Manipulierbare Rechnungssoftware führt nicht immer zu Schätzungsbefugnis des Finanzamtes

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Unternehmern/Rechnungsstellern sollte (hoffentlich) bekannt sein, dass von ihnen verwendete Rechungs- und Buchführungssoftware den sog. GoBD (Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff) entsprechen muss. Dies gilt selbstverständlich auch für jene Unternehmer, die sich mit dieser Pflicht bisher nicht beschäftigt haben.

Ziel ist, dass keine undokumentierten Rechnungsänderungen und -löschungen erfolgen können, die Tür und Tor zur Steuerhinterziehung öffnen.

Werden im Zuge einer Steuerprüfung Verstöße gegen die GoBD festgestellt, drohen sowohl strafrechtliche Folgen als auch sehr großzügige Hinzuschätzungen für vermeintlich entstandene jedoch nicht erfasste Einnahmen. Die Folgen können durchaus bis zur betrieblichen Existenzvernichtung führen.

Ganz so streng urteilte das Niedersächsische Finanzgericht (Urteil vom 03.06.2021 - 11 K 87/20) trotz Verstoßes gegen die GoBD durch einen Steuerpflichtigen in einer jüngeren Entscheidung jedoch nicht.

1. Sachverhalt

Vor dem Finanzgericht klagte ein selbständiger Servicetechniker, der unstreitig eine Software  zur Rechnungsschreibung verwendet hatte, die gegen die GoBD verstieß.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung hatte der Betriebsprüfer folgende Verstöße festgestellt:

  • doppelte Rechnungsnummernvergabe,
  • zwei von im Übrigen durchgehend vergebenen Rechnungsnummern fehlten.

Der Prüfer nahm eine Schätzung gem. § 162 I AO vor und schlug auf die fehlenden Rechnungen einen Sicherheitsaufschlag von rund 100% auf.

Dies akzeptierte der Kläger nicht und trug vor, dass

  • die Fehler entstanden seien, da im Einzelfall nicht seine erfahrene Bürokraft sondern er selbst Rechnungen erstellt habe,
  • Rechnungen im Original immer an den Empfänger und Kopien an seinen Steuerberater übergeben worden seien,
  • unbeachtlich wenige Fehler aufgetreten seien.

2. Entscheidung

Das Finanzgericht schloss sich den Argumenten des Klägers an.

Die Mängel seien so geringfügig, dass das Finanzamt in diesem Fall keine Hinzuschätzung von Einnahmen hätte vornehmen dürfen, denn

  • Darlegungs- und Feststellungslast für die Voraussetzungen einer Schätzung lägen beim Finanzamt,
  • konkrete Mängel in den Aufzeichnungen des Klägers habe der Prüfer nicht festgestellt,
  • allein die Tatsache, dass die durch den Kläger verwendete Software Löschungen und Änderungen von Rechnungen ermöglicht habe, stelle noch keinen hinreichend formellen Mangel dar.


3. Empfehlung

Der Kläger hat schon etwas Glück gehabt. Ob sich andere Finanzgerichte oder der Bundesfinanzhof der Rechtsauffassung des Niedersächsischen Finanzgerichts in ähnlich gelagerten Fällen anschließen, ist zweifelhaft.

Gleichwohl lohnt sich im Falle von Schätzungen nach einer Betriebsprüfung Maßnahmen des Finanzamtes nicht ohne Weiteres zu akzeptieren.

Inwieweit Schätzungen überhaupt und wenn ja, in welcher Höhe, rechtmäßig sind, bedarf einer genauen Kontrolle des Einzelfalls.

Setzen Unternehmer Kassen-/Rechnungssoftware ein, sollte diese aber unbedingt GoBD-konform sein.


Foto(s): Bild von luis_molinero auf Freepik

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