arbeitsplatzes voraus. Kurzarbeit ist aber gerade ein Indiz dafür, dass die Probleme des Betriebs nur vorübergehend sind. Beruht die Kurzarbeit auf den gleichen Gründen wie die betriebsbedingte Kündigung, so kann die Kündigung sozialwidrig und damit unzulässig sein.

Kann ein Geschäftsführer Kurzarbeitergeld für sich selbst beantragen?

Geschäftsführer können Kurzarbeitergeld erhalten, wenn durch die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung festgestellt wurde, dass sie als Arbeitnehmer sozialversicherungspflichtig und nicht selbständig tätig sind. Hierbei muss im Einzelfall festgestellt werden, ob bei Geschäftsführern die Kurzarbeit unvermeidbar ist.

Ist ein Hinzuverdienst bei Kurzarbeit möglich?

Nimmt ein Arbeitnehmer während der Kurzarbeit einen Nebenjob an, wird der Arbeitslohn aus dem restlichen Arbeitslohn aus der Haupttätigkeit hinzugerechnet. Das Kurzarbeitergeld verringert sich also dementsprechend. Aufgrund der Corona-Krise gilt:

Nimmt der Arbeitnehmer eine Nebentätigkeit in einem systemrelevanten Bereich an (z. B. Landwirtschaft, Handel, Sicherheit, Transport oder Gesundheitswesen) wird das

Nebeneinkommen in der Zeit vom 1. April 2020 bis 31. Oktober 2020 nicht angerechnet. Wichtig ist, dass der Lohn aus der Nebentätigkeit mit dem verbliebenen Restentgelt aus der Haupttätigkeit nicht den Betrag des normalen Haupteinkommens übersteigt.

Die Möglichkeiten, sich in Kurzarbeit etwas dazu zu verdienen, werden ab dem 1. Mai 2020 erweitert. Arbeitnehmer sollen so viel hinzuverdienen können, bis die Höhe des normalen Monatseinkommens erreicht ist. Dies gilt nunmehr nicht nur für „systemrelevante" Berufe, sondern für alle. Diese Regelung besteht bis 31.12.2020.

Verdienstausfall durch Urlaub vermeidbar?

Ja, zumindest vorübergehend. Während des Urlaubs steht den Arbeitnehmern dann das ungekürzte Arbeitsentgelt in voller Höhe zu. Verdienstkürzungen, die durch Kurzarbeit eintreten, bleiben unberücksichtigt (§ 11 Abs. 1 Satz 3 BUrlG).

Darf der Arbeitgeber bei Kurzarbeit „Null“ den Urlaub streichen bzw. reduzieren?

Ja. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat auf Vorlage des Arbeitsgerichts Passau es mit Unionsrecht vereinbar erklärt, dass ein Unternehmen und sein Betriebsrat einen Sozialplan vereinbaren dürfen, wonach der Anspruch eines Kurzarbeiters auf bezahlten Jahresurlaub im Verhältnis zur Arbeitszeitverkürzung gekürzt wird. Nach Auffassung des EuGH, ist die Situation des Kurzarbeiters mit derjenigen eines Teilzeitbeschäftigten vergleichbar. Bis zur Klärung der Rechtslage, sollten Regelungen über die Kurzarbeit die anteilige Reduzierung bzw. den Wegfall von Urlaubsansprüchen bei Kurzarbeit „Null" ausdrücklich vorsehen.

Können Arbeitgeber während der Kurzarbeit neu einstellen?

Das wird in aller Regel nicht gehen. Der Arbeitgeber verhält sich dann widersprüchlich, wenn der Arbeitgeber zum einen gegenüber der Bundesagentur für Arbeit (BA) einen Arbeitsausfall anzeigt und dann weiteres Personal einstellt. Führt die Neueinstellung eines Arbeitnehmers während der Kurzarbeit dazu, dass sich das Ausmaß des Arbeitsausfalls für die anderen Mitarbeiter erweitert, ist der Arbeitsausfall nicht unvermeidbar.

