Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz beachten, Vergabesperren vermeiden!

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Kann die Nichteinhaltung von Menschenrechten durch Zulieferer und Nachunternehmer vergaberechtliche Konsequenzen haben?

Grundsätzlich sind Unternehmen für sich selbst und ihre Erfüllungs- und Verrichtungsgehilfen verantwortlich, nicht jedoch für gesellschaftspolitisch unterstützenswerte Aufgaben des Staates wie den Schutz von Menschenrechten oder den der natürlichen Lebensgrundlagen. Ab 2023 sind jedoch bestimmte Großunternehmen nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verpflichtet, in ihren Lieferketten auf die Einhaltung international anerkannter Menschenrechte und umweltbezogener Standards zum Schutz der Gesundheit zu achten. Die Nichtbeachtung menschenrechtlicher oder umweltbezogener Risiken von Nachunternehmern, Subunternehmern oder Lieferanten kann dann zu erheblichen Konsequenzen für Unternehmen führen, u.a. zum Ausschluss von Vergabeverfahren auf Zeit, also zu Vergabesperren.

Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz beschlossen, aber noch nicht vollständig in Kraft
Am 11.06.2021 hat der Deutsche Bundestag das Gesetz über unternehmerische Sorgfaltspflichten in Lieferketten (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz - LkSG) beschlossen. Ziel dieses neuen Gesetzes ist es, den Schutz der Menschenrechte entlang der weltweiten Lieferketten zu verbessern und zum Beispiel Kinder- und Zwangsarbeit zu verhindern und für Mensch und Umwelt gefährliche Stoffe zu verbieten. Im Wesentlichen wird das Gesetz zwar erst zum 01.01.2023 in Kraft treten. Bereits vorher müssen aber von den betroffenen Unternehmen Vorbereitungsmaßnahmen getroffen werden.

Welche Unternehmen sind betroffen?
Das Gesetz ist direkt nur auf alle Unternehmen nach deutschem oder ausländischem Recht unabhängig von ihrer Rechtsform anwendbar, wenn sie ihre Hauptverwaltung, ihre Hauptniederlassung, ihren Verwaltungssitz oder ihren Satzungssitz im Inland haben, auch auf ausländische Unternehmen mit einer Zweigniederlassung in Deutschland gemäß § 13 d HGB. Zudem muss das Unternehmen in der Regel mindestens 3.000 Arbeitnehmer im Inland beschäftigen, zum 01.01.2024 wird dieser Schwellenwert auf 1.000 Arbeitnehmer abgesenkt. Auswirkungen können sich aber auch auf kleinere Unternehmen ergeben, soweit sie Bestandteil der Lieferkette von Großunternehmen sind.Bezieht sich das auch auf den Subunternehmer meines Subunternehmers …? Der sachliche Anwendungsbereich des LkSG ergibt sich aus dem Begriff der Lieferkette. Diese bezieht sich auf alle Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens und umfasst alle Schritte im In- und Ausland, die zur Herstellung der Produkte und zur Erbringung der Dienstleistungen erforderlich sind, angefangen von der Gewinnung der Rohstoffe bis zur Lieferung an den Endkunden, und erfasst das Handeln eines Unternehmens im eigenen Geschäftsbereich, das Handeln eines unmittelbaren Zulieferers und das Handeln eines mittelbaren Zulieferers. Die Sorgfaltspflichten gelten damit für die gesamte Lieferkette eines Unternehmens.

Welche Pflichten ergeben sich aus dem LkSG?
Durch das Gesetz werden Unternehmen verpflichtet, in ihren Lieferketten bestimmte menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten. Erstmals werden damit unabhängig von der Branche oder dem Geschäftsmodell umfassende Geschäftspartnerprüfungen vorgeschrieben. Und es werden konkrete Regelungen für die unternehmensinterne Ausgestaltung der Compliance-Maßnahmen getroffen. 

Die Geschäftsleitung muss

  • ein Risikomanagement einrichten und
  • eine betriebsinterne Zuständigkeit für dessen Überwachung festlegen,
  • regelmäßige Risikoanalysen durchführen,
  • eine Grundsatzerklärung über seine Menschenrechtsstrategie abgeben,
  • Präventions- und Abhilfemaßnahmen implementieren,
  • ein Beschwerdeverfahren einrichten,
  • die Erfüllung dieser Pflichten fortlaufend dokumentieren und
  • hierüber jährlich einen Bericht erstellen und diesen öffentlich zugänglich machen.

