Mehr- und Sonderbedarf bei Kindern

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Mehrbedarf und Sonderbedarf bei Kindern

Was ist das? 

Grundsätzlich wird der Kindesunterhalt vom sogenannten Regelbedarf abgedeckt. Dieser lässt sich, abhängig von der Einkommensgruppe des zahlenden Elternteils, durch die Düsseldorfer Tabelle bestimmen. Er umfasst existenziell wichtige Dinge wie Essen, Kleidung, eine Wohnung oder auch die Kosten einer Ausbildung.

Ausnahmsweise können zusätzlich Ansprüche wegen Sonderbedarf und Mehrbedarf begründet werden. Diese müssen angefordert werden. Das passiert bei Minderjährigen meist durch den betreuenden Elternteil.

Unter Sonderbedarf versteht man einen unregelmäßigen besonders hohen Bedarf. Der Bedarf muss überraschend entstanden sein, sodass er nicht in die laufenden Unterhaltskosten des Kindes miteinberechnet werden konnte. Zahlungspflichtiger ist meist der Barunterhaltspflichtige.

Mehrbedarf sind regelmäßig über einen längeren Zeitraum anfallende Kosten, welche das Übliche derart übersteigen, dass sie beim Regelbedarf nicht oder nicht vollständig erfasst werden. Ein Anspruch besteht erst, wenn er sachlich begründet ist und dem Unterhaltspflichtigen von der Höhe der Kosten wirtschaftlich zumutbar ist. 

Für beides haften beide erwerbstätigen Kindeseltern anteilig nach ihren Einkommensverhältnissen und unter Abzug ihres jeweiligen Selbstbehalts. (BGH v. 10.07.2013 – Az. XII ZB 298/12)

Ist das betreuende Elternteil nicht erwerbstätig muss der Unterhaltspflichtige für den gesamten Mehr- und Sonderbedarf aufkommen, soweit er sich im Rahmen seines eigenen Unterhalts und seines Selbstbedarfs bewegt.

Besondere Bedeutung hat die Unterscheidung zwischen Mehrbedarf und Sonderbedarf in Fällen, wenn ein Elternteil rückwirkend Kindesunterhalt verlangt. Ohne Probleme geht das beim Sonderbedarf, der sich dadurch abzeichnet, dass er unvorhersehbar ist. Anders der Mehrbedarf, der meist schon längere Zeit im Voraus feststeht. Der Unterhaltsberechtigte muss hier den Unterhaltspflichtigen vor Anfall der Kosten zu einer Zahlung auffordern oder ihn in Verzug setzen. Erst ab diesem Zeitpunkt ist ein Anspruch auf Mehrbedarf auch bei in der Vergangenheit liegenden Kosten möglich. 

Beispiele für Sonderbedarf

Hierunter können beispielsweise plötzlich anfallende Operationskosten fallen oder Kosten für die Säuglingserstausstattung. Bei letzterem wird oft ein pauschaler Betrag von etwa 1.000 Euro erstattet. (OLG Koblenz v. 12.05.2009 – Az. 11 UF 24/09)

Auch einmaliger teurer schulischer Bedarf, wie ein iPad können darunterfallen, wenn sie schulisch gefordert und damit sachlich begründet sind.

Beispiele für Mehrbedarf

Hierunter fallen in vielen Fällen Hobbys, wie der Klavierunterricht oder Reitstunden. Die Beiträge für eine Vereinsmitgliedschaft sind auch mitumfasst, wenn sie nicht unter 10 Euro liegen, da der Betrag sonst zu gering ist und eher dem Regelbedarf zuzuordnen wäre. Hier muss aber auch immer die Einkommensklasse des Unterhaltspflichtigen beachtet werden. (OLG Frankfurt v. 11.062014 – Az. 6 UF 323/13)

Auch erfasst wird Förderunterricht, welcher über längere Zeit besucht wird, um einer Lese-Rechtschreib-Schwäche entgegenzuwirken. (BGH v. 10.07.2013 – Az. XII ZB 298/12)

Weiterhin sind die Kosten für den Kindergartenbesuch nicht vom Regelbedarf abgedeckt, da es hier um die Förderung und Erziehung des Kindes geht. (BGH v. 26.11.2008 – Az. XII ZR 65/07)

Wichtig ist, dass es bei Mehrkosten wie Schulgeld immer auch darauf ankommt, ob es kostengünstigere Alternativen (bezogen auf die Schule, das Internat oder auch Förderstunden) gibt, die ähnlich erfolgsversprechend sind. Der Mehrbedarf darf nicht uneingeschränkt geltend gemacht werden, sondern immer auch sachlich begründet und wirtschaftlich dem Unterhaltspflichtigen zumutbar sein.

Schwierigkeiten

Bei vielen Kostenpunkten besteht Uneinigkeit unter den Gerichten, ob sie dem Mehr- oder dem Sonderbedarf zugeordnet werden können.

So werden die Kommunion und die Konfirmation je nach Gericht unterschiedlich eingeteilt, da sich die Frage stellt, ob sie nicht schon so weit im Voraus feststehen, dass sie nicht mehr überraschend sind. Andererseits ist es schwer die Kosten schon anzusparen bevor sie anfallen.

Ähnlich ist es bei Klassenfahrten und beim Schüleraustausch. Auch bei Nachhilfestunden ist die Vorhersehbarkeit einzelfallabhängig. 

Besonderheiten beim Unterhalt volljähriger Kinder

Der Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes (bis 21 Jahre) ergibt sich aus den Regeln zum Verwandtenunterhalt. Bedürftigkeit besteht hier nur, wenn das Kind berechtigterweise in der Berufsausbildung (etc.) ist und eine Erwerbstätigkeit nicht zumutbar ist oder wenn das eigene Einkommen nicht für einen angemessenen Lebensunterhalt ausreicht, etwa durch Krankheit.

Auch hier kann ausnahmsweise der Mehr- und der Sonderbedarf berücksichtigt werden.

Es muss unterschieden werden, ob der Unterhaltsbedürftige noch im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils lebt oder bereits eine eigenständige Position im Leben erreicht hat und dann später wieder unterhaltbedürftig wird. Bei letzterem steht den Eltern ein höherer Selbstbehaltssatz zu, der vom normalen Einkommen bei der Unterhaltsberechnung abgezogen wird (s.o).

Da das Sorgerecht entfällt besteht keine Betreuungsunterhalt mehr und beide Elternteile sind barunterhaltspflichtig.

Eigenes Einkommen wird bei der Unterhaltberechnung des Bedürftigen berücksichtigt.

Fazit

Dieser Beitrag soll lediglich einen Überblick geben und ersetzt keine rechtliche Beratung. Die Berechnung und Einordnung von Sonder- und Mehrbedarf ist oft einzelfallabhängig und nur unter Beachtung weiterer Faktoren möglich.


An diesem Beitrag hat wesentlich unsere Berufspraktikantin, Frau Stud. jur. Jasmin Föh, mitgewirkt, wofür wir Ihr sehr danken. 


Foto(s): ©Pexels/MART PRODUCTION

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