Neues aus dem Erbrecht - Erbrechtsreform und aktuelle Rechtsprechung -

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I. Erbrechtsreform

Zum 01.01.2010 ist das „neue" Erbrecht in Kraft getreten, wonach es zu Änderungen im Erb- und Verjährungsrecht kam. Das Gesetz gilt für Erbfälle ab 01.01.2010, nicht jedoch rückwirkend. Nachfolgend sollen die für die Praxis relevanten Änderungen kurz dargestellt werden.

1. Pflichtteilsergänzung

Eine maßgebende Änderung hat sich im Bereich des Pflichtteilsergänzungsanpruchs ergeben. Der Anspruch wird immer dann relevant, wenn der Erblasser zu Lebzeiten Schenkungen machte, welche den Nachlasswert schmälern. Nach der alten Regelung des § 2325 Abs. 3 BGB galt in Bezug auf die 10-Jahresfrist die „Alles-oder-Nichts"-Lösung. D.h., wenn zur Zeit des Erbfalls seit der Schenkung noch keine 10 Jahre vollständig verstrichen waren, wurde der volle Betrag der Schenkung und damit 100% für den auf Geld gerichteten Anspruch in Ansatz gebracht. Selbst dann, wenn 9 Jahre und 364 Tage zwischen Schenkung und Erbfall lagen. Diesem zum Teil willkürlichem Ergebnis hat der Gesetzgeber nun einen Riegel vorgeschoben. Im reformierten § 2325 Abs. 3 BGB werden zurückliegende Zeiträume wertmindernd berücksichtigt und zwar dergestalt, dass innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall die Schenkung vollständig, im zweiten Jahr noch mit 9/10, im dritten Jahr nur noch mit 8/10, etc. berücksichtigt wird.

2.Verjährung der Ansprüche

Die Erbrechtsreform hat nunmehr auch eine einheitliche Verjährung erbrechtlicher Ansprüche hervorgebracht. Nach bisheriger Gesetzeslage galt im Erbrecht, mit Ausnahme des Pflichtteilsanspruchs, eine Regelverjährungsfrist von 30 Jahren, während für sämtliche andere Ansprüche die Regelverjährung nach drei Jahren eintrat. Durch die Reform wird die erbrechtliche Verjährung der Regelverjährung angepasst. Die Verjährungsfrist beginnt am Jahresende ab Entstehung und Kenntnis des Anspruchs oder grob fahrlässiger Unkenntnis. Ist der Erbfall bereits vor dem 01.01.2010 eingetreten, sind hinsichtlich der „alten" Verjährungsregelungen entsprechende Überleitungsvorschriften zu beachten. Als Faustformel gilt, dass die Verjährung spätestens 3 Jahre nach dem 01.01.2010 eintritt, sofern nicht die Verjährungsfrist bereits nach „altem" Recht vollendet und damit kürzer war.

3. Anrechnung von Pflegeleistungen

Der Gesetzgeber hat nun auch ausdrücklich eine Anrechnung von erbrachten Pflegeleistungen eines Abkömmlings gegenüber dem Erblasser gem. § 2057 a BGB für den Fall geregelt, wenn der Abkömmling die Pflege nicht unter Verzicht auf eigenes berufliches Einkommen betrieben hat. Das war früher nicht möglich. Daher stellt die Neuregelung eine Erweiterung der Ausgleichungsmöglichkeiten unter den übrigen Abkömmlingen dar. Diese Begünstigung ist gerade bei nebenberuflich Pflegenden mit Doppelbelastung erfreulich. 4. - Sonstiges -Weitere Neuregelungen finden sich unter anderem noch im Bereich Pflichtteilsentziehung (§ 2333 BGB), der vereinfachten Ausschlagungsmöglichkeit eines beschränkten oder beschwerten pfichtteilsberechtigten Erben (§ 2306 BGB), sowie der vereinfachten Möglichkeit eine Stundung des Pflichtteils bei Auszahlung des Pflichtteilsanspruchs zu erreichen (§ 2331 a BGB).

II. Aktuelle Rechtsprechung

Der insbesondere auch für das Erbrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit Urteil vom 28.04.2010 (Az.: IV ZR 73/08) seine bisherige Rechtsprechung zur Berechnungsgrundlage für Pflichtteilsergänzungsansprüche nach § 2325 BGB bei widerruflicher Bezugsrechtseinräumung im Rahmen von Lebensversicherungsverträgen geändert und damit ein lange umstrittene Rechtsfrage neu beurteilt. Ausgangspunkt ist folgende Konstellation: Der Erblasser hat eine Lebensversicherung auf sein eigenes Leben abgeschlossen.

Im Falle seines Todes erhält ein Dritter, der mittels einer widerruflichen Bezugsrechtsbestimmung ernannt ist, dann die Versicherungssumme ohne Gegenleistung und damit als Schenkung zugewendet. Das hat zur Folge, dass die Versicherungssumme nicht in den Nachlass fällt und damit den Nachlass wirtschaftlich schmälert. Ein Pflichtteilsberechtigter möchte daher nun eine Ergänzung nach § 2325 BGB erreichen. Nach der bisherigen Rechtsprechung und Tendenz in der Literatur wurde bei der Berechnung des Anspruches auf die tatsächlich ausgezahlte Versicherungssumme abgestellt. Eine andere Ansicht stellte auf die bis zum Erbfall eingezahlten Prämien ab.

Der BGH entschied nun, dass es nicht auf den ausgezahlten Betrag ankomme, sondern vielmehr auf den Wert, den der Erblasser aus den Rechten seiner Lebensversicherung zum Todeszeitpunkt hätte umsetzen können. In aller Regel, so der BGH, sei damit auf den Rückkaufswert abzustellen, es sei denn, dass im konkreten Einzellfall ein höherer Verkaufswert belegt werden kann. Das Ergebnis lässt sich in Zahlen an Hand des folgendem Beispiels darstellen: Der Erblasser hat bis zu seinem Tod in die Lebensversicherung Prämien in Höhe von 5.000,00 € einbezahlt, der Rückkaufswert beträgt 2.000,00 €, der auszuzahlende Betrag 200.000,00 €. Ein enterbter Sohn mit einer Pflichtteilsquote von 25 % verlangt nun eine Plflichtteilsergänzung.

Stellt man auf die Versicherungssumme ab, so könnte der enterbte Sohn 50.000,00 € verlangen. Bringt man die geleisteten Prämien in Ansatz, immerhin noch einen Betrag von 1.250,00 €. Nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH können jedoch nur ¼ aus dem Rückkaufswert verlangt werden, was einem Betrag in Höhe von 500,00 € entspricht. Der Pflichtteilsberechtigte hat nach der aktuellen Rechtsprechung somit 49.500,00 € weniger zu beanspruchen, so dass die aktuelle Rechtsprechung für ihn ungünstiger, für den Erben gleichwohl günstiger wird.

Alexander Grünert, Rechtsanwalt


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