Neues Betreuungsrecht - Weshalb eine Betreuung Leben retten kann!

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Mitte letzten Jahres entwickelte sich ein Fall anders, als ich zunächst vermutete. Heinz B* (63) wollte einen Antrag auf Grundsicherung stellen, oder besser: sollte stellen, denn der Sohn hatte mich darum gebeten, den Vater dabei professionell zu unterstützen. Und „vielleicht ja auch sonst ein bisschen“. Er hatte bereits vor Jahren den Kontakt zum Vater abgebrochen, die Mutter war verstorben. B. soll früh gewalttätig gewesen sein, eine Nachbarin von B. hatte den Sohn angerufen, weil B. tagelang nicht gesehen worden war. 

Das Recht zu verwahrlosen?

Als ich B. aufsuchte öffnete mir ein verwahrloster Mann im Unterhemd. Der Gestank von Alkohol, Rauch und anderm biss sich mir in die Nase. Ich sah mich um. Es war einer dieser tragischen Orte, die es leider in jeder Stadt gibt, viel zu häufig. Die Küche voll mit leeren Flaschen. Der hagere B. hockte sich im Wohnzimmer aufs Sofa, wo er nachts offenbar auch schlief. Seine gelben Finger griffen eine Zigarette, der Aschenbecher übervoll. Nein, auch wenn jeder das Recht hat, zu verwahrlosen: So sollte niemand leben müssen. 

Vom Leben überfordert

Ich ging mit B. den Antrag durch, er holte einen Karton voller Unterlagen, Steuerbescheide, Mahnungen, GEZ, auch wichtige ärztliche Bescheide. B. hatte komplett den Überblick verloren. Er konnte und wollte sich nicht mehr kümmern. Das solle lieber ein anderer tun, sagte er und gab freimütig zu, dafür im Grund noch nie in der Lage gewesen zu sein. Schon die Familie damals habe ihn überfordert. 

Ich teilte dem Sohn mit, dass sein Vater eine Betreuung brauche. „Können Sie das nicht machen?“, fragte er. Da ich zuvor einige Fortbildungen auf dem Gebiet der Rechtlichen Betreuung absolviert hatte, konnte ich das. 

Geduld und Einfühlungsvermögen

Wichtig ist festzustellen, dass B. mit der Betreuung weiter geschäftsfähig bleibt, wenn auch eingeschränkt. Wichtige Entscheidungen werden fortan von uns gemeinsam gefällt. Die Kunst einer Betreuung besteht darin, den Betreuten davon zu überzeugen, was für ihn das Beste ist. Das braucht Zeit, Geduld und Einfühlungsvermögen. Inzwischen habe ich erreicht, dass B. in Kürze seinen Entzug antreten wird. Dass seine Alzheimer-Symptome danach verschwunden sein werden, hält der Arzt allerdings für wenig wahrscheinlich. Überhaupt ist B.’s psychischer wie physischer Zustand derart schlecht, dass er nicht allein gelassen werden sollte. Deshalb bin ich auf der Suche nach einem Platz in einer betreuten Wohngruppe für ihn, was B. noch nicht weiß. Ihn bald auch davon zu überzeugen, wird meine nächste große Aufgabe sein. 

Das neue Betreuungsrecht

Niemand muss Furcht davor haben, dass er oder sie mit einer Betreuung die Herrschaft übers eigene Leben verliert. Auch Verwandte, die die Betreuung immer öfter nicht übernehmen wollen, können beruhigt sein. Mit Beginn des Jahres wurde das Betreuungsrecht (§ 1815 BGB) im Sinne der Betreuten angepasst, der Fokus liegt jetzt klar auf Unterstützung, stellvertretende Entscheidungen sind nur noch in Ausnahmefällen und mit Billigung des Betreuungsgerichts möglich. Zudem kann der Betreute dagegen Einspruch erheben. Die Neuerungen im Einzelnen: 

  • Betreuer müssen Willen und Wünsche des Betreuten grundsätzlich umsetzen, mindestens aber stark berücksichtigen.
  • Betreuer und Betreuter müssen sich vor Beginn der Betreuung kennenlernen und sollen den persönlichen Kontakt dann halten.
  • Das Betreuungsgericht muss die betreute Person umfassend informieren und ihr Rechte zur Mitsprache und Beschwerde geben.
  • Betreute können bei Gericht selbst Erklärungen abgeben, Anträge stellen oder gegen Gerichtsentscheidungen vorgehen.

Der Schutz von Betreuten, oder gar vor deren Ausbeutung durch Betreuer, wurde damit entscheidend verbessert. Trotzdem sollte stets genau hingesehen werden, WER eine Betreuung übernimmt. Ganz unbescheiden: Ein Anwalt, der sich bestens im Sozial- und Insolvenzrecht auskennt, ist dafür sicher nicht die schlechteste Wahl. 

Herzlichst, Ihr 

Gerhard Rahn 

Fachanwalt für Sozial-, Insolvenz- und Strafrecht / Berufsbetreuer




Foto(s): Beispielbild von pixabay

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