Muss man immer in Haft?

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Kurze Antwort: Jein! 

Nachdem das Gericht sein Urteil gefällt hat, ist die Sache für viele Beteiligten beendet. Dies gilt umso mehr, wenn das Urteil nicht angefochten wird. Dann wird es rechtskräftig. Das bedeutet, dass dann keine Rechtsmittel wie Berufung oder Revision mehr möglich sind.

Gerade wenn es um eine Haftsache geht, ist das ein wichtiger Punkt. Um genau diesen Fall, ein Urteil zu einer Haftsache, soll es in diesem Beitrag gehen. 

1. Was passiert nach einem rechtskräftigen Urteil?

Wenn der Mandant durch ein Urteil zu einer Haftstrafe verurteilt wird und das Urteil wird rechtskräftig, dann übergibt das Gericht die Akte an die Staatsanwaltschaft. Diese ist in Deutschland für die Vollstreckung von Geld- und Haftstrafen zuständig.

Wenn sie also zu einer Haftstrafe verurteilt worden sind, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde, werden sie von der Staatsanwaltschaft einen Brief bekommen. In diesem Brief ist die Ladung zum Haftantritt enthalten. Auf dieser Ladung steht, wann sie sich wo zu melden haben, um ihre Haftstrafe anzutreten. Wenn sie dieser Ladung nicht nachkommen, kann gegen sie ein Haftbefehl erlassen werden.

2. Kann ich die Haft umgehen?

Grundsätzlich sind sie verpflichtet, die Haftstrafe anzutreten. Sie sind ja auch von einem Gericht rechtskräftig verurteilt worden.

Jedoch gilt im Strafrecht der Grundsatz der materiellen Wahrheit: Das Gericht muss den Sachverhalt so aufklären, wie er wirklich war!

Aus diesem Grund haben sie auch bei einer Ladung zu einem Haftantritt die Möglichkeit, noch etwas zu unternehmen.

Zum einen könne sie einen Haftaufschub bei der Staatsanwaltschaft beantragen. Zum anderen kann die Wiederaufnahme des Verfahrens beim zuständigen Gericht beantragt werden.

3. Haftaufschub

Der Haftaufschub ist in §456 StPO geregelt.

Danach kann dem Verurteilten ein Strafaufschub von höchstens 4 Monaten gewährt werden, wenn ihm oder seiner Familie durch die sofortige Vollstreckung der Haftstrafe Nachteile entstehen, die mit dem Strafzweck nichts zu tun haben.

Ein kleines Beispiel: Unterstellen wir, das jemand nach einer Tat, die er begangen hat, einen neuen Lebenspartner kennengelernt hat. Man will eine Familie gründen, die Freundin ist evl. bereits schwanger. So kann mit dem anstehenden Familienglück als Begründung ein Aufschub beantragt werden, da die Tat zu einer Zeit begangen wurde, als die Familienplanung noch nicht absehbar war. Nun den Lebenspartner in einer solchen Situation alleine zu lassen, ist nicht Sinn und Zweck der Strafe!

Ob dieses Argument durchgreift, ist natürlich nicht pauschal zu beantworten. Die Entscheidung trifft die Staatsanwaltschaft. Es kann daher auch sein, dass trotz dieser Begründung die Haft nicht aufgeschoben wird.

Hier kommt es also auf die allgemeinen Lebensumstände an. Klar muss aber sein, dass dies kein Straferlass ist: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben!

4. Wideraufnahme des Verfahrens

Nach §359 StPO kann die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt werden.

Voraussetzung für die Wiederaufnahme ist, dass es im Verfahren zu Fehlern gekommen ist. Hierbei gilt aber nicht jeder Fehler als entscheidend. In §359 StPO stehen alle Verfahrensfehler drinnen, die eine Wiederaufnahme rechtfertigen. So kann die Wideraufnahme beantragt werden, wenn es neue Beweismittel gibt, die zu einem Freispruch oder einem milderen Urteil führen würden. Oder Wenn eine falsche Urkunde in der Hauptverhandlung zu Ungunsten des Angeklagten als echt vorgetragen wurde, kann das Verfahren wieder aufgenommen werden.

Die Wiederaufnahme führt dazu, dass das Verfahren wieder aufgerollt wird. Parallel kann auch hier nach §360 StPO ein Strafaufschub beantragt werden. Das sollte man auch immer tun: Die Berufung oder Revision sorgt dafür, dass das Urteil nicht vollstreckt werden darf (Suspensiveffekt). Die dem Antrag auf Wiederaufnahme ist das nicht so. Das Urteil kann vollstreckt werden, auch wenn ein solcher Antrag gestellt wurde. Es kann also sein, dass der Mandant ins Gefängnis geht und dann stellt sich im wieder aufgenommenen Verfahren heraus, er war es gar nicht! Daher sollte man immer auch einen Antrag auf Aufschub stellen.

Der Antrag auf Wiederaufnahme kann nur auf einen der dort genannten Gründe gestützt werden. Daher ist es zwingend notwendig, dass sich ein Anwalt die Akte vorher ansieht. Jedoch kann auch hier kein Anwalt garantieren, dass der Antrag positiv beschieden wird und wenn doch, wie das Verfahren dann ausgeht.

Fazit: Es gibt einige Möglichkeiten eine Rechtskräftige Verurteilung zumindest zeitweise zu umgehen. Ihnen muss aber klar sein, dass diese Möglichkeiten sehr eingeschränkt sind. Keine davon garantiert ihnen, dass sie nicht ins Gefängnis müssen. Schließlich wurden Sie von einem Gericht nach allen Regeln des rechtsstaatlichen Verfahrens verurteilt.

Dieser Beitrag zeigt nur oberflächlich, welche Möglichkeiten Sie haben, eine Haftstrafe zu verschieben oder sogar zu revidieren. In einem solchen Fall ist immer die Hilfe Anwalts anzuraten. Gerade der Antrag auf Wideraufnahme hat einige Voraussetzungen, die in diesem kurzen Beitrag nicht genannt werden können. 


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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