Nachbarrecht: Kann man gegen Lichtreflexionen von Solaranlagen auf dem Dach des Nachbarn vorgehen?

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Zunehmend häufiger findet man auch schon PV-Solaranlagen auf Dächern von einzelnen Wohnhäusern und Einfamilienhäusern. Diese lösen - das sieht jeder, der gegenüber einer solchen wohnt - Lichtreflexionen der Sonne aus. In einzelnen Wohnlagen kann dies den gegenüber wohnenden Nachbarn durchaus beeinträchtigen. Nun liegt eine Entscheidung des OLG Braunschweig vor, die skizziert, ab wann und auf welchen rechtlichen Erwägungen gegen diese störenden Lichtreflexionen bzw. gegen die Solaranlage, rechtlich auf Abwehr vorgegangen werden kann. 

Störende Lichtreflexion der Dach-Solaranlage und Rechtsgrundlage

Grundsätzlich kann ein Eigentümer eines Hausgrundstücks gegen störende Einwirkungen und Immissionen vom Nachbar-Grundstück gegen den Nachbar-Eigentümer vorgehen nach § 906 BGB, wenn es zu „nicht unwesentlichen“ Beeinträchtigungen bei der ortsüblichen Benutzung seines eigenen Grundstücks kommt, die nicht mehr zu dulden sind. In solchen Fällen kann er Unterlassung und. Beseitigung der Immission verlangen, und - sollte das nicht möglich sein -, ggf. Entschädigung. 

Feststellung von wesentlichen Beeinträchtigungen 

Nach § 906 BGB muss das Maß des Überschreitens von Beeinträchtigungen als wesentlich als Tatsachenfrage vom Gericht festgestellt werden, und der Kläger dafür entsprechend vortragen und Beweise vorlegen. Grundsätzlich werden dafür - wenn vorhanden - die technischen Regelwerke mit ihren definierten Immissions-Grenzen zu Grunde gelegt. Bei Lichtimmissionen von privaten Einzel-Solaranlagen gibt es derzeit noch keine solchen. Nach Abs. 2 des § 906 wird in solchen Fällen geprüft und gewürdigt, ob eine - zu beweisende - an sich nicht unwesentlich störende Auswirkung eines Nachbargrundstücks durch eine sog. ortsübliche Benutzung ausgelöst wird sowie ob diese Störung durch zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann. Ist die Benutzung ortsüblich und löst sie eine nicht unwesentliche Beeinträchtigung der Nutzung des Nachbargrundstücks aus und ist sie nicht durch technische Maßnahmen abwendbar, besteht insofern dann zwar eine Duldungspflicht des gestörten Nachbarn gegenüber, jedoch wird aus dem Abwehrrecht ein Recht auf eine materielle Entschädigung. 

Damit wird die Frage, ob, wann und in welchem Maße, störende Lichtreflexionen von der Solaranlage des Nachbarn ausgehen, zu einer Tatsachenwürdigungsfrage. 

Entscheidung des OLG Braunschweig

Mit diesen Fragen hat sich das OLG Braunschweig in der Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts Göttingen beschäftigt und die Berufung und Klage des Klägers abgewiesen (Urteil vom 14.07.2022, Az 8 U 166/21

Es bestand Streit zwischen den Grundstücksnachbarn, bei denen der Beklagte zusätzlich zu einem 2015 gesondert eingebauten Dachfenster auch noch Paneele einer Solardach-Anlage aufgesetzt  hat.  

Das Landgericht hat für die Feststellung der möglichen Beeinträchtigung ein Sachverständigengutachten erfordert. Der Sachverständige stellte nach Auswertung der Wetterdaten für die Jahre 2017-2019 sowie nach einem Ortsbesichtigungstermin fest, dass im Schnitt maximal 20 Stunden im Jahr an Blendungen mit entsprechender Intensität an Lichtdichte von 20 % der Absolut-Leuchtdichte, dies auch nur zu bestimmten Tageszeiten, auf das Wohnzimmer sowie Küche und Balkon, störend ausgehen können. Diese teils vom Sachverständigen vor Ort wahrgenommenen starken Blendungen betrachtete er selbst als noch nicht gesundheitsrisikierend, und kurzzeitig, sowie konnten teils durch Senkung eines Rollos oder sonstigen Lichtschutzes in dem Haus des  gestörten Nachbarn eingedämmt werden. 

Streitpunkte im Rechtsstreit

Die Kläger meinten, dass das Abstellen von 20-30 Minuten Blendzeiten am Tag  aus Basis einer für gewerbliche Lichtanlagen geltenden LAI als „wesentliche“ Beeinträchtigung gelte, was das Gericht ablehnte, genauso wie die Ansicht der Kläger, dass das BImSchG und die Leitlinie LAI für Lichtimmissionen vorliegend anwendbar sei - jene gelten nur für gewerbliche große freiflächige Solaranlagen im Genehmigungsverfahren.  

Das Oberlandesgericht hat sodann zutreffend zugrunde gelegt zunächst, dass die Frage der Wesentlichkeit der Lichtbeeinträchtigungen eine tatrichterliche Würdigungsfrage des jeweiligen Einzelfalles ist, mithin der Zumutbarkeit von Intensität und Ausmaß der Lichtblendungen und der Auswirkungen für die Nutzbarkeit des Grundstücks und Wohnräume der Nachbarn. 

Normierte Grenzwerte sind für den vorliegenden Bereich von Reflexionen durch private Solaranlagen nicht gegeben - die Regelungswerke für die freiflächigen großvolumigen Anlagen können nur als informelle Anhaltspunkte unterstützen. 

Die vom Sachverständigen ermittelten bis zu 30 Tage mit Blendwirkungen in April und Mai sowie nochmals August und September mit Dauern von unter 20 Stunden im Jahr seien keine wesentlichen Beeinträchtigungen, die einen Abwehr-/Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruch der Anlage auslösen könnten. 

Damit wurde Klage und Berufung abgewiesen auf Basis der Feststellungen dieses Einzelfalles, und der sich daraus ergebenden richterlichen Tatwürdigung für die rechtlichen Folgerungen. Dies kann in anderen Fällen mit stärkeren Blendungen in der Stärke wie Dauer und Auswirkung jedoch u.U. auch anders von einem Gericht gewürdigt werden. 

Fazit

Wir nehmen an, dass es durch die zunehmende Verbreitung von privaten kleinen Solaranlagen an und auf Häusern, auch von „Balkon-Solaranlagen“ zu zunehmend mehr Rechtsstreitigkeiten kommen wird, wegen der von jenen ausgehenden Lichtreflexionen auf die Häuser gegenüber und sind gespannt auf die weitere Rechtsprechung der Gerichte dazu. 

Rechtsanwältin Iris Schuback aus Hamburg 

Stand des Rechtstipps: erstellt am 7.11.2022



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