Dabei begründen die Sorgfaltspflichten eine Bemühenspflicht und keine Erfolgspflicht. Unternehmen müssen also nicht garantieren, dass in ihren Lieferketten keine Menschenrechte oder umweltbezogene Pflichten verletzt werden. Sie müssen jedoch nachweisen können, dass sie die machbaren und angemessenen Sorgfaltspflichten umgesetzt haben. 

Welche Rechtsfolgen hat ein Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten?
Das für die Kontrolle und Durchsetzung des LkSG zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) überprüft Einreichung und Inhalt der Berichte und kann auch risikobasierte Kontrollen durchführen. Dabei können Zwangsgelder und Bußgelder bis zu 8.000.000 € oder 2 % des Jahresumsatzes verhängt werden und betroffene Unternehmen für bis zu drei Jahre von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden.Zudem sind zivilrechtliche Folgen nicht auszuschließen. Zwar begründet eine Verletzung der Pflichten aus dem Gesetz gemäß § 3 Abs. 3 LkSG keine zivilrechtliche Haftung. Haftungsansprüche z.B. aus dem BGB werden durch das LkSG aber auch nicht ausgeschlossen. 

Vergabesperre - Ausschluss aus Vergabeverfahren auf Zeit
Ein neuer vergaberechtlicher Ausschlussgrund ergibt sich dabei aus dem am 01.01.2023 in Kraft tretenden § 22 LkSG. Danach sollen öffentliche Auftraggeber Unternehmern ausschließen, die wegen einer rechtskräftig festgestellten Ordnungswidrigkeit nach dem LkSG mit einer Geldbuße von mindestens 175.000 € belegt wurden. In bestimmten Fällen wird eine höhere Geldbuße für den Ausschluss vorausgesetzt. Aus dem Wort „sollen“ ergibt sich, dass ein Ausschluss im intendierten Ermessen des Auftraggebers liegt. Das bedeutet, dass ein Ausschluss die gesetzlich vorgesehene Regelfallentscheidung ist und nur in Ausnahmefällen davon abgesehen werden kann. Ein Ausschluss darf in jedem Fall nur innerhalb eines angemessenen Zeitraums von bis zu drei Jahren erfolgen. Die verhängte Vergabesperre kann durch ein Selbstreinigungsverfahren nach § 125 GWB vor Ablauf der verhängten Sperrfrist beseitigt werden. 

Welche Rechtsschutzmöglichkeiten gibt es?
Zunächst sollten Unternehmen natürlich darauf achten, dass die Voraussetzung einer Vergabesperre, ein rechtskräftig festgestellter Verstoß mit einer den Schwellenwert überschreitenden Geldbuße, erst gar nicht eintritt. Ob und inwieweit dazu Rechtsmittel gegen den Bußgeldbescheid eingelegt werden, muss im Einzelfall geprüft werden. Ist es dann aber bereits so weit, dass ein rechtskräftiger Bußgeldbescheid vorliegt und eine Vergabesperre droht, sind Maßnahmen gegen die Vergabesperre zu prüfen und ggf. zu ergreifen. Denn die Vergabesperre könnte unter Beachtung des im Vergaberecht geltenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit rechtswidrig sein und dem betroffenen Unternehmen daher nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 03.06.2020 – XIII ZR 22/19) ein Unterlassungsanspruch zustehen.

Herausforderung für Unternehmen
Bisher ist nur ein eingeschränkter Anwendungsbereich für Unternehmen mit 3.000 bzw. (ab dem 01.01.2024) 1.000 Arbeitnehmern vorgesehen. Großunternehmen sollten daher bereits jetzt prüfen, inwieweit die ab dem 01.01.2023 zu beachtenden Sorgfaltspflichten von ihrem bestehenden Compliance Management System abgedeckt werden können und in welcher Hinsicht es zu ändernder Prozesse und Maßnahmen bedarf, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass Anwendungsbereich und Sorgfaltspflichten auf europäischer Ebene oder durch die Rechtsprechung auf Unternehmen unterhalb der Schwellenwerte ausgedehnt oder erweitert werden. Zudem werden auch kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) mittelbar als Mitglieder der Lieferketten ihrer Auftraggeber und Auftragnehmer erfasst. Daher sollten auch KMU das Gesetz im Auge behalten und in ihrem eigenen Interesse dafür sorgen, dass menschenrechtliche oder umweltbezogene Verstöße in ihrer Lieferkette unterbleiben.



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