Es sind aber Ausnahmen denkbar:

  • Es wird eine völlig neue Stelle für den Arbeitnehmer geschaffen, insbesondere weil kein vorhandener Arbeitnehmer die erforderliche Qualifikation besitzt.
  • Der Arbeitsvertrag wurde zeitlich vor der Phase der Kurzarbeit geschlossen.
  • Der neu eingestellte Arbeitnehmer arbeitet in einem Bereich des Unternehmens, in dem keine Kurzarbeitet geleistet wird. Der Arbeitgeber hat dann sicherzustellen, dass die konkrete Stelle von keinem vorhandenen Arbeitnehmer erledigt werden kann.

Besteht eine Verpflichtung die Arbeitszeit zu erfassen?

Nein. Es wird aber hinsichtlich der Rechenschaftspflicht gegenüber der BA in den allermeisten Fällen unumgänglich sein, die Arbeitszeit der durch Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber aufzuzeichnen. Die Dokumentation bildet die Grundlage für die Abrechnung von Kurzarbeit. Einer bestimmten Form bedarf es nicht. Eine Dokumentation ist lediglich bei Kurzarbeit „Null“ entbehrlich.

Kein Ausgleich für Betriebsratstätigkeit in der Freizeit

Was das Gehalt angeht, besteht kein Unterschied zwischen Betriebsratsmitgliedern und „normalen“ Arbeitnehmern. Auch die Betriebsratsmitglieder bekommen während der Kurzarbeitsphase grundsätzlich nur das Kurzarbeitergeld. Reicht die Arbeitszeit für die Betriebsratstätigkeit nicht aus, muss  er dies in der Freizeit erledigen. Ein Anspruch auf Freizeitausgleich bzw. eine Abgeltung nach § 37 Abs. 3 S. 3 BetrVG steht dem Betriebsratsmitglied aber nicht zu. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) ist der Ansicht, es handelt sich dann um ein „nicht ausgleichpflichtiges Freizeitopfer“ (BAG, Urt. v. 26.04.1995 – 7 AZR 874/94).

Was passiert mit Überstunden?

Überstunden während der Kurzarbeit sind grundsätzlich unzulässig. Werden während der Kurzarbeit Überstunden angeordnet, kann dies ein Indiz für die Vermeidbarkeit des Arbeitsausfalls sein. Ist der Arbeitsausfall vermeidbar, besteht  aber kein Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Ausnahmen gelten, wenn Aufträge und Arbeit mit hoher Dringlichkeit eintreffen, z. B. Eilaufträge.

Was wir Arbeitnehmern und Arbeitgebern raten:

  • Betriebsbedingte Kündigungen während der Kurzarbeit erfordern hohe Hürden. Arbeitgeber sollten sich hüten, eine betriebsbedingte Kündigung mit der gleichen Begründung, die zur Anordnung von Kurzarbeit geführt hat, zu rechtfertigen.
  • Arbeitgeber sollten die Arbeitszeit in der Kurzarbeit sorgfältig dokumentieren.
  • Überstunden während der Kurzarbeit sind zu vermeiden.
  • Arbeitsverträge und Betriebsvereinbarungen, sollten Regelungen über die anteilige Reduzierung bzw. den Wegfall von Urlaubsansprüchen bei Kurzarbeit „Null" ausdrücklich vorsehen.
  • Bei Neueinstellungen ist genau zu prüfen, ob nicht bereits vorhandene Arbeitnehmer die Arbeit leisten können.

Das komplexe Thema Kurzarbeit wird zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen weiterhin eine wesentliche Rolle spielen. Es ist daher wichtig, rechtssicher zu reagieren. Als erfahrene Arbeitsrechtsexperten unterstützt MSH Rechtsanwälte Sie gerne und berät Sie zu allen arbeitsrechtlichen Fragestellungen.


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