Müssen Lehrer wegen Freiheitsberaubung nun selbst "nachsitzen"?

  • 2 Minuten Lesezeit

Es ist noch nicht allzu lange her, da galt das Nachsitzen in der Schule als durchaus gebräuchliches Mittel, um Schüler zu disziplinieren. Stetig vergessene Hausaufgaben, konsequentes Stören des Unterrichts oder Verweigerung von Aufgaben wurde ganz selbstverständlich durch den Lehrer sanktioniert.

Der Musiklehrer einer Realschule hatte sich unlängst vor dem Neusser Amtsgericht in Sachen „Nachsitzen“ zu verantworten. Seine Schüler aus einer sechsten Klasse warfen ihm Freiheitsberaubung und zudem Körperverletzung vor.

Der Lehrer hatte von seinen Schülern gefordert, vor dem Verlassen des Klassenraums einen Internet-Eintrag über den Komponisten Niccolò Paganini abzuschreiben. Um der Ernsthaftigkeit seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, verbarrikadierte der Lehrer die Tür, indem er sich mitsamt Gitarre auf einen Stuhl in den Rahmen dieser setzte. Die Schüler reagierten darauf mit einem Anruf bei der Polizei und schilderten den herbeigeeilten Beamten zudem, der Lehrer hätte überdies einen (der Schüler) „geboxt“.

Bei der Verhandlung konnten keinerlei Anhaltspunkte für eine Körperverletzung erkannt werden, sodass dieser Vorwurf sich als nicht haltbar erwies. Der vorsitzende Richter verwarnte den Lehrer gleichwohl mit Strafvorbehalt aufgrund der Freiheitsberaubung. Er habe als Strafrichter natürlich durchaus „vollstes Verständnis“ für die pädagogischen Herausforderungen des Lehrerberufs, rate ihm aber dringend – mittels gerichtlicher Auflage unter Androhung einer Geldstrafe in Höhe von 1000 Euro – zu einer Fortbildung zur Konfliktbewältigung mit Schülern.

Gegen das Urteil des Amtsgerichts ging der Musiklehrer in Berufung, wodurch der Sachverhalt am Düsseldorfer Landgericht erneut zur Verhandlung kam und mit einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen endete.

Das Gericht befand, dass eine Freiheitsberaubung im rechtlichen Sinne nur dann vorgelegen hätte, wenn der Lehrer die Schüler eingesperrt oder anderweitig ihrer persönlichen Freiheit beraubt hätte. Die lediglich kurzfristige räumliche Einschränkung der Schüler sei im gegebenen Fall „gerade noch sozialadäquat“ gewesen. Insbesondere dadurch, dass Lehrer zusehends mit großer Respektlosigkeit der Schüler konfrontiert werden, sei eine derartige Handlung mangels wirksamer Alternativen von Mitteln zur Durchsetzung der Autorität durchaus noch sozial vertretbar.

Mein Rechtstipp für Sie!

Es gibt keine klare Definition, welche in derlei Fällen eine verbindliche Unterscheidung von sozialadäquatem und rechtwidrigem Handeln ermöglicht. Umso wichtiger ist es, den Sachverhalt rechtssicher so darzustellen, damit dieser für Staatsanwaltschaft und Gericht nachvollziehbar wird. Ein vorschnelles Schuldeingeständnis könnte sich bei einer Verurteilung nicht zuletzt für die weitere berufliche Laufbahn aller Beteiligten negativ auswirken. Ein guter Strafverteidiger wird daher stets versuchen, eine Verfahrenseinstellung zu erreichen.

Rechtsanwältin Farchonda Taher

Kanzlei Taher


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin Ariana Taher

Beiträge zum Thema