Motorrad-Überholerunfall – Überholen einer Kolonne – Verschulden & Quote

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Da ich selbst seit fast 30 Jahren Motorrad fahre, heute etwas für die Motorradfahrer:

Tagtäglich passiert es, dass wir insbesondere mit unseren „leichtfüßigen“ und PS-starken Motorrädern gleich zwei oder sogar mehrere Fahrzeuge auf einmal zu überholen versuchen (das sogenannte „doppelte Überholen“), oder auch an einer stehenden Kolonne vorbeifahren. Aber auch manch Autofahrer versucht, es einem Motorrad gleichzutun. Für diesen gelten natürlich die gleichen Regeln, auch wenn die nachfolgenden Zeilen den Motorradfahrern gewidmet sind.

Leider kommt es beim doppelten Überholen auch häufig zu Unfällen, weil eines der vorausfahrenden Fahrzeuge ebenfalls zum Überholen ansetzt, ein Linksabbieger ausschert, o.ä. Hierbei handelt es sich um typische Unfälle von Motorradfahrern.  

In der Regel haften in diesen Fällen sowohl der überholende Motorradfahrer als auch der Ausscherende jeweils hälftig. Voraussetzung ist, dass kein überwiegendes Verschulden eines der Unfallbeteiligten festzustellen ist.

Seltener gehen Gerichte von einer alleinigen Haftung eines der Unfallbeteiligten aus. Hierfür muss nämlich entweder das überwiegende Verschulden eines der Unfallbeteiligten festgestellt werden (ein Nachweis, der in vielen Fällen nicht geführt werden kann) oder aber ein Fall „höherer Gewalt“ vorliegen. Natürlich wünschen wir uns als Motorradfahrer, nicht zuletzt aufgrund der oft schweren Folgen eines Motorradunfalls, die alleinige Schuld des ausscherenden Fahrzeugs. Dies gelingt oftmals nur mit Zeugen, die etwa bestätigen können, dass nicht oder falsch geblinkt wurde, das Ausscheren abrupt erfolgte o.ä., aber auch schildern, dass der Motorradfahrer selbst sich gerade „verkehrsrichtig“ verhalten hat.

Zu den Voraussetzungen an das verkehrsrichtige Verhalten hat z. B. das OLG Brandenburg mit Urteil vom 23.06.2011 (Az. 12 U 270/08) festgestellt, dass es einem Motorradfahrer zumutbar sei, nach einer Linkskurve zunächst von seinem Überholvorhaben abzusehen, bis er sich sicher sein kann, dass das unmittelbar vor ihm fahrende Fahrzeug nicht seinerseits das voranfahrende überholen wird. Hier kam es zur hälftigen Haftungsquote.

Schlechter ging es für den Motorradfahrer im Frühjahr 2011 in zweiter Instanz in Stuttgart (OLG Stuttgart Beschluss vom 08.04.2011, Az. 13 U 2/11) aus: Der Motorradfahrer hatte bereits mehrere Fahrzeuge der Kolonne überholt und hiernach wieder eingeschert. Als er die weiteren Fahrzeuge der Kolonne zu überholen versuchte, bog der Pkw an der Spitze der Kolonne links ab und es kam zur Kollision. Dieser hatte jedoch nach Auffassung der Gerichte beider Instanzen u.a. rechtzeitig den Blinker gesetzt. Der Motorradfahrer jedoch habe in Anbetracht der unklaren Verkehrslage nicht überholen dürfen und dadurch einen schwerwiegenden Verkehrsverstoß begangen, der letztlich zu seiner alleinigen Haftung führte.

Tipp: Ist es tatsächlich zu einem Unfall gekommen, sollte man sich möglichst nicht noch an der Unfallstelle und unter Schock stehend dazu verleiten lassen, Angaben zum Unfallhergang zu machen. Wichtiger ist es, Namen und Adressen von Zeugen festzustellen oder feststellen zu lassen, sollte man selbst hierzu nicht in der Lage sein. Hilfreich kann es manchmal auch sein, Kennzeichen möglicher Zeugen zu notieren, auch wenn man selbst nur Zeuge eines solchen Unfalls geworden ist, denn das Konfliktpotential ist hier hoch.

Fazit: Der zu wählende Anwalt sollte möglichst mit der Materie „Motorrad“ vertraut sein, jedenfalls darf die Frage gestellt werden, ob ein Nicht-Motorradfahrer sich in die Unfallsituation hineinversetzen oder überhaupt verstehen kann, wie sich ein Motorrad verhält, nicht nur in kritischen Situationen.

Auch im Rahmen der Unfallschadenabwicklung gibt es Besonderheiten beim Motorradunfall. Auch hier steht Ihnen ein fachkundiger Anwalt zur Seite.



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